Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Werder Bremen 2017: zaghaft, mutlos, erfolglos

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Von Jörg Marwedel, Bremen

Izet Hajrovic steckte plötzlich in einer heiklen Situation. Nicht auf dem Spielfeld, wo der für den Abwehrspieler Milos Velijkovic nach der Pause gekommene Außenstürmer des SV Werder Bremen trotz großen Einsatzes die verdiente 0:2-Niederlage gegen Borussia Mönchengladbach auch nicht verhindern konnte. Sondern danach, als er vor einem Dutzend Journalisten diesen Satz sagte: "Wenn wir nicht viel, viel mehr nach vorne machen, bringt es nichts." Das war für die Zuhörer ein klarer Fall von Systemkritik. Denn die defensive Taktik des Werder-Trainers Alexander Nouri stößt bei vielen Beobachtern schon länger auf wenig Sympathie. Drei Tore hat Werder in den ersten acht Liga-Spielen erzielt, derartige Mangelerscheinungen in der Offensive hat es in Bremens Bundesliga-Historie noch nicht gegeben.

Also wurden Izet Hajrovic weitere ungemütliche Fragen gestellt. Ob das Team zum Beispiel debattiere, ob man mutiger oder vorsichtiger agieren solle? Es arbeitete sichtbar im Kopf des Schweizers, ehe er die sehr diplomatische wie ernüchternde Antwort gab: "Keine Ahnung." Wie soll auch ein Profi, der nach langer Verletzungspause gerade seine ersten Minuten absolviert hat, so etwas wie ein Rädelsführer sein? Aber das Thema ist spätestens jetzt auf dem Markt, und es könnte für den Trainer Nouri unangenehme Folgen haben - bis hin zum Arbeitsplatzverlust.

"Gelähmt" und "ohne Überzeugung"

Werders Geschäftsführer Frank Baumann fordert in dieser Lage, in der Werder auf dem vorletzten Tabellenplatz zementiert ist, fürs Erste ein "geschlossenes Auftreten". Man sei "überzeugt, dass wir in dieser Konstellation aus der Situation herauskommen", sagte der Manager, es bringe nichts, in Hektik zu verfallen. Der Coach ist intern angeblich nicht Gegenstand der Debatten. Doch Baumanns Analyse dieser Heimniederlage klang fast wie ein Abgesang. Man habe fast alles an Qualität vermissen lassen, man habe "gelähmt" gespielt, "ohne Überzeugung" und vor allem: "sehr passiv". Die Frage ist nun, ob Nouris These valide ist. Der Trainer behauptete ja, dieser erneute Niederschlag habe "nichts mit der Grundordnung" zu tun.

Gewiss, die Gladbacher legten im Weserstadion ein "fast perfektes Spiel" hin, wie Borussia-Manager Max Eberl feststellte. Auch Trainer Dieter Hecking war nach dem ersten Auswärtssieg der Saison nach Treffern von Lars Stindl (27.) und des Ex-Bremers Jannik Vestergaard (34.) beeindruckt von der "hohen Ballsicherheit" und Flexibilität seiner Spieler. Bei ihrer Spielfreude vergaßen sie nur zuweilen die Torproduktion, sonst wäre auch das Ergebnis für Werder höchst unerfreulich ausgefallen. Dieser Sonntag sei ein "Moment in der Saison gewesen, da musst du da sein", sagte Hecking. Heißt: Wenn es diesmal schiefgegangen wäre, hätte man vorerst deutlich bescheidener sein müssen. Nun aber ist die Borussia mit den überragenden Offensivkräften Stindl, Raffael und Thorgan Hazard wieder auf Europa-League-Kurs.

Die Bremer dagegen wirkten so blass, dass sogar die Rückkehr ihres Kapitäns Zlatko Junuzovic kaum half - obwohl der einer der wenigen Werder-Profis war, die den stets rochierenden Gladbachern nachstellten. Man sei stets "zwei Schritte zu spät gekommen", befand Junuzovic. Der Österreicher war dem Trainer bei der Taktik-Debatte zuletzt aber stets beigesprungen. Er glaubt, man habe eine Grundstabilität gefunden, die mehr wert sei "als permanentes Spektakel vor beiden Toren".

Auch Mittelfeldkollege Thomas Delaney machte sich einen Tag nach der vierten Niederlage für seinen Vorgesetzten stark. "Ich mag Alexander Nouri. Er ist der beste Trainer, den ich je hatte, wenn es darum geht, Gefühle und Motivation rüberzubringen", sagte der Däne. Er könne kein Trainer- und Taktikproblem erkennen.

Verliert Werder beim 1. FC Köln, wird es für Nouri unbequem

Doch der fehlende Mut war auch an Nouris Aufstellung am Sonntag abzulesen. Diesmal opferte er den zuletzt sehr umtriebigen Außenspieler Florian Kainz, um neben dem zurückgekehrten Junuzovic wieder mit Philipp Bargfrede einen zweiten Sechser neben Thomas Delaney zu installieren. Erst, als es zu spät war, brachte er neben Hajrovic auch Kainz und später die vom Klub ausgebildete Angriffsbegabung Johannes Eggestein. Für dessen Einwechslung gab es in der 80. Minute fast so viel Beifall wie Pfiffe nach dem Schlusspfiff.

Ob Nouri am nächsten Sonntag in Köln beim Aufeinandertreffen mit dem einzigen noch erfolgloseren Klub mehr Courage zeigen wird, ist wenig wahrscheinlich. Und sollte für den 1. FC Köln das von Nouri fortgeschickte Werder-Idol Claudio Pizarro, 39, das Siegtor erzielen, könnte es noch unbequemer für den Trainer werden. Trotz aller Fürsprache seiner wichtigsten Spieler.

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Quelle:
SZ vom 17.10.2017
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