Süddeutsche Zeitung

Transfer von Kai Havertz:Es bleibt die 100-Millionen-Frage

Lesezeit: 2 min

Leverkusens Kai Havertz würde bestens in das Trikot von Real Madrid passen, doch dort steht eine Inventur bevor. Nun lockt Chelsea - und Leverkusen erwartet eine gewaltige Ablösesumme.

Von Philipp Selldorf

Kai Havertz will zum MSV Duisburg wechseln! Das wäre eine Schlagzeile, die man zur Abwechslung gern lesen würde, aber man wird sie ebenso wenig lesen wie die Schlagzeile "Pep Guardiola übernimmt den HSV". Die Wahrheit ist, dass solche Koryphäen des Fußballs nur durch Gewaltanwendung oder den Einfluss von Voodoo-Zauber für diese Adressen zu gewinnen wären.

Kai Havertz in Zebrastreifen weiß und blau, das bleibt eine Illusion, aber Havertz ganz in Weiß, das ist gut denkbar. Er würde mit seiner eleganten Statur bestens ins Trikot von Real Madrid passen und auch als Spielertyp den speziellen ästhetischen Ansprüchen des Vereins genügen. Der 21 Jahre alte Leverkusener sieht sich nicht nur selbst als Künstler - er ist auch einer. Und das Bernabéu ist bekanntlich eine bewährte Stätte für Spieler seiner Kategorie.

Die Leverkusener wären sicherlich traurig, wenn Havertz sie demnächst verlassen sollte, aber sie wären auch ein bisschen geschmeichelt, wenn er es für Real Madrid täte. Was aber nicht bedeutet, dass man den Spaniern einen Sonderpreis einräumen würde. Mindestens 100 Millionen Euro Ablöse sollen es sein, das ist nicht nur im Klub Beschlusslage, sondern auch im Gesellschafterausschuss, der im Auftrag des Bayer-Konzerns die Geschäfte überwacht.

Aus der vermeintlich prädestinierten Verbindung mit Real wird daher wohl nichts werden. Dem Klub steht eine schmerzliche Inventur bevor, unter anderem muss man Abnehmer finden für teure, überzählige Stars wie Gareth Bale oder James Rodríguez. Das durch die Corona-Krise angegriffene Budget erlaubt derzeit kein standesgemäßes Einkaufen.

Madrid hätte Havertz gefallen, Leverkusen gefällt ihm nicht mehr so gut, nachdem das Saisonziel Champions League verpasst wurde. Ein weiteres Jahr im Heimatklub war noch vor Wochen eine Option, nun ist es das eher nicht mehr. Laut Sport-Bild will Havertz nach dem Urlaub um die Freigabe aus dem bis 2022 laufenden Vertrag bitten. Der potenzielle Übernahmekandidat hat sein Interesse schon vor der Corona-Krise geäußert und hält daran fest, nach Informationen aus England sollen sich der FC Chelsea und Havertz grundsätzlich einig sein. Anstatt in Madrid Nachfolger des früheren Bayer-Spielers Bernd Schuster zu werden, könnte er in London Nachfolger des früheren Bayer-Spielers Michael Ballack werden. Stilistisch wäre ihm die weniger künstlerische als hochgeschwinde Premier League ebenfalls zuzutrauen, zumal in Gesellschaft der Nationalelf-Kollegen Antonio Rüdiger und Timo Werner.

Bleibt die 100-Millionen-Frage. Daraus könnte sich noch ein zähes Sommerthema entwickeln, aber Kai Havertz ganz in Blau - das ist keine illusorische Vorstellung und für den Betroffenen dank seines jungen Alters auch nicht desillusionierend. Für Real bleibt noch genug Zeit.

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Quelle:
SZ vom 09.07.2020
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