Süddeutsche Zeitung

Dortmund besiegt Mainz 05:Seht ihr Bayern, so spielt der Meister

Lesezeit: 4 min

Der amtierende Titelträger lässt die Bayern weit hinter sich: Der BVB nutzt den nächsten Ausrutscher der Münchner und liegt nach einem nur kurzzeitig gefährdeten 2:1 gegen Mainz nun sieben Punkte vor dem Rekordmeister. Die Elf von Jürgen Klopp präsentiert sich erneut überzeugend - der Mainzer Torschütze ist ausgerechnet ein ehemaliger Dortmunder.

Jonas Beckenkamp

Es gab in der Bundesliga schon weniger brisante Duelle als jenes zwischen Dortmund und Mainz an diesem 24. Spieltag. Das hat damit zu tun, dass mit Jürgen Klopp und Mohamed Zidan zwei Protagonisten ihren jeweiligen Verflossenen wieder begegneten: BVB-Trainer Klopp ist bekanntlich immer noch mehr Mainzer als alle 199.237 Einwohner der Fastnachts-Metropole zusammen, während FSV-Profi Zidan zumindest ein schlagendes Leihherz für die Borussia besitzt.

Auch der Ägypter polierte einst am Rhein sein fußballerisches Schaffenswerk auf, ehe er Ziehvater Klopp ins Ruhrgebiet folgte. Eine Meisterschaft später zog es den Stürmer im Winter dann zurück nach Mainz - wo er seither das tut, was er beim FSV immer schon besonders gut konnte: Tore schießen.

Dank derartiger Verflechtungen geriet die Partie zur großen Homecoming-Show, die letztlich für den Meister in einem erfreulichen Crescendo kulminierte. Die Borussia gewann dank der Treffer von Kuba (26. Minute) und Shinji Kagawa (77.) mit 2:1 (1:0) - und verdarb damit Zidan die Party in der alten Heimat. Der 30-Jährige hatte für die unterlegenen Mainzer zwischenzeitlich den Ausgleich erzielt (74.) Weil zuvor sowohl die Bayern als auch Schalke verloren hatten, blicken die Dortmunder jetzt in der Tabelle mit luxuriösen sieben Punkten Vorsprung auf ihre Verfolger zurück.

"Die Borussia war einfach zu stark, wir standen zu tief und immer wenn wir uns etwas mehr trauten, hat der BVB geantwortet," sagte Zidan. "Wir haben wenig zugelassen und hochverdient gewonnen. Jetzt sind wir wieder so stark wie vergangenes Jahr - aber auf dem Vorsprung dürfen wir uns nicht ausruhen," erklärte Borussia-Verteidiger Mats Hummels.

Das Spiel hatte noch gar nicht begonnen, da war es bereits um einen möglichen Torerfolg des neuen, alten Mainzer Helden gegangen. Auf große Gesten wollte Zidan verzichten, falls ihm in Dortmund sein fünfter Treffer im fünften Auftritt als Rückkehrer gelänge. "Jubeln würde ich nicht. Dafür habe ich zu viel Respekt vor dem Verein, meinen ehemaligen Mitspielern und den Fans", erklärte Zidan unter der Woche. Dabei hatte er sogar von Klopp die Erlaubnis erhalten, "für den unwahrscheinlichen Fall, dass er gegen uns trifft."

Um diesen Fall zu verhindern, beschäftigten sich die Männer aus dem Pott gar nicht erst groß mit den Mainzer Offensivkünsten, sondern übernahmen selbst die Initiative. Shinji Kagawa spurtete gewohnt flott durchs Mittelfeld und bediente Lukasz Piszczek, dessen Schuss jedoch knapp das Tor verfehlte (10.) - nur einen Moment später wurde ein Volleyversuch von Kevin Großkreutz gerade noch abgeblockt (12.). Schnell war klar, dass die sprichwörtliche Einbahnstraße dieses Spiels zumeist zum Mainzer Tor führen sollte.

