Süddeutsche Zeitung

Thomas Müller beim FC Bayern:Ein Zeichen? Ein Zuckerl?

Lesezeit: 2 min

Von Christof Kneer, Piräus

Irgendein vermutlich nicht sehr gut bezahlter Mensch bei der Uefa muss immer diesen Zettel füllen. Er muss aus den elf Namen, die ihm die Vereine vor dem Spiel vorlegen, ein taktisches Aufstellungsschema basteln, das sie dann an die Reporter im Presseraum weiterreichen. Mit dem aktuellen FC Bayern, das darf man vermuten, hat sich dieser Uefa-Mensch zuletzt höchstens am Rande befasst, er schrieb David Alaba ins Mittelfeld, Benjamin Pavard verfrachtete er nach links hinten, Javi Martínez in die Abwehr. An die richtige Stelle setzte der Experte aber natürlich Thomas Müller: auf Rechtsaußen. Auf dieser Position ist Müller Weltmeister und WM-Torschützenkönig geworden.

Beim FC Bayern und auch bei Thomas Müller selbst ist das dagegen eher umstritten: ob der Mann vorne rechts richtig aufgehoben ist. Zwar hat Müller diese Rolle im Nationalteam lange gespielt, aber damals summte leise der Fußball-Computer Philipp Lahm in seinem Rücken, der ihn unauffällig steuerte. Viel lieber spielt Thomas Müller im Zentrum, hinter einem Mittelstürmer wie Robert Lewandowski.

Inzwischen muss Müller, 30, aber froh sein, wenn er überhaupt spielt. Er hat im Moment, grob zusammengefasst, drei Probleme: Das erste Problem ist Trainer Kovac, der eher kein Müller-Fan ist, so wie Müller auch eher kein Kovac-Fan ist. Müllers zweites Problem ist Philippe Coutinho, auf dessen Anwerbung der FC Bayern sehr stolz ist und der lästigerweise auf Müllers Lieblingsposition im Zentrum spielt. Müllers drittes Problem ist Müller: Er spielt nur noch selten wie der WM-Torschützenkönig, auf den ein Verein sehr stolz ist.

Fast eine Stunde darf Müller sogar seine Lieblingsposition spielen

Was war das nun in Piräus? Ein Zeichen, dass Müller vom Trainer in wichtigen Spielen doch gebracht wird? Ein Zuckerl, damit Müller wieder was zum Schlecken hat? Eine Rotationsmaßnahme, die die Öffentlichkeit mal wieder nicht verstanden hat? Oder ein Beitrag zum Betriebsfrieden, wobei sich dann die Frage stellte, warum Kovac mit diesem Beitrag so lange gewartet hat?

Jedenfalls kam in der 34. Minute eine Flanke angeflogen, Lewandowski verlängerte, Müller setzte einen Scherenschlag an, der eines WM-Torschützenkönigs würdig war, Torwart Sa parierte, Lewandowski verwandelte den Nachschuss - in diesem Moment stand es doppelt 1:1. So stand es in diesem Spiel, und so stand es auch bei Müller: Er hatte jetzt Bayerns Ausgleich vorbereitet, nachdem er zuvor mit einer Grätsche ins Nichts noch am Führungstor der Griechen beteiligt gewesen war. Zu Müllers Ehrenrettung sei gesagt: Grätschen gehören eher nicht zu seinen Aufgaben.

Natürlich wird das Spiel in Piräus keine endgültige Lösung für den Fall Müller liefern, Müller dürfte es aber als Anerkennung werten, dass Kovac nach dem 1:1 eine Umstellung anordnete. Müller rückte nun in sein geliebtes Zentrum und verdrängte Coutinho nach links, Gnabry übernahm die rechte Flanke. Auch nach der Pause behielten die Bayern diese Struktur bei, worauf Müller sogleich in bewährter Manier umeinandermüllerte und mal hier und mal dort auftauchte - wie in der 62. Minute, als er den Ball auf Lewandowski weiterleitete, der, allerdings abseitsverdächtig, das 2:1 erzielte. So wird Müller den Trip nach Athen durchaus als gelungen betrachten, er spielte lange Zeit auf seiner Lieblingsposition und bereitete zwei Tore vor. "Ich versuche mich aufs Fußballspielen zu konzentrieren", sagte Müller hinterher. Ob er erleichtert sei? "Langsam könnte die ganze Diskussion auch mal zu Ende gehen." Viele Sätze wollte Müller in Athen nicht sagen. Was ungewöhnlich ist, denn normalerweise sagt Müller viele Sätze, vor allem, wenn er gut gespielt hat.

Was das nun für die nächsten großen Spiele bedeutet? Am Samstag zum Beispiel kommt der Aufsteiger Union Berlin zu den Bayern, die in der Bundesliga seit zwei Spielen sieglos sind.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2019
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