Süddeutsche Zeitung

TSG Hoffenheim:In der Schlossallee

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Rang vier und der vierte Sieg nacheinander: Entdeckungen wie die des Linksverteidigers David Raum stehen beispielhaft für die seriöse Arbeit der TSG Hoffenheim.

Von Philipp Selldorf, Köln

Wenn ein Angreifer nach 56 Minuten einem anderen Angreifer Platz machen muss, ist das normalerweise keine große Sache, solange dieser Angreifer nicht Cristiano Ronaldo heißt und als unauswechselbar zu gelten hat. Ihlas Bebou jedoch nahm seine Auswechslung mit einem sichtbar schlechten Gefühl auf, wahrscheinlich quälte ihn das Gewissen. In den besagten 56 Minuten hatte der 27 Jahre alte Bebou eine Handvoll Torchancen der Sorte "Muss-er-machen" vergeben, dass es zum Zeitpunkt seines Austauschs zwischen dem 1. FC Köln und der TSG Hoffenheim immer noch 0:0 stand, war also vor allem sein Verdienst.

Die beste Gelegenheit ließ Bebou nach der Pause aus, als ihn eine Flanke vom linken Flügel erreichte. Der nächste Kölner Verteidiger stand ungefähr einen halben Tagesmarsch entfernt, der Ball kam perfekt, und das Tor stand ihm offen wie einem römischen Kaiser der Triumphbogen. Aber statt ins große Ziel traf Bebou den schmalen Pfosten. Wie man's besser macht, führte ihm fünf Minuten nach der Auswechslung der Kollege Stefan Posch vor, der einen Flankenball von der linken Seite präzise in die Torecke beförderte. Das 1:0 genügte der TSG trotz erbitterter Kölner Bemühungen zum Sieg und zum vorläufigen Vorrücken bis zur Schlossallee - die Hoffenheimer stehen nun auf einem Champions-League-Platz, und nach Ansicht des sehr ansehnlichen Sonntagsspiels ist das weder als Zufall noch als Ausweis einer allgemeinen Qualitätsschwäche der Bundesliga zu bewerten.

TSG-Manager Alexander Rosen verlängerte Raums Vertrag schon nach einem halben Jahr

Rang vier und der vierte Sieg nacheinander haben viele Ursachen, ein nicht unerheblicher Grund sind die Flanken von der linken Seite, die auch in Köln-Müngersdorf punktgenau ihr Ziel erreichten. David Raum, 23, hat diese Disziplin zu seiner persönlichen Meisterschaft entwickelt. Was die Torvorbereitung angeht, steht er im Wettbewerb mit den großen Lenkern und Denkern der Liga. Thomas Müller - 19 Vorlagen - führt die Liste mit Abstand an, ihm folgen Christopher Nkunku, Marco Reus, Florian Wirtz, Vincenzo Grifo - und Raum.

Entdeckungen wie Raum sorgen dafür, dass der, mit Verlaub, Provinzverein sich einen Platz in den oberen Regionen der ersten Liga geschaffen hat. Von Raum schwärmten die Hoffenheimer schon, als er in der zweiten Liga Flankenläufe für seinen Heimatverein SpVgg Greuther Fürth unternahm. Als die TSG im Januar 2021 den ablösefreien Wechsel bekanntgab, fanden das ein paar Konkurrenten schade, die auch Interesse an dem U-21-Nationalspieler gehabt hatten, doch was sie nicht ahnten: dass es mehr als bloß ein bisschen ärgerlich war, bei diesem Transfer das Nachsehen gehabt zu haben.

Nachdem er den Fürthern mit 15 Torvorlagen zum Aufstieg verholfen hatte, setzte Raum bei der TSG in hohem Tempo den Karriereweg fort: Auf Anhieb wurde er Stammspieler, machte sich im offensivorientierten TSG-Spiel unentbehrlich und etablierte sich nach seinem Debüt im September in der Nationalelf. Aufgeschreckt von der rapiden Entwicklung, verlängerte TSG-Manager Alexander Rosen schon nach einem halben Jahr Raums Vertrag zu besseren Bezügen, angeblich mit einer Ausstiegsklausel, die dem Verein mindestens 30 Millionen Euro zusichert. Man habe ja einige Erwartungen an Raum gehabt, sagte Rosen, "aber die hat er mit Höchstgeschwindigkeit übertroffen".

Der Kader, der den Hoffenheimern gerade so viel Erfolg beschert, soll auch ein Kader der Zukunft sein. Raum ist der fünfte Spieler, der im Winter bei der TSG den Vertrag verlängert hat. Ein weiterer Unterzeichner heißt übrigens Ihlas Bebou. Er wird also noch einige Chancen bekommen, es besser zu machen als gegen Köln.

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