Süddeutsche Zeitung

WM-Vergaben nach Russland und Katar:Sieben in Haft, zehn müssen bangen

Lesezeit: 2 min

Von Johannes Aumüller, Zürich

In der Schweiz gibt es so viele schöne Orte, an denen der gemeine Fußballfunktionär gerne absteigt. Aber manche von ihnen hielten sich am Donnerstag nicht im Kameha Grand Hotel auf, wo die Europäische Fußball-Union (Uefa) über ihr weiteres Vorgehen beriet, oder im Hallenstadion, wo für den Abend der Kongressbeginn des Weltverbandes Fifa angesetzt war. Sie waren an anderen, unangenehmeren Orten.

Sieben hochrangige Fifa-Vertreter aus Mittel- und Südamerika befinden sich seit Mittwoch in Auslieferungshaft, weil amerikanische Ermittler sie der Geldwäsche und der Korruption beschuldigen - und ein paar andere Funktionäre lud am Donnerstag die Schweizer Bundesanwaltschaft zu einer ernsten Befragung. Es handelt sich um zehn Personen, die schon im Vorstand der Fifa saßen, als es vor viereinhalb Jahren zu der skandalumtosten Doppelvergabe der Weltmeisterschaften 2018 nach Russland und 2022 nach Katar kam - und die auch bis heute noch ihre Sitze in diesem Gremium innehaben.

Seit diesem März ermittelt die Schweizer Bundesanwaltschaft zu diesem Komplex, Codename "Darwin". Es geht um "Unregelmäßigkeiten" bei der Vergabe - konkret um den Verdacht auf Schmiergeldzahlungen und Geldwäsche. Es scheint den Ermittlern ernst zu sein. Zwar sind die Schweizer Behörden in dieser Causa auch durch die Vorgänge in den USA getrieben worden; es hätte doch irgendwie komisch ausgesehen, falls die Amerikaner ermittelt hätten, die Schweizer aber nicht. Andererseits verweisen Experten darauf, dass die Behörden in der Schweiz solche Verfahren zuletzt nur sparsam eröffnet haben, und folgern daraus, dass die Zuständigen sich offenkundig ihrer Sache sehr sicher seien.

Die Bankunterlagen waren vermutlich ergiebiger als der Garcia-Bericht

Der Auslöser für die Ermittlungen war, dass der Weltverband selbst im Herbst den sogenannten Garcia-Report einreichte - eine bisher nicht veröffentlichte Fifa-interne Dokumentation, die auf Ermittlungen des US-Juristen Michael Garcia fußt. Die Fifa rühmt sich daher damit, die Strafverfolgung selbst angestoßen zu haben. Die Bundesanwaltschaft sagt aber, dies sei lediglich der auslösende, aber nicht der ausschließliche Grund für das Verfahren. Entscheidender als der Garcia-Report dürften die Unterlagen sein, die die Behörde im Zuge ihrer Ermittlungen von Banken erhielt.

Das führte zu der Razzia in der Fifa-Zentrale am Mittwoch - und zu den Gesprächen mit zehn beteiligten Funktionären: vom Thailänder Worawi Makudi über den Zyprer Marios Lefkaritis bis zum Russen Witali Mutko. Fifa-Chef Blatter und Uefa-Boss Michel Platini zählten nicht zu dieser Liste, weil sie in der Schweiz wohnen. Platini teilte aber mit, er sei bereits früher von der Staatsanwaltschaft befragt worden.

Die Funktionäre haben den Status von "Auskunftspersonen" - eine Besonderheit des Schweizer Rechts. Das heißt, sie sind zunächst weder Zeugen noch Beschuldigte, sie können aber noch zu Beschuldigten werden. Formal ist das Gespräch freiwillig, bei der Bundesanwaltschaft geben sie jedoch zu verstehen, dass die Justiz davon ausgeht, auch mit allen zehn zu sprechen.

Die Bundesanwaltschaft teilt zudem, es handele sich bei diesen Befragungen nur um "die erste Etappe". Je nach Verlauf der Ermittlungen könnten auch noch einmal jene Funktionäre von damals in den Fokus geraten, die inzwischen aus dem Fifa-Vorstand ausgeschieden sind - etwa Franz Beckenbauer. Heikel könnte es schon jetzt für den Spanier Angel Maria Villar Llona werden. Denn es soll auch nach ihm gesucht worden sein, als am Mittwoch in Zürich die sieben mittel- und südamerikanischen Funktionäre verhaftet wurden. Der Fifa-Vize war aber nicht anwesend, sondern beim Europa-League-Finale in Warschau.

Aber mit der Schweizer Anwaltschaft muss er jetzt reden.

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SZ vom 29.05.2015
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