Süddeutsche Zeitung

Borussia Mönchengladbach:"Wir gehen als gute Menschen auseinander"

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In einer denkwürdigen Videokonferenz bekräftigen Manager Eberl und Trainer Rose die Absicht, bis zum Saisonende gemeinsam durchzuhalten. Hält der Schwur im Reizklima am Niederrhein?

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Als Marco Rose am Mittwoch in die Arbeit kam, musste er auf einem 20 Meter langen Banner die Aufforderung zu seiner sofortigen Entlassung lesen. "Kein Söldner steht über dem Verein - sofort raus mit dem charakterlosen Schwein!", stand da wenig höflich in bedrohlich großen Lettern am Zaun des Fußballstadions. Im Adjektiv waren die vier Buchstaben R, O, S, E farblich hervorgehoben. Früh an diesem Tag saß der Trainer von Borussia Mönchengladbach in einer virtuellen Pressekonferenz, in der er erstmals öffentlich erklärte, warum er zur kommenden Saison zu Borussia Dortmund wechselt. "Mich reizt die Aufgabe", sagte Rose und zeigte sich irritiert über all die Irritationen rund um diesen angekündigten Wechsel: "Ich habe doch niemanden umgebracht."

Die sonst so große Harmonie bei der Borussia am Niederrhein wird gerade auf eine harte Probe gestellt. Dass Rose eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag nutzt, um ein Jahr vor Ablauf nach Dortmund zu wechseln, sorgt für Aufruhr im Umfeld. Dass der Manager Max Eberl entschlossen ist, die Saison trotzdem mit Rose zu Ende zu bringen, lässt gewisse Fangruppen rabiate Banner malen. "Marco hat nichts falsch gemacht", sagte Eberl. "Ich trage die komplette Verantwortung für diesen Vertrag, und darin war nun mal die Möglichkeit verankert, dass Marco sich so entscheidet."

Am 2. März duellieren sich Gladbach und der BVB im DFB-Pokal

Es ist im Fußball nicht das erste Mal so, dass der Wechsel eines Spielers oder Trainers lange vorher bekannt geworden ist. Bekennende Abtrünnige mussten sich dann stets skeptischer Blicke erwehren. Es ist aber eine Konstellation von besonderer Brisanz, dass Rose mit Gladbach (Siebter) in der Bundesliga um eine Europapokal-Platzierung wetteifert mit den Dortmundern (Sechster) mit demselben Ziel - und dass sich Gladbach und Dortmund am 2. März auch noch im Viertelfinale des DFB-Pokals duellieren.

Einen Interessenkonflikt will Eberl darin jedoch nicht erkennen. "Marco wird alles dafür geben, im Pokal Dortmund zu schlagen und in der Tabelle am Ende vor Dortmund zu stehen", sagte der Manager. "Marco wird bis zum 30. Juni hier alles geben, um diesen Klub erfolgreich zu verlassen - scheißegal, wo er dann ab Sommer ist." Eberl stellte unmissverständlich klar: "Es ist nicht eine Sekunde darüber nachgedacht worden, Marco freizustellen." Eines versprach der demnächst Scheidende am Mittwoch fast schon hoch und heilig: "Wenn Marco Rose sagt, er nimmt keine Spieler mit zu Borussia Dortmund, dann nimmt er keine Spieler mit zu Borussia Dortmund. Fertig, aus."

Eberl sprach in der Pressekonferenz mit brüchiger Stimme. Es war unüberhörbar, wie sehr ihn die Sache mitnimmt. Der 47-Jährige ist seit gut zwölf Jahren Gladbachs Sportdirektor und hat schon ein paar kleinere Krisen moderiert. Eine Opposition um Stefan Effenberg wollte mal den Verein kapern (2011), die Trainer Hans Meyer (2009) und Lucien Favre (2015) haben von sich aus hingeschmissen und eine Zeitlang haben die Fans mal recht viel gepfiffen bei Heimspielen (2017). Haften geblieben ist davon aber wenig.

Eberl: "Mich bestürzt die Vehemenz einiger Aussagen"

Die gegenwärtige Lage indes scheint auf Eberl einen besonders bedrohlichen Eindruck zu machen. "Mich bestürzt die Vehemenz einiger Aussagen", sagte er über Banner am Stadion und Diskussionen im Internet. Der Umstand, dass die Fans wegen Corona von all jenem ausgesperrt sind, woran sie sonst teilhaben durften, scheint die Situation zusätzlich aufzuheizen. Eberl hob gar zu einer undifferenzierten Medienschelte an, Zitat: "In bin schockiert, wie im Journalismus dumpfe und dumme Kommentare in Sozialen Medien als Wahrheit aufgegriffen werden; es betrifft aber nicht allein den Sport, sondern die ganze Gesellschaft, dass Dumpfbacken Lügen verbreiten, die als Wahrheiten weiterverkauft werden. Es ist ein Problem unserer Gesellschaft, dass Wut und Hass entstehen aufgrund von Aussagen, die nicht der Wahrheit entsprechen."

Von all den äußeren Einflüssen, die gerade auf die Borussia einprasseln, will sich Eberl befreien. Das dazu erforderliche Rückendeckung innerhalb des Klubs und aller Gremien besitzt er. "Wir werden hier niemanden teeren und federn, weil er sich gegen uns entschieden hat", sagte er, "wir gehen als gute Menschen auseinander, und das lasse ich mir von all den Geschichten, die gerade um uns herum aufgebaut werden, nicht kaputtmachen - es passt kein Blatt zwischen Marco Rose und Max Eberl."

Diese Aussage wird in den kommenden Wochen regelmäßig zu überprüfen sein. Niederlagen in der Bundesliga und ein mögliches Ausscheiden aus DFB-Pokal und Champions League könnten ein hartes Echo hervorrufen. "Ich weiß, dass jetzt jedes Gegentor besonders gewertet wird", sagte Rose. Auf den U23-Trainer Heiko Vogel, der mit dem FC Basel einst bis ins Achtelfinale der Champions League zog und dann Jugendkoordinator beim FC Bayern war, könnte unter Umständen doch noch eine plötzliche Abberufung zur Bundesliga-Mannschaft zukommen. Die Unruhe dürfte im Borussia-Park ein unbequemer Begleiter bis zum Saisonende bleiben.

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