Süddeutsche Zeitung

Offener Brief an DOSB:"Respekt und Fairplay vermissen wir jeden Tag"

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Ein anonymer Brief wirft Zweifel an der Kultur im DOSB auf: Beklagt wird darin vor allem das Verhalten von Präsident Alfons Hörmann. Verdruss im Verband gibt es schon länger.

Von Saskia Aleythe

Wer mit einer E-Mail aufrütteln will, wählt im Betreff am besten gleich die passenden Worte. Die Nachricht, die den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) am Donnerstagmorgen erreichte, war mit dem stilistisch prägnanten Betreff versehen: "Warum wir eine/n neue/n Präsident*in brauchen", und es ist mehr als wahrscheinlich, dass so mancher beim Blick in sein Postfach den Wirkungstreffer spürte. Allen voran Alfons Hörmann, der noch im Dezember bei der Mitgliederversammlung eine fast weise Prognose getroffen hatte: Das Jahr 2021 werde ein schwieriges Jahr, noch schwieriger als 2020.

Einen Aufstand im eigenen Verband hat Hörmann, seit 2013 im Amt, damals noch nicht im Sinn gehabt, und sicher sein konnte man im DOSB am Donnerstag noch nicht, dass die E-Mail, die an Vorstand und Präsidium gerichtet war, authentisch ist. Den Eingang des offenen Briefs bestätigte der Dachverband des deutschen Sports, genauer gesagt den Eingang einer "anonymen Mail, die von einem Fake-Mail-Account versandt wurde". Nur einige Vorstands- und Präsidiumsmitglieder hätten diese in ihren Postfächern vorgefunden, man prüfe die Hintergründe. Unterschrieben ist der Brief von "DOSB-Mitarbeiter*innen", die schwere Vorwürfe gegen Hörmann erheben. Es gehe um einen Mangel an Respekt in der Mitarbeiterführung und das Missachten von Hygieneregeln in der Corona-Pandemie. Verdruss in den Reihen des DOSB ist angeblich schon seit Längerem spürbar.

Von "zweifelhaften Verhaltensweisen" und "herablassendem Auftreten" ist in dem Brief die Rede, die Unterzeichner würden täglich Respekt und Fairplay in den Führungsgremien vermissen, heißt es, "vor allem bei unserem Präsidenten Alfons Hörmann". Intern hätte sich in den vergangenen Monaten mehr als ein Drittel der DOSB-Mitarbeiter zusammengefunden, um über die bestehenden Probleme zu sprechen, herausgekommen sei die Erkenntnis: So wie jetzt gehe es nicht weiter. Vor allem weibliche Angestellte seien "mental und psychisch über die Grenze des Belastbaren" getrieben worden und hätten teilweise in Tränen kurz vor Mitternacht ihr Büro verlassen. Stifte und Gegenstände seien in Richtung der Mitarbeiter geflogen. "Aufgrund solcher Verhaltensweisen haben Mitarbeiter*innen gekündigt; andere befinden sich in psychotherapeutischer Behandlung", heißt es in dem Brief, der der SZ vorliegt.

Erschüttert zeigen sich die Schreiber auch über den Umgang mit den Hygieneregeln während der Corona-Pandemie. "Bedauerlicherweise" gäbe es Mitglieder in den DOSB-Führungsgremien, "die diese Regeln dauerhaft und konsequent missachten. So ist uns Mitarbeiter*innen kein Meeting im ,Haus des Sports' bekannt, in dem Alfons Hörmann eine Maske getragen hätte". Das sei "vor allem der gesamten Sportbasis gegenüber respektlos", schreiben die Unterzeichner, müssten sich doch seit Monaten alle Sportwilligen mit größten Einschränkungen arrangieren.

Eine Anfrage an den DOSB, wie er als Ganzes und wie Präsident Hörmann und die Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker persönlich die Vorwürfe kommentieren, blieb am Donnerstag zunächst unbeantwortet. Am Abend meldete sich Hörmann in der Allgäuer Zeitung zu Wort: "In den letzten Stunden haben sich zahlreiche Führungskräfte und Mitarbeiter deutlich von diesem Stil und den Inhalten distanziert", erklärte er und kündigte eine rasche Aufklärung an: "Auch seitens der DOSB-Führungsgremien wird es zeitnah entsprechende Klarstellungen dazu geben."

In dem Schreiben heißt es, da sich unter Hörmann eine "Kultur der Angst" im DOSB entwickelt hätte, sei nun der Weg des offenen Briefes gewählt worden. Man fürchte um seinen Arbeitsplatz, würden die Namen bekannt werden. Auch der Betriebsrat sei über das Anliegen informiert worden.

Bei manchen Formulierungen fühlt man sich erinnert an die letzte Wiederwahl Hörmanns im Dezember 2018: Damals war überraschend ein Gegenkandidat angetreten, der deutsche Triathlon-Präsident Martin Engelhardt. "Ich bin mit der Führungsperson unzufrieden, wie viele andere auch, die sich nicht trauen, es öffentlich zu machen", hatte Engelhardt damals gesagt, er erhielt 61 der 444 Stimmen. Und auch in den vergangenen Monaten hatten sich immer wieder Differenzen aufgetan. Bei dem gescheiterten Versuch der Rhein-Ruhr-Initiative, Olympia 2032 nach Deutschland zu holen, stand auch Hörmann in Sachen Kommunikation in der Kritik.

Dass er sich seit seinem Amtsantritt angeblich eher mit geringer Leidenschaft dem Breitensport widmet, stößt bei den Landessportbünden dem Vernehmen nach auf Kritik. Karin Fehres, die bis November im Vorstand für Sportentwicklung tätig war, sei von Hörmann nach 14 Jahren im Amt mit einer drei Sätze langen Pressemitteilung verabschiedet worden, nachbesetzt sei die Stelle noch nicht. Dies sei nicht "unsere Definition von ,Wertschätzung' und ,Respekt'", heißt es dazu auch in dem Brief, der mit dem offensichtlichsten aller Schlüsse endet: Es brauche eine neue Kultur innerhalb des DOSB.

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