Süddeutsche Zeitung

Deutsche Eishockey Liga:Horror vor dem Quotienten

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Die Straubing Tigers und Augsburger Panther befinden sich gemeinsam mit Schwenningen im Kampf um den letzten Playoff-Platz im Süden. Wer ihn erobern wird, hängt davon ab, ob eine ausgefallene Partie nachgeholt werden kann - und eine Offensive das Toreschießen wiederentdeckt.

Von Christian Bernhard und Johannes Kirchmeier

Crunchtime nennen sie in Nordamerika die Zeit kurz vor der Schlusssirene im Sport. Die Zeit, in der in spannenden Spielen oder engen Saisons die Entscheidung naht. Auch die Deutsche Eishockey Liga (DEL) tritt nun unmittelbar in eben jene Phase ein, am kommenden Sonntag endet die Hauptrunde. Aus bayerischer Sicht steht fest: Der EHC Red Bull München sowie der ERC Ingolstadt werden Playoffs spielen, die Nürnberg Ice Tigers sind schon raus aus dem Rennen. Und die Straubing Tigers und Augsburger Panther? Die befinden sich gerade mitten in einem Crunchtime-Dreikampf mit den Schwenninger Wild Wings um den letzten Playoff-Platz im Süden. So geht das bayerische Duo in die Hauptrunden-Abschlusswoche.

Straubing Tigers (34 Spiele, 47 Punkte)

Das Schlimmste kommt vielleicht noch: das Dividieren, die unangenehmste aller Aufgaben für jeden Rechenmeister. Es ist nämlich gut möglich, dass am Ende der Punkteschnitt (Quotient aus Punkten und Anzahl der gewerteten Spiele) über den Playoff-Platz entscheidet. Schließlich haben die Tigers ihre vor einer Woche abgesagte Partie gegen die Iserlohn Roosters, die da Corona-bedingt in behördlich angeordneter Teamquarantäne waren, noch nicht austragen können. Offiziell will die DEL die Partie immer noch durchführen, bestätigte sie am Montag auf SZ-Anfrage. Doch der Schlussakt ist nun einmal so eng getaktet, dass es zeitlich äußerst schwierig werden dürfte. Findet die Partie nicht mehr statt, dann entscheiden die Nachkommastellen. Den Straubingern wäre das wohl gar nicht mal so recht, haben sie doch erst am Freitag 5:0 in Iserlohn gewonnen. Schien so, als liege ihnen der Gegner.

Maßgeblich beteiligt an diesem Sieg war die alte Band, die schon vor einem Jahr für Furore in Niederbayern gesorgt hatte und nun wieder gemeinsam Musik macht auf dem Eis. Frontmann und Torjäger Jeremy Williams, 37, trifft nach dem vielleicht schlimmsten Stotterstart seiner knapp 20-jährigen Profikarriere wieder regelmäßig. Der abgeklärte Bassist Kael Mouillierat, der aus dem Hintergrund zu überraschenden Soli ansetzt, spielt eine seiner besten DEL-Saisons überhaupt. Nur der Schlagzeuger Mike Connolly fällt zwischen ihnen als Taktgeber der Reihe aus, der junge Eggenfeldener Tim Brunnhuber, 22, trommelt aber als Ersatz auch ganz ordentlich. Und die Background-Sänger Marcel Brandt und Fredrik Eriksson haben hinten an der Blauen Linie ihre Stimmen geölt und punkten plötzlich auch wieder regelmäßig. Eriksson ist seit Kurzem mit 278 Punkten sogar der beste Scorer aus Schweden in der Ligahistorie.

