Süddeutsche Zeitung

Dortmunds 2:4 in Gladbach:Nun bricht auch Mats Hummels zusammen

Lesezeit: 3 min

Zweimal verloren und nicht für die WM nominiert: Diese Woche ist für den Dortmunder Verteidiger eine zum Vergessen. Gegen Gladbach zeigt er eine miserable Leistung - ganz im Gegensatz zu seinen bisherigen Spielen.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Die 45. Kalenderwoche 2022 wird dem Fußballer Mats Hummels nicht gut in Erinnerung bleiben. Vielleicht brennt sie sich ihm sogar tief ins Gedächtnis. An zwei Niederlagen binnen vier Tagen liegt das nur bedingt, noch mehr an einem Anruf dazwischen. Am Dienstag verlor Hummels mit Borussia Dortmund in Wolfsburg 0:2, am Mittwoch teilte dann der Bundestrainer Hansi Flick dem 33-Jährigen mit, dass er ihn nicht zur Weltmeisterschaft nach Katar mitnimmt - und am Freitag erlitten Hummels und sein BVB bei der 2:4-Niederlage bei Borussia Mönchengladbach einen fußballerischen Zusammenbruch.

Borussia Dortmund überwintert durch die beiden Niederlagen in den letzten Pflichtspielen des Jahres auf einem enttäuschenden sechsten Platz. Aber noch schlimmer ist für Hummels, dass er die erste Hälfte dieser zweieinhalbmonatigen Überwinterung nicht bei der WM verbringen darf. Statt mit der Nationalmannschaft vor einem Millionenpublikum gegen Japan, Spanien und Costa Rica zu spielen, tritt Hummels nun mit dem BVB auf einer Asien-Reise an: in Singapur gegen die Lion City Sailors, in Malaysia gegen die Johor Southern Tigers und in Hanoi gegen Vietnams Nationalteam.

Nicht mit zur WM zu dürfen, das hat Hummels bei Instagram als "eine der größeren Enttäuschungen meiner Karriere" bezeichnet. Wie schlimm es für ihn ist, wird auch aus den Worten des BVB-Sportchefs Sebastian Kehl ersichtlich, der es so formulierte: "Mats hat die Entscheidung sehr, sehr schwierig aufgenommen."

Aus sportlicher Sicht ist die Ausbootung des Dortmunder Innenverteidigers nicht zu verstehen. Geht es nach den Benotungen der Fachleute vom Kicker, dann ist Hummels in dieser Saison bislang der beste deutsche Abwehrspieler in der Bundesliga. Sogar wenn man einen genaueren Blick auf die Gegentore des BVB wirft, ragt Hummels heraus. Mit ihm auf dem Feld hatte Dortmund bis zum Gladbach-Spiel lediglich sieben Gegentore in der Liga hinnehmen müssen. Als es in drei Spielen jeweils drei Gegentreffer hagelte, gegen Bremen (2:3), in Leipzig (0:3) und in Köln (2:3), stand Hummels nicht auf dem Platz, sondern war im ersten Fall bereits ausgewechselt, im zweiten Ersatzspieler und im dritten erkältet.

Hummels war einer der konstantesten Spieler in dieser Saison beim schlingernden BVB. Doch 48 Stunden nach dem Schock-Anruf vom Bundestrainer erlitt auch er im Gladbacher Borussia-Park einen Zusammenbruch - rein fußballerisch.

Sechs Turniere hat Hummels für Deutschland bestritten - alle als Stammspieler

Nach vier Minuten erzielte der nach Katar fahrende Gladbacher Jonas Hofmann das 1:0, als er den Ball zwischen den beiden ebenfalls für die WM nominierten BVB-Abwehrspielern Niklas Süle und Nico Schlotterbeck hindurch einschoss. Nach Julian Brandts schönem 1:1-Ausgleich (19.) führte ein von Hummels verschuldeter Freistoß zum 2:1-Kopfballtreffer durch Gladbachs Ramy Bensebaini (26.). Und als nur vier Minuten später Gladbachs Marcus Thuram nach einem Dortmunder Ballverlust im Mittelfeld zum 3:1 an Schlotterbeck vorbei auf und davon spurtete, kam auch Hummels nicht mehr hinterher, weil er sehr weit vorne im Mittelfeld unterwegs war.

In der 40. Minute verkürzte Schlotterbeck auf 2:3, doch 40 Sekunden nach der Pause erzielte Gladbachs Kouadio Koné bereits den 4:2-Endstand. Er zog aus 18 Metern ab - und tunnelte Hummels. Dem Dortmunder blieb in seinem 400. Bundesliga-Spiel also nichts erspart. Diese 45. Kalenderwoche, Hummels würde sie aus seinem Tischkalender herausreißen, wenn er einen hätte.

In der Branche gibt es Menschen, die glauben, Hansi Flick habe den Verteidiger vor allem deshalb nicht nominiert, weil Hummels kein ganz leichter Typ ist und weil er gerade in den vergangenen Wochen in Dortmund sehr öffentlich sehr kritisch mit der eigenen Mannschaft umgegangen war. So etwas könnten sie in Katar während der WM gar nicht gebrauchen.

Dabei war Hummels in den vergangenen 13 Jahren bei sechs Turnieren ein ganz wichtiger Spieler für den DFB: 2009 wurde er mit der U21 Europameister, 2012 bestritt er bei der Europameisterschaft einschließlich des verlorenen Halbfinals alle fünf Spiele in voller Länge. 2014, beim WM-Triumphzug in Brasilien, verpasste er nur das Achtelfinale wegen eines Infekts. 2016 spielte er von der zweiten Partie an viermal durch, plus Verlängerung im Viertelfinale, und verpasste das verlorene Halbfinale wegen einer Gelbsperre. 2018 in Russland allerdings vermochte auch Hummels das blamable WM-Vorrunden-Aus nicht zu verhindern. Und bei der EM 2021 war er einschließlich des verlorenen Achtelfinals wieder durchgängig Stammspieler.

Hummels hätte in Katar gerne sein siebtes großes Turnier im Nationaltrikot gespielt. Doch, verflixt, zum siebten Turnier kommt es für ihn nun nicht. Schon keimen Spekulationen auf, er sei derart enttäuscht, dass er seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft erwäge. Aber so weit ist es noch nicht. Und wer weiß, sollte sich einer der neun von Flick nominierten Abwehrspieler verletzten, könnte Hummels vielleicht noch nachrücken.

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