Süddeutsche Zeitung

DFB-Elf:Ein ganz neues Tempo

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Von Saskia Aleythe, Paris

Es muss niemand annehmen, dass Toni Kroos nach dieser Partie strahlend vor die Mikrofone trat, ganz gut drauf war er aber trotzdem. "Ich sehe keinen Grund, warum wir uns heute alle erschießen sollten", sagte Kroos, was freilich drastisch formuliert war und ein gewisses Amüsement über die Interpretation der vergangenen Ergebnisse der DFB-Elf widerspiegelte.

Sogar das Wort "Spaß" nahm der Mann von Real Madrid in den Mund und das muss einem nach einem 1:2 gegen Frankreich als Toni Kroos erstmal über die Lippen kommen. "Auf dem Platz war es eine der Niederlagen, die am meisten Spaß gemacht haben. Weil der Ball ganz gut lief", sagte Kroos also. Und das konnte man dann schon als Kompliment an seine Mitspieler in der vordersten Reihe verstehen.

Es gehört zu den Seltenheiten dieses Jahres, dass man diese deutsche Mannschaft mit Begriffen wie Spielfreude in Verbindung bringen kann, am Dienstagabend in Paris wurde sie aber nach übereinstimmenden Zeugenberichten auf dem Rasen des Stade de France gesichtet. Wer sich mit dem DFB-Team verbunden fühlt, konnte ein gewisses Kribbeln vernehmen, wenn der Ball zwischen den Füßen zweier Jungspunde hin- und hersprang, die so zuvor noch nicht zusammengespielt hatten: Leroy Sané und Serge Gnabry. Dass sie selber recht unerschütterlich in vorderste Fronten vorstießen, war ein Anlass zu neuer Zuversicht - was sie durch ihre Geschwindigkeit in mehreren Mannschaftsteilen auslösten, brachte womöglich die noch wertvollere Erkenntnis.

Das letzte Tor gelang beim 2:1 gegen Schweden

Nüchtern betrachtet musste man festhalten: Hätte es den Elfmeter für Toni Kroos in der 14. Minute nicht gegeben, wäre diese deutsche Mannschaft erneut ohne Treffer aus einem Spiel gegangen, womit eines der elementare Ziele eines Fußballspiels unerfüllt geblieben wäre. Das letzte Punktspiel mit Torerfolg war das 2:1 gegen Schweden bei der WM, gespielt vor vier Monaten. Und doch zeigten Gnabry und Sané in Paris nun schon allein durch ihre Schnelligkeit eine Kontergefahr, die zuletzt schon fast zur Fahndung ausgeschrieben worden war.

"Die Jungs in der Offensive haben unglaublich viel Tempo gehabt, sie haben viel in die Laufwege investiert", merkte auch Mats Hummels an, "sie haben sehr gute Konter gespielt". In der 19. Minute hätte Sané durch einen langen Pass von Kimmich das 2:0 machen können, passte dann aber zu fahrlässig auf Timo Werner, der durch Frankreichs Torhüter Hugo Lloris am Einschieben gehindert wurde.

Auch daran konnte man nun zweierlei ableiten. Zum einen, dass schnelle Spieler nicht nur der Offensive Gefahr verleihen können, sondern auch in der Lage sind, andere Mannschaftsteile zu aktivieren, fast schon wiederzubeleben. So konnte auch Hummels mal einen langen Pass nach vorne spielen, der beinahe in einen Konter mündete, so kamen auch die Stärken von Joshua Kimmich zum Tragen, der nicht umsonst von Löw auf die Sechser-Position beordert wurde - weil er neben dem Talent fürs Verteidigen eben auch Spielgestalter-Funktionen einnehmen kann und möchte. Er braucht halt nur Leute, die mitspielen.

Auch Kroos drehte größere Kreise über den Platz als zuletzt, verteilte die Bälle in alle möglichen Richtungen. Unausrechenbar zu sein soll ja durchaus Vorteile in Sachen Torgefahr bringen.

Aber ja, auch das war wahr: Die Sturm-und-Drang-Jugend machte ihren Job nur zu 95 Prozent, ein Tor kam eben nicht dabei herum. "Die Spieler, die reingekommen sind, haben definitiv Situationen kreiert, die gefährlich für den Gegner waren", sagte Kroos, "allerdings muss man sich dann auch belohnen für die guten Sachen."

Joachim Löw lobte freilich auch, die jungen Spieler hätten es klasse gemacht, überschwänglich wurde er allerdings nicht: "Sie müssen aber konstant auf diesem Niveau spielen, das kommt manchmal auch erst mit der Erfahrung. Ihre Leistungen sind manchmal schwankend."

Müller wird erst spät eingewechselt

Ohnehin wird sich der Bundestrainer noch Gedanken machen müssen, wie er seine Offensive in der Zukunft gestalten will. Timo Werner gehört ebenso zur Fraktion Sprinter, war am Dienstagabend aber aus dieser Riege noch derjenige mit den unglücklichsten letzten Pässen. Einen Stopp einzubinden in seinen Lauf hätte so manchen Gegenspieler eher überwunden als sein Bestreben, jedes Laufduell gewinnen zu wollen. Und dann ist da noch Thomas Müller.

Erst in der 88. Minute hatte ihn Löw in die Partie geschickt, Müller gehört weder vom Alter noch von der Geschwindigkeit zur Riege der Jungen. "Er hat seine Qualitäten zuletzt nicht so gezeigt", sagte Löw noch, "aber er ist ein Antreiber, spricht viel mit jungen Spielern". Und im Sprechen, das muss man Müller ja lassen: Da macht ihm tatsächlich niemand etwas vor.

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