Süddeutsche Zeitung

BVB im DFB-Pokal:Klopp überrollen die Emotionen

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Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Um 21 Minuten nach Mitternacht sollte Michael Zorc auf dem Weg zum Mannschaftsbus seine Gedanken zu diesem seltsamen Elfmeterschießen mitteilen. Der Dortmunder Sportchef hatte leicht rosige Bäckchen wie ein Kind. Zorc sagte: "Der Sieg war auch in der Höhe verdient." Er lachte, die Zuhörer lachten.

Das Gespräch war damit zu Ende, die Menschen waren ohnehin abgelenkt von dem Lärm aus dem Kabinentrakt. "Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin!", schrie laut vernehmlich ein Männerchor.

Die Münchner Spieler hatten allesamt die Arena verlassen oder waren wie Mario Götze beim Anhang in der Loge verschwunden, da stieg in der Gäste-Kabine noch eine Party. Um 0:30 Uhr verließ Jürgen Klopp die Feier, mit gelber Kappe und einem riesigen Rucksack. Er sah fast aus wie ein Handwerks-Geselle auf Wanderschaft. "Wir hatten in dieser Saison nicht viel Grund gehabt, uns zu freuen. Da dürfen wir das genießen." Klopp, der Trainer, sprach ein paar Minuten über das Spiel, über den Schiedsrichter ("klar, dass sich die Bayern da aufregen"), als der Raum plötzlich mit Elektromusik erfüllt wurde.

Hinter Klopp schlenderten Marco Reus und Pierre-Emerick Aubameyang vorbei, der Gabuner trug unter seinen Klamotten einen Musikapparat, der ordentlich wummerte. Als es hinaus ging zum Busparkplatz johlten die vielen noch wartenden Fans von Borussia Dortmund laut auf und es ergab sich ein Borussen-Konzert vor der Tür der Münchner Arena. Abgelöst wurde das Gewummere vom Chartbreaker "Jüüürgen Klooopp".

3:1 nach Elfmeterschießen hatte der BVB sein DFB-Pokal-Halbfinale beim großen Rivalen in München gewonnen. Die Mannschaft hatte über eine Stunde eher schwach als gut gespielt, konnte jedoch mit Glück, defensiver Stabilität und einem guten Torwart den knappen 0:1-Rückstand halten. Und war dann in eine starke Phase übergegangen, mit dem Ausgleich durch Aubameyang sowie Chancen durch Henrikh Mkhitaryan und Marco Reus.

In der Verlängerung hatten die Gäste dann wieder Glück und einen guten Torwart, sie verloren Kevin Kampl mit Gelb-Rot, retteten sich aber ins Elfmeterschießen. Wo die Münchner dann keinen einzigen Strafstoß verwandelten. Als Manuel Neuer den vierten Versuch der Bayern an die Latte lederte, sprintete ganz Dortmund wild über den Platz. Auch Jürgen Klopp sprintete, wie ein 47-Jähriger eigentlich gar nicht mehr sprinten kann.

Es ist ja sein letzter Traum: Noch einmal mit dem DFB-Pokal auf einem Lastwagen so lange um den Dortmunder Borsigplatz fahren, bis die Stimme ausbleibt und die Sonnenbrille die roten Augen nicht mehr verdecken kann. Bevor er den Verein nach sieben Jahren verlässt. Dass dieser Traum auch nach dem Halbfinale beim FC Bayern noch lebt, erfüllte Klopp merklich mit Emotionen der Freude und des Überschwangs. Es sei ein "Höllenspiel" gewesen, erklärte er. Häufig und recht unkontrolliert sprudelten die Worte "geil" oder "cool" aus ihm heraus.

Es war ein Spiel wie Klopp es liebt. Als Außenseiter angetreten, anfangs mit Problemen ob der enormen Präsenz der Bayern und ihrer taktischen Überlegenheit. Doch mit Kraft und Leidenschaft wühlte sich seine Mannschaft in das Spiel und bot dem Favoriten plötzlich ernsthaft Widerstand. Und am Ende die großen Gefühle. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke glaubte wieder einmal, dass er die Mehrheit der Bevölkerung auf seiner Seite habe im Kampf gegen den FC Übermacht. "Ich glaube, dass sich sehr viele Leute gefreut haben für uns in Deutschland. Da bin ich mir ziemlich sicher."

Den Bayern noch einmal eins ausgewischt zu haben, nach all den Niederlagen zuletzt in den großen Finalspielen 2013 und 2014 - das tat sichtlich gut. Es war noch einmal ein bisschen so wie früher.

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