Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Schalkes plötzlicher Sinneswandel

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Von Carsten Scheele

Als Christian Heidel seinen Job als Manager bei Schalke 04 antrat, hatte er sich ein Zauberwort zurechtgelegt: Kontinuität. 13 Trainerwechsel hatte der Klub in den zehn Jahren zuvor durchgemacht, unter Heidel sollte das anders werden. Der Klub müsse "ein Selbstverständnis dafür entwickeln, dass Kontinuität in allen Bereichen (...) die beste Basis für Erfolg ist", sagte der Manager, was sich gut anhörte und so gar nicht nach Schalke klang.

Dies ist erst zwölf Monate her, und offenbar passt Heidel doch besser zu den Gelsenkirchenern als erwartet. Die Sache mit der Kontinuität nimmt er jedenfalls - zumindest bei der Trainerfrage - doch nicht so genau. Wie am Freitag bekannt wurde, muss Übungsleiter Markus Weinzierl nach nur einem Jahr überraschend wieder gehen.

Natürlich ist unstrittig, dass Schalke in der Premierenspielzeit unter Weinzierl eine missratene Saison hinlegte. Mit Platz zehn verfehlte der Klub seine Ziele deutlich, intern fiel die Analyse nach SZ-Informationen drastisch aus. Doch nach außen gab es kaum Anzeichen, dass Weinzierl diese Entwicklung persönlich angelastet werden würde. Es sei "schwer vorstellbar", im Sommer den Trainer zu wechseln, hatte Heidel nach dem letzten Spieltag noch bekannt. Das ist drei Wochen her.

Zuletzt krachte es in der Mannschaft

Während seines Sommerurlaubs in Florida kam der Sinneswandel - und der Rückfall in alte Schalker Muster. Weinzierl sollte weg, ein neuer Coach her. Am Freitagnachmittag verkündete der Klub dann offiziell, was vorher schon mehrere Medien berichtet hatten: Domenico Tedesco wird neuer Trainer des FC Schalke 04. Heidel verhilft dem jungen Trainer von Erzgebirge Aue damit zum Sprung in die erste Liga.

Tedesco übernimmt eine Mannschaft, in der es zuletzt heftig krachte. Einzelne Spieler waren unzufrieden, Max Meyer etwa, ein Schalker Junge, der seinen Abschied spätestens für 2018 ankündigte. Der ukrainische Nationalspieler Jewgen Konopljanka nannte Weinzierl öffentlich gar einen "Feigling". Weinzierl wurden vermehrt Defizite in Sachen Mannschaftsführung angelastet, Konopljanka drohte: "Er bleibt nicht länger Trainer dieser Mannschaft. Ansonsten steigt Schalke in die zweite Liga ab."

Trotzdem wurden auch außerhalb Weinzierls Tätigkeitsfeld Fehler gemacht. Viele der Millionen, die Schalke 2016 für Leroy Sané eingenommen hatte, wurden von Manager Heidel für Spieler ausgegeben, die die Mannschaft nicht entscheidend weiterbrachten. So wurde etwa Konopljanka für 12,5 Millionen Euro fest verpflichtet, ehe Weinzierl ihm mitteilte, dass er sich einen neuen Verein suchen könne, weil er mit seinen Defensivleistungen nicht einverstanden war. Auch der für acht Millionen Euro aus Paris verpflichtete Benjamin Stambouli konnte nicht restlos überzeugen. Dass bei Schalke fortan tatsächlich Kontinuität herrschen sollte, war selten ersichtlich.

Der neue Mann Tedesco halten viele Experten für ein großes Trainertalent. Der 31-Jährige hatte den Zweitligisten Erzgebirge Aue in nahezu aussichtsloser Situation übernommen und souverän vor dem Abstieg bewahrt. Er gilt als großer Kommunikator, der Entscheidungen so vermitteln kann, dass jeder Spieler sie versteht. Tedesco hatte stets glänzende Augen, wenn er von der Bundesliga sprach. Die Fußballlehrer-Ausbildung beim DFB schloss er als Jahrgangsbester mit der Note 1,0 noch vor Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann ab. Es war nach seinem furiosen Debüt im Profifußball fast schon logisch, dass er in diesem Sommer seine Chance bekommen würde - nun ergreift er sie auf Schalke.

Doch ist das riskant? Ein unerfahrener Trainer im wohl aufgeregtesten Umfeld der Bundesliga? Wird Tedesco unnötig verheizt? Zuspruch, dass es klappen könnte, kommt von Jürgen Klopp, der im Kicker kürzlich die neue Trainergeneration adelte. "Das ist die absolut richtige Herangehensweise. Ich freue mich unendlich, dass viele junge, gute Leute die Chance bekommen", sagte Klopp.

Am Freitag hat nicht nur Nagelsmann, 29, seinen Vertrag bei Hoffenheim verlängert und Heiko Herrlich, 45, bei Leverkusen unterschrieben, sondern auch Tedesco bei Schalke.

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