Süddeutsche Zeitung

Dopingverfahren gegen Radprofi:Das Denkmal Lance Armstrong droht einzustürzen

Lesezeit: 2 min

Das Bezirksgericht in Austin lehnt einen Widerspruch von Lance Armstrong gegen die Dopingklage der amerikanischen Anti-Dopingagentur Usada ab. Nun bleiben dem siebenmaligen Tour-de-France-Sieger nur zwei unangenehme Optionen: eine lebenslange Sperre zu akzeptieren - oder einen Prozess unter Eid.

Andreas Burkert

Lance Armstrong ist stets allen entwischt, mit der Kraft seines Körpers oder dank Anwälten und Funktionären. Im Rennen fuhr er vor allem dem Deutschen Jan Ullrich davon, und wenn es einmal eng wurde auf sportpolitischer Ebene - etwa nach der positiven Cortison-Probe während seines ersten Toursiegs 1999 -, dann durfte er ein Attest nachreichen.

Auch jene sechs Nachtests seiner '99er-Kontrollen, die mit Epo kontaminiert waren und nach seinem ersten Abschied vom Radsport (2005) bekannt wurden, konnten ihm nichts anhaben; der Weltverband UCI vertrat den Standpunkt, die Proben seien sportjuristisch nicht mehr verwertbar.

Doping-Anschuldigungen seiner einstigen Kollegen Floyd Landis und Tyler Hamilton, die Betrugs-Recherchen des renommierten US-Ermittlers Jeff Novitzky, die ein Einzelrichter im Frühjahr unter dubiosen Umständen beendete? All das ließ das Denkmal Armstrong zwar endgültig einstürzen - doch sanktioniert wurde der inzwischen 40-Jährige bisher nicht.

Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ändert sich das bald, und von der vermeintlichen Legende Armstrong dürfte nichts zurückbleiben. Denn entweder akzeptiert der siebenfache Sieger der Tour de France, der seit 2011 nur noch im Triathlon aktiv war, die lebenslange Dopingsperre, welche die US-Anti-Doping-Behörde (Usada) beantragt hat. Oder ihm wird im November der Prozess vor einem unabhängigen Schiedsgericht des Sports gemacht.

Denn die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens der Usada bestätigte am Montagabend das Bezirksgericht Austin, Texas - und wies damit Armstrongs Widerspruch gegen die Klage der Usada und deren Zuständigkeit ab. Der mutmaßlich letzte Winkelzug seiner Advokaten scheint gescheitert zu sein. Entsprechend knapp fiel deren Reaktion aus. "Wir werden die Urteilsbegründung des Gerichts analysieren und dann Armstrongs Möglichkeiten abwägen", äußerte Armstrong-Anwalt Tim Herman.

Viel Zeit bleibt nicht: Am 23. August endet Armstrongs Erklärungsfrist bei der Usada. Deren Vorwürfe sind massiv: jahrelange Doping-Verschwörung in seinen Teams, Einnahme so ziemlich aller gängiger, verbotener Mittel, dazu der Handel mit diesen, Gebrauch verbotener Methoden wie Blutdoping. Im Dutzend wollen dazu vor dem Schiedsgericht frühere Gefährten aussagen: nicht nur Landis und Hamilton, sondern auch andere Kronzeugen, die schon vor Jahren Doping als Armstrong-Helfer einräumten, Frankie Andreu und Jonathan Vaughters, ebenso Begleiter wie George Hincapie oder Pavel Padrnos. Und alle müssten unter Eid aussagen.

Außerdem ist die Usada laut Anklage im Besitz von Dopingtests des Tour-Rekordsiegers mit Epo-Spuren. Von einem Freispruch durch das dreiköpfige Gremium dürfte nicht mal Armstrong ausgehen. Ihm droht die Aberkennung aller Titel.

Bundesrichter Sam Sparks, Jahrgang 1939 und sinnigerweise von Armstrongs gutem Bekannten George W. Bush eingesetzt, bestätigte der Usada wenig überraschend, dass sie als vom US-Kongress mandatierte Institution für das Ergebnis-Management zuständig ist. Und wenn sich Armstrong nichts zu schulden kommen ließ, habe er vor einem Schiedsgericht "nichts zu fürchten". Gleichzeitig kritisierte er die "Organisationen des Sports", sie beschädigten den Sport mit "unerbittlichen Nahkämpfen".

Zuletzt hatte zum allgemeinen Erstaunen die UCI ihre Zuständigkeit reklamiert. Dabei hatten sie bisher die Aussagen von Landis und Hamilton nicht zu Ermittlungen veranlasst. Dem Weltverband drohten in einem Prozess weitere unangenehme Enthüllungen: Landis etwa hatte von einer vertuschten Dopingprobe Armstrongs (2001) berichtet. Richter Sparks kritisierte aber auch die Usada: Sie wolle Armstrong unbedingt zur Anhörung bringen und habe ihm womöglich nie eine Kronzeugen-Regelung offeriert.

Allerdings hat Armstrong bis dato kategorisch bestritten, jemals gedopt zu haben. Auch bot er der Usada als einziger Beschuldigter keine Kooperation an. Ließe Armstrong sich nun auf ein letztes Gefecht ein, könnte er sich wohl allenfalls auf den früheren Teamchef Johan Bruyneel und Arzt Pedro Celaya berufen; auch sie sind angeklagt und riefen das Schiedsgericht an. Bruyneel äußerte sich am Montag nur zu seiner Meinung nach wichtigen Dingen: Er sei glücklich, dass der Berliner Jens Voigt, 40, erneut bei seinem Team verlängere.

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SZ vom 22.08.2012
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