Süddeutsche Zeitung

DFB-Pokal:Dortmund gewinnt die Schlammschlacht

Lesezeit: 3 min

Von Sebastian Fischer, Stuttgart

Er schaute nicht nach rechts, nur auf den Boden und nach links. Wie ein Teenager, der in der einen Ecke der Diskothek seine Ex-Freundin wähnt, lief Kevin Großkreutz am Dienstagabend in die Stuttgarter Arena ein. Er klatschte nach links, zu den Fans des VfB Stuttgart. Rechts, da standen die Fans von Borussia Dortmund. Das erste Wiedersehen des Weltmeisters mit seiner große Liebe war ja die schwülstige Geschichte dieses Pokalviertelfinales: Großkreutz, der als Vierjähriger erstmals mit seinem Vater auf der Südtribüne im Westfalenstadion stand, spielte gegen seine Borussia, die er im Sommer verlassen hatte. Am Ende war Großkreutz wohl zum ersten Mal in seinem Leben enttäuscht, während die Dortmunder Fans ihre Lieder in die kalte Nacht sangen. Der BVB hatte Stuttgart mit 3:1 (2:1) geschlagen.

"Wir haben einen Pokalfight geliefert. Das müssen wir uns nicht vorwerfen. Aber ein Tick hat gefehlt", sagte VfB-Kapitän Christian Gentner. "Stuttgart ist eine gute Mannschaft, vor allem vorne haben sie viel Tempo. In der ersten Halbzeit war das Spiel zerfahren", sagte Marco Reus.

Das letzte Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften Ende November war das Debüt des Trainers Jürgen Kramny gewesen, damals hatte Dortmund 4:1 gewonnen - danach verlor der VfB kein Spiel mehr. "Gegen Dortmund zu verlieren, ist nicht unnormal", sagte Kramny nun nach dem 1:3 am Dienstagabend. "In der Bundesliga werden wir wieder aufstehen." Thomas Tuchel kommentierte: "Wir haben in der zweiten Hälfte zwar fahrlässig Konterchancen liegen gelassen. Aber in dieser Situation des Gegners, unter diesen Gegebenheiten haben wir ein perfektes Spiel gemacht."

Rupp schießt aus 20 Metern zum Ausgleich

Der BVB versuchte die Stuttgarter von Beginn an in die Defensive zu drängen. Tuchel stellte im Vergleich zum 0:0 am Samstag in Berlin Erik Durm für Julian Weigl auf und ließ den Verteidiger über die linke Seite in einem 4-1-2-3-System stürmen. Stuttgart schien überrascht zu sein und stand unsortiert, als Henrikh Mkhitaryan nach fünf Minuten auf den VfB-Strafraum zu dribbelte und den freistehenden Pierre-Emerick Aubamyang anspielte. Aubameyang passte vors Tor, Marco Reus schoss den Ball zum 1:0 hinein. In der Mitte hatte Rechtsverteidiger Großkreutz nicht klären können. Fünf Minuten, und er lag das erste Mal auf dem aufgeweichten Platz.

Dortmund kombinierte weiter, Stuttgart kämpfte. Großkreutz' Trikot war braun vom schlammigen Platz. Nach 21 Minuten hatten sich die Stuttgarter erstmals in der Dortmunder Hälfte festgebissen. Mats Hummels blockte einen Schuss von Daniel Didavi in die Mitte ab, dann traf aus 20 Metern Lukas Rupp zum Ausgleich.

Rupp, im Sommer aus Paderbron gekommen, ist eines der Gesichter des Stuttgarter Aufschwungs. Unter Alexander Zorniger war der Mittelfeldspieler meist Ersatz, unter Kramny hat er nur 16 Minuten verpasst. Aber nicht nur ihm, der ganzen Mannschaft war das Selbstvertrauen aus der Liga anzumerken, wo der VfB nach drei Siegen aus drei Spielen die beste Rückrunden-Mannschaft ist. Kramnys VfB spielt defensiv stabiler, ohne das exzessive Pressing von Zorniger und trotzdem offensiv.

Ein Gegner also, wie gemacht für einen heißen Pokalkampf. Doch der BVB ist ähnlich gut in die Rückrunde gestartet, die zum Ende der Hinrunde schwächelnden Dortmunder sind in Form. Und so reagierte Tuchels Mannschaft auf das aggressive Stuttgarter Spiel mit zielstrebigen Angriffen. Reus dribbelte den Ball durchs Mittelfeld, passte auf Aubameyang, der von der Strafraumgrenze mit links zur erneuten BVB-Führung abschloss. Wieder war es Großkreutz, der im entscheidenden Moment nebenherlief, anstatt entscheidend einzugreifen.

Ein Dortmunder Konter entscheidet das Spiel

Stuttgart spielte leicht verändert im Vergleich zur Bundesliga-Siegesserie. Erstmals überhaupt stand der im Sommer aus Dortmund gekommene Mitch Langerak in einem Pflichtspiel für den VfB im Tor. Anstelle von Daniel Schwaab verteidigte Toni Sunjic, anstelle von Timo Werner stürmte Artem Kravets. Doch der große Unterschied zu den VfB-Spielen der Vorwochen war ein anderer: Spielmacher Daniel Didavi gelang kaum etwas. In den letzten vier Begegnungen hatte Didavi vier Tore erzielt, am Dienstag verlor er viele Zweikämpfe, wenige seiner Pässe kamen an. Nach 64 Minuten drosch er den Ball freistehend meterweit über das Dortmunder Tor.

"Wir wurden bestraft, weil wir doofe Fehler gemacht haben. Es wäre mehr drin gewesen, weil wir kämpferisch dagegen gehalten haben", sagte Kevin Großkreutz, der gegen seinen alten Verein in der Startelf stand. Stuttgart lief auf die eigenen Fans und das Dortmunder Tor zu, doch gefährlicher wurden mit zunehmender Spieldauer die Dortmunder Konter. In der 89. Minute schob Mkhitaryan den Ball nach Vorlage von Aubameyang ins leere Tor, Jubelschreie aus der Dortmunder Kurve erstickten die Stuttgarter Hoffnung. Kevin Großkreutz schaute nicht hin.

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SZ vom 10.02.2016
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