Süddeutsche Zeitung

Trainermarkt:Einmal durchatmen im Ausland

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Kovac, Schmidt, Wagner und Co. sind Trainer, die in der Bundesliga vom Radar verschwunden sind. Ein paar von ihnen treffen sich nun in den Qualifikationsrunden zur Champions League.

Von Christof Kneer, München

Manchmal schaut Robin Dutt immer noch die Spiele des VfL Bochum. Er widersteht der Versuchung, als fußballinteressierter Mensch die Spieltags-Konferenz im TV zu wählen, er entscheidet sich für die Einzeloption. Vom VfL will er mehr als ein paar Spielzüge sehen, es reicht ihm nicht, mal rüber zu zappen, wenn ein Kommentator "Tor in Bochum" brüllt. Er will 90 Minuten lang verfolgen, wie sich der Verteidiger Armel Bella Kotchap gemacht hat, der 17 war, als Dutt den VfL Bochum trainierte. Er will ein Gefühl für den Entwicklungsstand des Verteidigers Maxim Leitsch bekommen, der so oft verletzt war, als Dutt den VfL Bochum trainierte. Und einen wehmütigen Seitenblick wirft er auf den Rechtsverteidiger Cristian Gamboa, der erst kam, als Dutt ging. Oder gehen musste?

Die Trennung des VfL Bochum vom Trainer Robin Dutt im August 2019 war selbst in der an außergewöhnlichen Trennungen reichen Geschichte des deutschen Fußballs eine außergewöhnliche. Das beginnt schon mit der Frage, wer wen entlassen hat, der VfL seinen Trainer oder der Trainer sich selbst. "Wir sollten uns grundlegend austauschen, vor allem über meine Position", hatte Dutt nach einem 3:3 gegen Wehen-Wiesbaden gesagt, "es hilft nichts, mit einem angezählten Trainer weiterzumachen."

Der Trainer habe sich "völlig überraschend selbst öffentlich infrage gestellt", teilte der VfL Bochum daraufhin staunend mit und kam der indirekten Bitte um Freistellung direkt nach. Man sei "zu der Überzeugung gekommen, dass das Team einen neuen Impuls braucht".

Der neue Impuls war der Trainer Thomas Reis, der den VfL dorthin führte, wo auch Dutt ihn hinführen wollte: in die erste Bundesliga. Reis hat das auf dem Weg geschafft, den auch Dutt gehen wollte, aber Dutt wollte ihn - wie er inzwischen selbst einräumt - zu schnell. Er wollte einige personelle Veränderungen im Kader, die sich der Verein zu diesem Zeitpunkt nicht leisten konnte; einen Sommer später haben die Bochumer den Kader dann nach Reis' Wünschen umgebaut, die auch Dutts Wünsche gewesen wären.

Wo sind die eigentlich gerade?

Robin Dutt sagt, er gönne es dem VfL, er habe keinen Grund, neidisch zu sein. "Die Zeit, die Thomas als neuer Mann bekam, hätte ich in Bochum sicher nicht mehr bekommen", sagt er. Er bekommt sie dafür jetzt in Kärnten, beim Wolfsberger AC. Dort ist er, Robin Dutt aus Deutschland, seit wenigen Wochen der neue Impuls.

Dutt, 56, ist nicht der Trainer geworden, den man von ihm mal erwartet hat, damals, als er vom SC Freiburg zu Bayer Leverkusen in die Champions League wechselte. Er steht nun aber auf andere Art für den deutsche Trainermarkt: Mit seiner Geschichte repräsentiert er jene hoffnungsvollen Coaches, die in der Bundesliga vom Radar verschwunden sind. Coaches, bei denen selbst Menschen, die sich manchmal die Spieltags-Konferenz ansehen, mit ein, zwei Achseln zucken würden: Wo die wohl gerade sind? Gibt's die überhaupt noch?

Wer Antworten auf solche Fragen sucht, muss ein paarmal klicken, wenn er durch die Fußball-Ergebnisse scrollt. Manche dieser Trainer waren mal kurz in der Champions League und sind aus ihr vertrieben worden, aber im Vorhof der heiligen Hallen stehen jetzt wieder ein paar von ihnen. Als wolle der Trainermarkt auf dieses Schicksal hinweisen, führt er in dieser Woche einige dieser Trainer zusammen, nur durch ein, zwei Klicks getrennt.

In der dritten Qualifikationsrunde zur Champions League am Dienstag und Mittwoch begegnet man Trainern, die schon die führenden Klubs in Deutschland trainiert haben: Niko Kovac, 49, ehemaliger Coach des FC Bayern, spielt mit AS Monaco bei Sparta Prag; Roger Schmidt, 54, ehemaliger Coach von Bayer Leverkusen, empfängt mit der PSV Eindhoven den FC Midtyjlland; David Wagner, 49, der vor nicht mal einem Jahr auf Schalke entlassen wurde und schon vier Nachfolger hat, tritt mit dem Schweizer Meister Young Boys Bern beim CFR Cluj an; Peter Stöger, 55, unter anderem Coach bei Borussia Dortmund, führt Ferencvaros Budapest ins Duell mit Slavia Prag.

"Ich will auch selbst mal anders gesehen werden"

Dutts Wolfsberger AC war kürzlich auch schon im Europacup, er will dort auch wieder hin. Und André Breitenreiter, 47, Ex-Schalke 04, überrascht gerade mit dem FC Zürich in der Schweiz. Zweiter ist er dort, vor Meister Bern mit David Wagner.

Es sind ambitionierte Sanatorien, in denen sich diese Trainer gerade ein kurzes Durchatmen gönnen. Jeder dieser Trainer hat seine eigene Vergangenheit und gewiss auch eine eigene Zukunft, wie ein Kenner des Trainermarkts analysiert. Kovac und auch Schmidt könnten sich durchaus wieder in die Bundesliga zurückcoachen, auch für Wagner könnte irgendwann sprechen, dass ein Scheitern auf Schalke nicht gilt, weil da ja alle scheitern. Stöger könnte eine Art Friedhelm Funkel werden, ein besonnener Helfer für die unterschiedlichsten Notfälle; Dutt und Breitenreiter wirken derzeit am weitesten entfernt vom prominenten deutschen Erstligamarkt.

Dennoch spricht Dutt wohl stellvertretend für alle, wenn er seine Motive für den Wechsel nach Wolfsberg nennt. Natürlich gab es Angebote aus Deutschland, aber die zweite Liga hatte er schon, und für China oder die Emirate ist er noch viel zu sehr Fußballlehrer. "Mir war klar, dass ich in dieser Lebensphase was anderes brauche", sagte er, "ich will mal was anderes sehen, aber ich will auch selbst mal anders gesehen werden." Darum geht es ihnen allen: Es zieht sie in einigermaßen relevante Ligen, in denen sie die interessanten neuen Trainer aus Deutschland sind und nicht die, die in Schalke oder Bochum entlassen wurden. In den Champions-League-Playoffs könnte David Wagner übrigens gegen Peter Stöger spielen.

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