Und Zidan? Der verdingte sich mangels eigener Freiräume als fleißiger Läufer und bescherte den Gästen so ihre einzige Gelegenheit der ersten Halbzeit: Dank eines cleveren Durchsteckers des Ägypters bot sich Marco Caligiuri plötzlich eine Schusschance im BVB-Strafraum - doch der Mainzer drosch den Ball in Richtung Autobahnausfahrt (20.).

Wie man genau zielt, führte dann Dortmunds derzeit wohl formstärkster Profi vor: Nach einem Kuddelmuddel im Sechzehner, ausgelöst durch einen feinen Steilpass von Ilkay Gündogan, prallte das Leder von Kagawa vor die Füße von Kuba - sein Geschoss zischte derart präzise in den Giebel des Mainzer Gehäuses, dass jeder Förster ob der Schusskünste des Polen neidisch werden dürfte (26.). Die Dortmunder Führung löste in der Arena einen Urschrei aus, der vor allem eines ausdrückte: Seht her, liebe Bayern, so wird das gemacht.

In der Folge kreiste das Spielgerät immer eleganter durch die Linien des Meisters - was sollten die Dortmunder auch anderes tun, als souverän zu dominieren? Die mutlosen Mainzer verzichteten aus Respekt fast komplett auf selbstbestimmte Spielgestaltung. Zu Beginn des zweiten Durchgangs wehte dann sogar ein Hauch von Barcelona durch das Stadion: Kagawa malte Stürmer Robert Lewandowski einen Pass in den Lauf, der allein schon ein Tor verdient gehabt hätte. Dass es nicht 2:0 stand, lag einzig an Lewandowskis unplatziertem Schuss, den FSV-Keeper Christian Wetklo klären konnte (48.).

Sekunden darauf wackelte erneut der famose Kagawa los - und wie: Der Japaner verwandelte den Mainzer Strafraum in eine Slalompiste, umkurvte alles und jeden und erst als der geneigte Zuschauer schon von Jay-Jay Okochas legendärer Tanzeinlage gegen Oliver Kahn zu träumen begann, legte er quer zu Kuba. Dessen Flachschuss konnte Wetklo gerade noch abwehren (50.). Das einzige Problem der Dortmunder war zu diesem Zeitpunkt, dass sich ihre himmelhohe Überlegenheit noch nicht im Resultat niederschlug.

Und dann passierte schier Unglaubliches: Mainz wurde plötzlich frecher, bissiger und aktiver. Die Dominanz des BVB schienen die Gäste jetzt endlich durchbrechen zu wollen. Ein weiter Ball segelte über alle hinweg, Borussia-Keeper Roman Weidenfeller schaute zu, wie der eingewechselte Adam Szalai die Kugel stoppte und sie zurücklegte zu - na wem wohl? Zidan. Der Ägypter schoss mit links unbedrängt zum Ausgleich ein (74.). Das Spiel war auf den Kopf gestellt und hatte mit Zidan als Torschütze genau die Wendung erhalten, die vor der Partie so heiß diskutiert worden war.

Auf den Schock reagierte der Meister wütend: Wie aufgestachelt rannten die Dortmunder in den folgenden Angriffen nach vorne, als wollten sie den Fauxpas des Gegentores sofort wieder gutmachen. Und das gelang ihnen: Über rechts wurstelte sich Ivan Perisic durch, der Ball gelangte zu Piszczek und der passte scharf nach innen - dort hatten die Mainzer offenbar Kagawa vergessen, so dass der Japaner völlig frei seinen Fuß dazwischen steckte und zum 2:1 traf (77.). Wieder plärrten die Fans im Stadion so laut, als hätte ihr Klub schon jetzt die Meisterschaft sicher.

Die Borussia war wieder auf Sieben-Punkte-Vorsprung-Kurs und schien den kleinen Betriebsunfall dieses komischen Ausgleichs rasch verdaut zu haben. Den Schlussakt der Begegnung gestalteten die Dortmunder dann einigermaßen lässig - und als das Spiel zu Ende ging, fragte man sich: Wer soll dieses Team noch von der Titelverteidigung abhalten?

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