Süddeutsche Zeitung

DFB-Pokal:"Das kann in zwei Wochen wieder in die Hose gehen"

Lesezeit: 3 min

Die Absage der Pokalpartie gegen den BVB trifft die Lotte-Anhänger schwer. Ob der Rasen für eine neu anzusetzende Partie taugt, daran zweifelt Dortmunds Hans-Joachim Watzke.

Von Felix Meininghaus, Lotte

Volkes Zorn saß am Dienstagabend in einer Kneipe. Sie lag direkt neben dem Stadion in Lotte, die Kneipe des "Schützenvereins Lotte von 1659": Die Männer und Frauen mit den blau-weißen Schals redeten sich auch noch knapp zwei Stunden nach der Spielabsetzung im DFB-Pokal in Rage. Frust bekamen die "Bonzen vom Scheiß-DFB" genauso ab wie die "Dortmunder Pussys", die schon bei der Begehung des seifigen Rasens die Nase rümpften. Und natürlich Schiedsrichter Felix Brych, "der feine Herr, wie der mit seinen Lackschühchen schon über den Rasen stolziert ist", echauffierte sich eine ältere Dame.

Kurz nach 20 Uhr, nachdem der Stadionsprecher durchgesagt hatte, es werde an diesem Abend kein Fußball gespielt, hatten die Fans ihren Unmut bereits geäußert: "Fußball-Mafia DFB" und ähnliche Sprechchöre waren zu vernehmen. Die Emotionen nehmen schon mal Überhand, wenn die Vorfreude in einen Spielabbruch mündet. Die Menschen aus der 14 000-Seelen-Gemeinde Lotte hatten dem Pokal-Viertelfinale gegen Borussia Dortmund entgegengefiebert und sahen sich nun bitter enttäuscht.

Doch die Fachleute, die den Zustand des Rasens wirklich beurteilen konnten, hatten anhand der Fakten keine andere Chance. Der Untergrund präsentierte sich wahrlich nicht so, dass man im kleinen Stadion gefahrlos hätte Fußball spielen können. Das sagte auch Lottes Trainer Ismail Atalan, der zwar Verständnis für die Befindlichkeiten der Fans äußerte, aber auch einräumte, dass die Absage nachvollziehbar sei.

Wenige Stunden zuvor war Hans-Ulrich Saatkamp noch bester Dinge. Der Präsident der Sportfreunde Lotte stand mitten im veritablen Landregen, der mittlerweile in Schneetreiben übergegangen war. Der Rasen des pittoresken Stadions in der Nähe des Kreuzes Lotte an der A 1 war dabei, sich in eine Schlammwüste zu verwandeln, doch der Laune des Funktionärs tat das keinen Abbruch. Seine Wetter-App habe ihm mitgeteilt, die Niederschläge würden bis Spielbeginn aufhören, verkündete Saatkamp im Brustton der Überzeugung.

"Das ist ein Sumpf"

Das stimmte sogar, doch als dieser Zeitpunkt näherrückte, war der Rasen so glitschig, dass die Partie dennoch storniert wurde. "Bewahren Sie die Ruhe, und verlassen Sie das Stadion nicht gleichzeitig", gab der Stadionsprecher den Zuschauern mit auf den Weg. Ein Bierchen trinken und eine Bratwurst essen, das sind normalerweise die begleitenden Maßnahmen eines Fußballspiels. In diesem Fall war es das Einzige, was den Fans blieb.

Währenddessen verließen die Profis des BVB ihre Kabine, um eingepackt in ihre Trainingsanzüge noch einmal auf den Rasen zu gehen. Dort winkten sie ihren Fans zu, warfen Trikots in die Menge, um sich danach schnurstracks auf dem Weg zum Mannschaftsbus zu machen, der sie ins heimische Dortmund zurückbrachte.

Eine Stunde zuvor hatten die Profis den glitschigen Untergrund inspiziert und waren alles andere als begeistert. "Hätten wir uns warm gemacht, hätten alle gesehen, dass es wirklich nicht angenehm ist, hier Fußball zu spielen", verkündete Mannschaftskapitän Marcel Schmelzer. Sportdirektor Michael Zorc formulierte den Stand der Dinge drastischer: "Das ist ein Sumpf, diesen Platz hätte ich nach 60 Minuten nicht sehen wollen."

Das beurteilte Schiedsrichter Felix Brych genauso, der den wartenden Journalisten erklärte, warum er es für unverantwortlich gehalten habe, an diesem Abend unter diesen Bedingungen ein Fußballspiel anzupfeifen. Am Montagabend sei das Geläuf bei einer ersten Inspektion noch "einigermaßen okay" gewesen, doch nach den heftigen Niederschlägen sei der Rasen "dermaßen durchgeweicht, dass es keine Standfestigkeit mehr gab". Also traf Brych die Entscheidung, die er für alternativlos hielt. "Ich stehe mit meinem Namen für die Gesundheit der Spieler."

Mancher Beobachter fühlte sich an den Januar 2006 erinnert, als Brych entschied, das Pokalspiel St. Pauli gegen Werder Bremen am Millerntor durchführen zu lassen, obwohl der Untergrund an diesem Abend einer Mischung aus Schneematsch und Eisfläche glich. "Wenn sich hier jemand verletzt, werden wir richtig laut. Der Platz ist indiskutabel, der Anpfiff verantwortungslos", schimpfte Werders Trainer Thomas Schaaf seinerzeit. Die Partie fand dennoch statt, die Bremer schieden aus und Brych wird sich geschworen haben, so etwas nicht mehr zuzulassen.

Und so wurde der Abend von Lotte, der zum größten in der Geschichte eines aufstrebenden Drittligisten werden sollte, so grau und freudlos wie der Himmel über dem Tecklenburger Land. Noch am Mittwoch soll entschieden werden, wann das Spiel, auf das ein ganzer Ort sehnsüchtig wartet, nun tatsächlich steigen kann. Gesprochen wird über den 14. März als Ausweichtermin. Ein Dienstag, an dem allerdings nur dann gekickt werden kann, wenn es gelingt, das Meisterschaftsspiel bei der SG Sonnenhof Großaspach am Tag darauf zu verlegen.

Offen ist auch, ob das Spiel überhaupt im Stadion von Lotte stattfinden kann, wo sich der Rasen in einem bemitleidenswerten Zustand befindet. "Wir haben schon vor Wochen deutlich Position bezogen und wollten woanders spielen", betonte Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, "man muss sich überlegen, ob man das noch mal hier riskiert. Das kann in zwei Wochen wieder in die Hose gehen. Irgendwann gehen uns auch die Spieltermine aus." Ismail Atalan hat die Hoffnung allerdings noch nicht aufgegeben: "Der Platz wird in zwei Wochen schon besser sein. Die Fans hätten es ohnehin verdient, wenn hier gespielt würde."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3400193
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.