Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Vereine haften für ihre Fans

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Darf man einfach das Herz des BVB-Stadions stilllegen? Ja, die Tribünensperre in Dortmund ist notwendig. Das zeigen zwei einfache Rechtsprinzipien.

Kommentar von Heribert Prantl

Das Herz des BVB schlägt auf der Südtribüne. Das ist kein Werbespruch, das ist so. Diese Tribüne ist Herz und eine Seele des Vereins Borussia Dortmund. Es ist ein Riesenherz, das größte im europäischen Fußball: 100 Meter breit, 52 Meter tief und 40 Meter hoch. Darf man so ein Herz stilllegen, darf man es anhalten, und sei es auch nur für einen Samstag? Darf man so einen Herzstillstand anordnen? Ist ein angeordneter Herzinfarkt eine zulässige Strafe dafür, dass Hooligans und Hardcore-Fans sich saumäßig benehmen?

Diese Fragen sind nicht sehr juristisch formuliert. Juristen fragen nüchterner. Aber hinter der Empörung von zigtausend Fans, die nicht einsehen, dass sie die Untaten von Randalieren ausbaden sollen, stecken ernsthafte juristische Probleme. Ist so eine Sanktion angemessen? Ist sie verhältnismäßig? Handelt es sich um eine unzulässige Kollektivstrafe? Der Deutsche Fußball-Bund hat einen "Strafantrag" gestellt, der als Reaktion auf die jüngsten Ausschreitungen die Sperrung der Südtribüne vorsieht. Und der BVB hat, um die aufgeheizte Atmosphäre nicht noch weiter anzuheizen, auf einen Einspruch verzichtet und diese Sanktion akzeptiert. Ist er vor einer Drohung eingeknickt? Oder setzt er damit ein Signal? Eher Letzteres.

Es geht bei solchen Strafen nicht um klassische strafrechtliche Strafen. Im Strafrecht gibt es eine solche "Tribünenstrafe" ohnehin nicht. Da gibt es Geldstrafe und Freiheitsstrafe. Punkt. Im Strafrecht gilt in der Tat auch das Verbot der Kollektivstrafe. Im vorliegenden Fall geht es um andere Strafen, um Vereinsstrafen - also letztlich um Haftungsrecht, um Zivilrecht. Es ist nicht verkehrt, wenn man sich da an das Baustellenschild "Eltern haften für ihre Kinder" erinnert. Wenn Kinder Schäden auf Baustellen anrichten, müssen die Eltern für den Schaden aufgekommen - allerdings nur dann, wenn die Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzt haben; also nicht in jedem Fall, wie es das Baustellenschild suggerieren will.

Wer nicht hören will, muss fühlen

Bei den "Kindern des Fußballs" ist das anders. In den Statuten des DFB ist mehr oder minder deutlich festgelegt, dass der Verein jederzeit für seine Fans haftet, dass er sich das Verhalten von Zuschauern im Verhältnis zum DFB zurechnen lassen muss. Die Rechtsprechung akzeptiert das; sie wendet quasi diejenigen Paragrafen des Bürgerlichen Gesetzbuchs an, in denen es darum geht, dass ein Schuldner (in diesem Fall der Verein) für die Hilfspersonen einstehen muss, die in seinem Geschäfts- und Gefahrenkreis handeln.

Also: Der Verein haftet für seine Fans. Und die Fans wiederum, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, erleiden die Drittwirkung dieser Haftung. Sie müssen sich damit abfinden, dass die Sanktion auch sie trifft - es sei denn, die Sanktion, die Tribünensperre, ist absolut unverhältnismäßig. Aber das sind Gummi-Formeln. Wann ist die Sperre verhältnismäßig: Wenn zweihundert Ultras gepöbelt haben? Wenn hundert randaliert haben? Oder reichen zwanzig?

Ob solche Sanktionen verhältnismäßig sind, hängt auch davon ab, was der Verein unternimmt, um Randale zu verhindern: Erteilt er Stadionverbote? Wirft er die Randalierer, so sie Mitglieder sind, aus dem Verein? Macht er die Randalierer haftbar? Er kann sie beispielsweise für den Ausfall der Einnahmen verklagen, die ihm wegen der Tribünensperre entstehen. Die Rechtsprechung hat einen solchen Rückgriff akzeptiert. Auch das folgt einem ganz einfachen Rechtsprinzip: Wer nicht hören will, muss fühlen.

So kompliziert sind die Haftungsfragen also nicht. Erstens: Vereine haften für ihre Fans. Zweitens: Wer nicht hören will, muss fühlen. Die Tribünensperre ist nicht der angeordnete Herzstillstand. Sie ist eine notwendige Operation.

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Quelle:
SZ vom 14.02.2017
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