Süddeutsche Zeitung

RB Salzburg:Und nun die nächste Neuerfindung

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Wie im Vorjahr scheitern die Österreicher in der Champions League an mangelnder Cleverness und könnten wieder ihre besten Spieler verlieren - insbesondere einen jungen Ungarn.

Von Felix Haselsteiner

Bis auf die fehlenden Zuschauer hatte sich am Mittwochabend in Salzburg vieles nach einem Déjà-vu angefühlt. Ein europäischer Spitzenverein war zu Gast, die Salzburger hatten die Chance, mit einem Sieg zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte das Achtelfinale der Champions League zu erreichen, brauchten dafür allerdings eine Überraschung. Das war bereits im vergangenen Dezember so gewesen, damals hieß der Gegner nur nicht Atlético Madrid, sondern FC Liverpool. Beide Gegner waren zum jeweiligen Zeitpunkt Tabellenführer in ihren heimischen Ligen, also klare Favoriten. Und der Ausgang war auch in beiden Fällen derselbe: Salzburg verlor, blieb Gruppendritter und wird im Frühjahr in der Europa League weiterspielen.

Das 0:2 gegen Atlético, es fasst die zweite Champions-League-Saison der Salzburger nacheinander treffend zusammen. Die Mannschaft von Trainer Jesse Marsch spielte jugendlich, erfrischend, aufopfernd. Sie erarbeitete sich viele Torchancen, hatte viel Spielkontrolle, hätte erst in Führung gehen können und später ausgleichen müssen. Ein Sieg wäre möglich und verdient gewesen, was man so oder so ähnlich auch schon nach den Heimspielen gegen Lokomotive Moskau und den FC Bayern hatte sagen können.

Das eine endete mit einem 2:2-Unentschieden, das andere mit einer 2:6-Niederlage. Die Chancenverwertung jedoch, die im Fußball oft als leidige Ausrede für Niederlagen herhalten muss, war im Falle der Salzburger schlichtweg nicht ausreichend. Weder um Atlético Madrid zu besiegen noch um das Achtelfinale der Champions League zu erreichen.

Im vergangenen Jahr verließen Haaland und Minamino den Klub

"Wir haben überragend in dieser Gruppe gespielt, unseren Fußball repräsentiert, aber nicht genug Punkte geholt", sagte Marsch nach dem Spiel. Ihm war "die Konsequenz" in beiden Strafräumen abgegangen. Sowohl bei der Verteidigung eines Freistoßes von Yannick Carrasco in der 39. Minute, den Mario Hermoso zum 1:0 ins lange Eck verlängern konnte, als auch bei Szenen wie der Großchance von Dominik Szoboszlai in der 49. Minute, als er frei vor Torwart Jan Oblak auftauchte und den Ball am Pfosten vorbeischob, war zu sehen, dass den Salzburgern auf internationaler Bühne die Kaltschnäuzigkeit weiterhin fehlt. Der statistische Beleg zu dieser These: In den sechs Champions-League-Spielen - vier davon gegen europäische Eliteteams - hatte Salzburg zusammengerechnet eine beachtliche Torschussstatistik von 95:69, allerdings eine Tordifferenz von 10:17. Es sei "eine Spur von Cleverness, die uns noch fehlt", sagte Zlatko Junuzovic.

"Noch" ist dabei eine interessante Wortwahl. Denn während man im Normalfall von einer verpassten Chance sprechen könnte, aus der die junge Mannschaft lernen wird, schwingt mit einem Champions-League-Aus in Salzburg wohl auch eine Verabschiedung von Protagonisten mit. Im vergangenen Jahr verließen Erling Haaland (nach Dortmund) und Takumi Minamino (nach Liverpool) den Verein in der Winterpause, dieses Mal dürfte es mindestens Dominik Szoboszlai zu einem größeren Klub ziehen.

Auch Patson Daka ist ein Kandidat, der demnächst gehen dürfte. Beide definieren das Offensivspiel der Salzburger, denn die Wahrheit ist auch: Szoboszlai allein konnte die Torschussstatistik nicht retten, aber ohne ihn und seine Kreativität aus dem Mittelfeld heraus wäre sie gar nicht möglich gewesen. Die kleine Chance auf einen Verbleib wäre wohl nur durch eine Qualifikation für das Achtelfinale möglich gewesen - dasselbe galt schon im vergangenen Jahr für Haaland und Minamino.

Konstante Weiterentwicklung fällt unter diesen Bedingungen schwer, das weiß mittlerweile auch Marsch. Im Dezember 2019 hatte er seine Mannschaft nach dem Aus in der Champions League zu einem Mitfavoriten in der Europa League erklärt, dann jedoch zwei seiner besten Spieler verloren und später auch die Spiele in der nächsten Runde gegen Eintracht Frankfurt. Nun äußerte sich der Amerikaner entsprechend zurückhaltender: "Es ist dieses Mal nicht nötig, das zu sagen." Denn Salzburg wird sich nach dem erneuten Scheitern in der Gruppenphase wieder neu erfinden müssen. Die Spieler dafür sind da: Mergim Berisha, 22, kann auf hohem Niveau im Sturm spielen, Noah Okafor, 20, und Karim Adeyemi, 18, zählen zu den größten Talenten im europäischen Fußball und sollen den zukünftigen Salzburger Champions-League-Fußball bestimmen. Zumindest für das nächste Jahr, dann könnte es wieder ein Déjà-vu geben.

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