Süddeutsche Zeitung

Kurzarbeit im Fußball:Runter vom Vereinsgelände

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Von Carsten Scheele, Hannover

Am 1. April geht es bei Hannover 96 los, dann schickt der Zweitligist einen Teil der Angestellten in Kurzarbeit. Zunächst einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle in der Robert-Enke-Straße, später vielleicht weitere. "Wir werden diese Krise überstehen", hat Martin Kind, der Geschäftsführer der Profisparte und Mehrheitsgesellschafter, optimistisch verkündet, dazu seien jedoch einige Maßnahmen nötig. Mit den 96-Profis, die sich aktuell noch in Quarantäne befinden, soll demnächst über Gehaltsverzicht verhandelt werden, Sportchef Gerhard Zuber wird Gespräche aufnehmen. Auf der Geschäftsstelle heißt es aber: Kurzarbeit.

Profifußball-Unternehmen, die in Kurzarbeit gehen - das klingt zunächst kurios, weil auch einfache Malerbetriebe das vom Staat in der Corona-Malaise offerierte Kurzarbeitergeld beantragen können und weil zwischen einem Malerbetrieb und, beispielsweise dem Hamburger SV oder eben Hannover 96, schon ein Unterschied besteht. Doch so ist es gedacht: Professor Martin Schimke, Arbeitsrechtler und Richter am internationalen Sportgerichtshof Cas, hat in der Sportschau bestätigt, dass auch Sportklubs vom Angebot der Kurzarbeit profitieren. Es gebe keine Sonderregelungen, so Schimke, Vereine und Verbände können für ihre Belegschaft oder einzelne Angestellte staatliche Hilfen beantragen.

Das geht in der Regel fix: Zwei Seiten umfasst der Antrag bei der "Agentur für Arbeit", einige Fragen müssen mit Ja oder Nein beantwortet, die Höhe des Verdienstausfalls eingetragen werden - eine Unterschrift, und fertig. Nach Zustimmung können die Mitarbeiter zu Hause bleiben, dürfen keine Aufgaben mehr für ihren Arbeitgeber übernehmen.

Die Vereine setzen darauf, dass sich ihre Spieler eigenverantwortlich fit halten

Auch Fußballspieler, die in Kurzarbeit geschickt werden, sind zur Untätigkeit verdammt. Manches ist rechtlich noch unsicher, einen Präzedenzfall gab es bisher nicht: Die Spieler sollten das Vereinsgelände nicht betreten oder PR-Termine wahrnehmen; einige Klubs verzichten sogar darauf, den Fußballern Pläne für das private Fitnesstraining mitzugeben, um nicht den Eindruck zu erwecken, man würde sich Staatsleistungen "erschleichen". Die Vereine setzen darauf, dass sich ihre Spieler eigenverantwortlich fit halten, falls es im Mai dann doch plötzlich mit dem Spielbetrieb weitergeht.

Neben Hannover 96 hat als weiterer Zweitligist Erzgebirge Aue bereits auf Kurzarbeit umgestellt, dort hat der Geschäftsführer Michael Voigt alle Angestellten, inklusive Profis und Trainerteam, nach Hause geschickt. "Ich habe unserer Belegschaft gesagt, dass es bei uns ein Gleichheitsprinzip gibt", sagte Voigt dem MDR: "Entweder wir schaffen es alle gemeinsam, oder wir schaffen es nicht."

Generell ist das Kurzarbeitergeld vor allem für Vereine ab der dritten Liga eine Option. Das liegt an den Summen, mit denen hantiert wird. Die "Agentur für Arbeit" überweist im Kurzarbeitsfall zwar 60 bis 67 Prozent des Nettogehalts, allerdings nicht über die Obergrenze eines monatlichen Bruttogehalts von 6900 Euro (6450 Euro in Ostdeutschland) hinaus.

Das bedeutet: Ein Drittligafußballer des SV Meppen mit einem Jahresauskommen von geschätzt 90 000 Euro bekäme exakt so viel staatliche Hilfe wie ein Fußballer des FC Bayern oder aus Dortmund mit einem monatlichen Millionensalär. Die Profis müssen der Maßnahme zustimmen, die Vereine können die Summe aus eigener Tasche aufstocken. So wird das Kurzarbeitergeld in den unteren Ligen zum probaten Mittel.

Etwa die Hälfte der Drittligisten hat sich zu der Maßnahme entschlossen, darunter große Namen wie der 1. FC Kaiserslautern ("Wir laufen auf Sparflamme") oder Hansa Rostock ("Schicken die Profis in den Corona-Schlaf"), um die Einnahmeausfälle abzufedern. Die Drittligisten würden "solidarisch mit ihren Spielern" auf Kurzarbeit umstellen, "um die Vereine am Leben zu erhalten", sagt Daniel Sauer, der Vorstandschef der Würzburger Kickers.

Für die Profiklubs der ersten und zweiten Liga ist das Kurzarbeitergeld weniger bedeutend. Am ehesten noch für Geschäftsstellen-Mitarbeiter, Physios oder Greenkeeper, auf deren Rasenflächen ohnehin niemand trainiert. Aber die Millionenverdiener? Werden sich kaum auf ein paar Tausend Euro als Ersatzzahlung einlassen. Wer seinem Verein helfen möchte, verzichtet freiwillig.

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SZ vom 24.03.2020
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