Süddeutsche Zeitung

Dortmund nach dem Erfolg gegen den FC Bayern:"Dafür gewinnt Ihr die Champions League"

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Nach dem Sieg gegen den FC Bayern vermeiden es die Angestellten von Borussia Dortmund, die Meisterschaft für entschieden zu erklären. Sie betonen lieber die Kniffligkeit kommender Aufgaben. Die Fans dagegen haben den weiteren Saisonverlauf fest verplant - bis auf eine Partie.

Jürgen Schmieder, Dortmund

Die Angestellten von Borussia Dortmund hatten nicht die geringste Chance, es war ein aussichtsloser Kampf, den sie da führen mussten. Draußen im Stadion brüllten mehr als 70.000 Menschen: "Hey, Deutscher Meister! BVB, Borussia! Hey, Deutscher Meister! Borussia Bee-Vau-Beeeee!" In den Katakomben wurden die Anhänger unterstützt von einer Handvoll Journalisten, die mit jeder einzelnen Frage diesen einen Satz provozieren wollten: Jawohl, nun sind wir Deutscher Meister!

Doch sie sagten ihn nicht, diesen Satz. Stattdessen wurden Spieler und Verantwortliche kreativ, sie fanden allerhand Metaphern dafür, dass die Meisterschaft noch nicht entschieden sei. Die schönste stammte von Mats Hummels. "Wir haben einen großen Schritt nach vorne gemacht", sagte der Verteidiger, "aber es gibt noch vier weitere Schritte - und bei jedem kann man stolpern."

So wie man beim Baseball einen Werfer um Himmels Willen nicht darauf ansprechen soll, dass er gerade ein perfektes Spiel abliefert, so schüttelten die Dortmunder den Kopf, wenn sie jemand danach fragte, ob der Gewinner dieser Bundesliga-Saison angesichts von sechs Punkten Vorsprung schon feststehen würde. "Wir haben noch nichts erreicht", sagte Sebastian Kehl, "wir wussten schon vor dem Spiel gegen den FC Bayern, dass hier noch nichts entschieden wird."

Die Dortmunder spielen eine herausragende Saison, sie haben gerade einmal drei Partien (gegen Hoffenheim, Berlin und Hannover) verloren, seit dem 18. September des vergangenen Jahres sind sie in der Bundesliga unbesiegt. Es ist eine nahezu perfekte Spielzeit - über die man wie beim Baseball eben erst dann sprechen darf, wenn sie vorüber ist.

Einige verwiesen darauf, dass es auch in vergangenen Spielzeiten durchaus schon vorgekommen sei, dass Vereine kurz vor dem Ende einen Vorsprung verspielt hätten: Bayer Leverkusen etwa am letzten Spieltag der Saison 1999/00 - oder Schalke 04 in den letzten Minuten im darauf folgenden Jahr. Und sie erinnerten daran, dass sie selbst vor fünf Jahren am vorletzten Spieltag Schalke 04 besiegten und so den Titelgewinn des ungeliebten Rivalen verhinderten.

Allerdings: Die Dortmunder haben vier Spieltage vor Schluss sechs Punkte Vorsprung auf den FC Bayern - noch kein Bundesliga-Verein hat einen derart komfortablen Vorsprung noch verspielt. Doch das wollte die Borussen ebenfalls nicht beruhigen, schließlich sei irgendwann immer das erste Mal.

Auch Sportdirektor Michael Zorc schüttelte den Kopf, allerdings lächelte er dabei und sprach wie alle anderen euphorisiert von der Leistung der Dortmunder an diesem Abend. Dann versuchte er, wieder ernst zu wirken und verwies auf die kommenden Partien: "Wir haben gerade gegen den Zweiten in der Tabelle gespielt, nur drei Tage später müssen wir beim Dritten antreten. Eine Woche später kommt der Vierte zu uns. Daran sieht man, dass noch nichts entschieden ist."

In der Tat gibt es in den kommenden Wochen noch knifflige Partien für die Dortmunder - am letzten Spieltag müssen sie gegen Freiburg antreten, die gerade eine formidable Rückrunde hinlegen. Eine Woche zuvor spielt Dortmund in Kaiserslautern, wo die für längere Zeit letzte Bundesliga-Partie stattfindet. Davor gibt es das Duell gegen Gladbach, jene Mannschaft, die den FC Bayern wie Dortmund zwei Mal besiegt hat und auf eine Teilnahme an der Champions League hofft.

Die kniffligste Partie allerdings findet bereits am Samstag statt, wenn die Dortmunder gegen Schalke antreten müssen. "Bei jedem anderen Gegner wäre vielleicht die Gefahr da, jetzt nicht so konzentriert zu agieren, obwohl wir uns auch das nicht erlauben würden", sagte Sebastian Kehl, "aber am Wochenende ist Derby. Und unsere Fans haben öfter 'Derbysieger' gerufen als 'Deutscher Meister'. Daran sieht man, wie wichtig diese Partie ist."

In der Tat war nicht nur das Verhalten der Dortmunder Spieler bemerkenswert, sondern auch das der Fans. Natürlich gab es vor dem Beginn der zweiten Halbzeit ein paar unschöne Szenen, als der Münchner Torwart Manuel Neuer aus der Südkurve mit derart vielen Bananen beworfen wurde, dass man die Affen im Münchner Zoo ein Jahr lang versorgen könnte. Sie beschimpften ihn auch bei einigen Abschlägen.

Ansonsten hielten sich die Anhänger der Borussia mit Schmähgesangen dem FC Bayern gegenüber weitgehend zurück - sieht man vom Lederhosen-Oldie einmal ab. Es gab die üblichen Angriffe auf den Ruhrpott-Rivalen, ansonsten feierten die Fans lieber ihre Mannschaft - und natürlich die Meisterschaft, die für sie ja seit Mittwochabend als sicher gilt.

Dazu passte auch eine Szene, die sich drei Stunden nach Spielende am Dortmunder Bahnhof ereignete. Da saßen zwei junge Männer, der eine war komplett in schwarz-gelb gekleidet, der andere trug eine bajuwarische Tracht und eine Trikot des FC Bayern. Beide aßen einen Burger, dann sagte der Bayer: "Gratulation zur Meisterschaft." Die Antwort des Dortmunder Fans: "Danke! Dafür gewinnt Ihr die Champions League!"

Pause, dann sagte der Münchner: "Und wie machen wir das mit dem Pokalfinale?" Der Dortmunder überlegte kurz und sagte dann: "Das entscheiden wir spontan, wenn wir in Berlin sind." Dann lächelten beide.

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