Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Das große Testspiel

Lesezeit: 3 min

Damit die Bundesligasaison wieder laufen kann, brauchen die Klubs rund 20 000 Corona-Tests. Wird dadurch die Versorgung der Bevölkerung blockiert?

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Es gibt diverse deutsche Profivereine, die in den vergangenen Wochen bereits in Mannschaftsstärke einen Corona-Test abgaben. Eintracht Frankfurt zum Beispiel war recht früh dran. Mitte März erkrankte ein Spieler der SGE am Virus, weitere Akteure zeigten Symptome - und aufgrund der medizinischen Vorgaben wurden daraufhin das komplette Team sowie dessen Umfeld getestet. Später folgten auch Erst- und Zweitligisten ohne Positivbefund im Kader. Bundesliga-Tabellenführer FC Bayern ließ alle Spieler auf Corona testen, als er vor gut zwei Wochen wieder ins Kleingruppentraining einstieg.

Aber wenn alles so läuft, wie es sich die Verantwortlichen des deutschen Fußballs wünschen, wird es demnächst sehr häufig zum geschlossen Corona-Test kommen. An diesem Donnerstag wollen die Profiklubs der Deutschen Fußball Liga (DFL) beschließen, wie sie die Saison wieder aufnehmen können, und die Tests werden dabei ein zentraler Baustein sein. Rund 20 000 Tests insgesamt bei Profis und Betreuern sollen an den noch ausstehenden neun Saisonspieltagen sicherstellen, dass alle gesund sind. Ohne Tests geht gar nichts. Aber schon seit Tagen wird debattiert, ob das in der derzeitigen sozialen Gemengelage des Landes angemessen ist. Und das erst recht nach dem Vorstoß der Ministerpräsidenten Armin Laschet (Nordrhein-Westfalen) und Markus Söder (Bayern), dass der Liga-Neustart am 9. Mai vorstellbar sei.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) stellte sich am Dienstag jedenfalls gegen die Pläne. "Ich denke, man sollte die Tests dort anwenden, wo es medizinisch sinnvoll ist", sagte Vizepräsident Lars Schaade bei einer Pressekonferenz: "Ich sehe nicht, warum bestimmte Bevölkerungsgruppen (...) routinemäßig gescreent werden sollen."

Der Plan sieht vor: Jeder Spieler soll mindestens zehn Mal zum Corona-Test

Das aber soll nach den DFL-Planungen bei den 36 Erst- und Zweitligisten in den kommenden Wochen der Fall sein. Gemäß dem Sicherheitskonzept der medizinischen Kommission, soll es eine "engmaschige und regelmäßige Testung" geben. "Vor dem Auftakt für ein reguläres Mannschaftstraining" sei mindestens eine Testung erforderlich; danach sei eine "mindestens wöchentliche Durchführung" angemessen, "in jedem Fall möglichst kurz vor jedem Spiel (also in 'Englischen Wochen' mindestens zweimal)". Das macht bei den noch neun ausstehenden Saisonspielen also mindestens zehn Corona-Tests pro Spieler und Betreuer aus jedem Verein - und insgesamt knapp 20 000 Tests. (Die Konzepte der DFL können Sie als Original-Dokumente hier und hier einsehen)

Die DFL wehrt sich gegen den Vorwurf, dass sie durch dieses Verhalten wichtige Testkapazitäten blockiere. "Es geht an den Fakten vorbei, wenn unterstellt wird, dass eine mögliche engmaschige Testung eine Unterversorgung der Bevölkerung verursache", hieß es am Dienstag in einer Stellungnahme nach einer Präsidiumssitzung. In der Tat teilt der Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) mit, dass die bei ihm organisierten Labore in der vergangenen Woche Kapazitäten für 550 000 Tests gehabt hätten, aber nur 260 000 durchgeführt worden seien. In der laufenden Woche seien die Kapazitäten sogar auf zirka 640 000 angestiegen. Und die Gesamtzahl der wöchentlich möglichen Tests soll demnächst sogar in den siebenstelligen Bereich steigen.

Da wirken zirka 20 000 Tests für den Profifußball innerhalb von knapp zwei Monaten nicht sonderlich entscheidend. Zugleich gibt es aber auch viel Gegenwind. Dass die Laborvertreter derzeit auf so hohe freie Testkapazitäten verweisen können, liegt auch an der Test-Politik. Es wird zwar schon viel getestet, aber es wäre auch möglich, noch deutlich mehr Menschen zu überprüfen. Vertreter von Sozialverbänden verweisen darauf, dass nicht einmal die Vertreter ihrer Berufsgruppen regelmäßig auf das Virus überprüft würden, sondern nur bei konkretem Verdacht. Weder in Alten- oder Pflegeheimen noch bei Lehrern wird regelmäßig getestet. Unabhängig von allen mathematischen Zahlen dürfte also das Bild entstehen, dass ein Profifußballer in den kommenden Wochen mindestens zehn Tests absolvieren kann, eine Krankenschwester aber nicht.

"Wenn die DFL die Tests bekommt und es für keinen anderen ein Nachteil wird, kann sie die bestellen", sagt der Nürnberger Pharmakologe Fritz Sörgel dazu: "Aber niemand kann sagen, wie genau es weitergeht, und nicht umsonst warnen Virologen vor einer zweiten Welle." Deswegen müsste sich die DFL auch auf eine Situation einstellen, dass sie am Anfang zwar testet, die Tests später aber für den Profisport nicht mehr verwendbar seien.

Das DFL-Präsidium erklärte zu diesem Thema am Dienstag: "Sollte es durch künftige Entwicklungen - z. B. eine zweite Corona-Infektionswelle - tatsächlich Engpässe geben, wird die DFL die Versorgung der Bevölkerung selbstverständlich nicht beeinträchtigen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4883911
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.04.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.