Zwei Faktoren dürften den Tigers den Kampf um den Playoff-Platz trotzdem schwer machen: Da ist beispielsweise das Restprogramm. Die Niederbayern treffen zum Abschluss am Freitag und Sonntag noch zweimal aufs zuletzt starke Nord-Team Grizzyls Wolfsburg. Zudem treten sie am Mittwoch (20.30 Uhr) bei den Kölner Haien an, die erst am Sonntag 5:3 in Straubing siegten. Und dabei trat auch das aktuelle zweite Dilemma der Tigers zutage: die verbesserungswürdigen ersten 40 Minuten. In den vergangenen drei Partien verzichteten die Straubinger zwei Drittel lang ja fast schon aufs Mitspielen - acht von elf Treffern schossen sie jeweils im letzten Abschnitt, in den sie am Sonntag beim Stand von 0:4 gingen. Kurzzeitig stand es dann sogar noch 3:4. "Wenn wir das fünfte nicht kassiert hätten, hätten wir das Spiel vielleicht noch gedreht", sagte der Straubinger Kapitän Sandro Schönberger bei Magentasport. Es sind die kleinen Dinge, an denen man sich im Schlussakt aufrichten muss.

Augsburger Panther (35 Spiele, 44 Punkte)

Einen Satz hat Tray Tuomie in den vergangenen Tagen fast mantra-artig wiederholt: "Es gibt immer noch viel Eishockey in dieser Saison zu spielen." Auch am späten Sonntagabend griff der Trainer der Augsburger Panther auf ihn zurück - doch diesmal schwang in seiner Stimme auch eine gewisse Portion Sehnsucht mit. Denn wirklich viel harmloses Eishockey liegt nicht mehr vor den Panthern. Um genau zu sein: zwei Spiele gegen die Düsseldorfer EG (Dienstag, 18.30 Uhr und Freitag) und eines gegen die Eisbären Berlin (Sonntag). Ob dann noch Playoffspiele dazukommen, ist seit der 2:5-Heimniederlage gegen die Iserlohn Roosters ziemlich fraglich. Der Blick geht unweigerlich auf den Punkte-pro-Spiel-Schnitt, der am Ende der Hauptrunde bestimmen wird, wer an den am 20. April beginnenden Playoffs teilnehmen wird. Er macht klar: die besseren Karten vor dem Hauptrunden-Endspurt haben Straubing und Schwenningen.

Wie nervenaufreibend das Ringen um den letzten Playoffplatz ist, wurde direkt nach Spielende deutlich, als Tuomie bei Magentasport etwas pampig betonte: "Natürlich gibt es immer noch den Kampf um Platz vier, alles ist noch offen. Straubing hat heute verloren, oder?" Ja, Straubing hatte auch verloren, aber Tuomie weiß: Die Playoff-Chancen sind durch die zweite Heimniederlage des Wochenendes - am Freitag hatte es ein 1:4 gegen Wolfsburg gegeben - stark gesunken. Aussagen wie "Wir müssen weiter dran bleiben, wir spielen gutes Eishockey bis jetzt" wirken unweigerlich wie Durchhalteparolen. Besonders weh tut die Niederlage gegen Iserlohn, da die Panther nach etwas mehr als vier Spielminuten 2:0 führten. "Wir haben das Spiel kontrolliert", sagte Tuomie, doch dann leisteten sich die Augsburger Strafzeit um Strafzeit - und gaben die Partie mit vier Gegentoren im Schlussdrittel noch aus der Hand.

Zum Verhängnis wurde ihnen zuletzt mehrmals die stockende Offensive. Drei Tore in den zwei Heimspielen - eines davon beim Stand von 0:4 in den letzten Spielsekunden - waren zu wenig, um Punkte einzufahren. "Wir müssen natürlich mehr Tore schießen", sagte Tuomie. Die Augsburger, die kurz vor Ende der Transferperiode in Brad McClure, Layne Viveiros und David Kickert noch drei Spieler verpflichtet hatten, um die Playoffs zu erreichen, bekommen in der entscheidenden Saisonphase zu wenig Scoring von ihren Offensiv-Schlüsselspielern. Drew LeBlanc hat nur einmal in seinen letzten 14 Spielen getroffen, Spencer Abbott wartet seit fünf Partien auf ein Tor. Danny Kristos Bilanz von einem Tor in sechs Spielen ist ebenfalls schwach. In den zwei wichtigen Heimspielen des Wochenendes war auch das Überzahlspiel kein Faktor. Überraschend ist das nicht, da das Panther-Powerplay mit einer Erfolgsquote von elf Prozent das schlechteste der Liga ist.

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