Süddeutsche Zeitung

FC Augsburg gegen FC Bayern:Im Höhenflug, auch wenn die anderen schwächeln

Lesezeit: 3 min

Von Sebastian Fischer

Florian Niederlechner hat in dieser Woche keine Anzeichen erkannt, dass es sich bei seinem nächsten Spiel um ein außergewöhnliches handelt. Keine Sprechchöre beim Training, keine Menschen auf der Straße, die ihm Mut zusprechen. Auch keine anstachelnden Nachrichten in den sozialen Netzwerken. "Kann ja sein, dass ich mich irre", sagt der Stürmer des FC Augsburg, "aber ich nehme es nicht so wahr, dass es ein Derby ist". Das Spiel beim FC Bayern am Sonntag, bei dem es sich also ausdrücklich nicht um so etwas wie das bayerische Derby handelt, ist laut Niederlechner einfach nur "das schwerste der Saison". Vielleicht ist er also wieder als Motivator seiner Kollegen gefordert.

Die Saison des Angreifers Niederlechner, 29, ist eine durchaus eigenartige. Er selbst ist so gut wie noch nie in seiner Laufbahn: Elf Tore hat er geschossen und neun vorbereitet, noch eine Torbeteiligung fehlt ihm, um den sogenannten Scorerrekord in der bald neun Jahre langen Bundesligageschichte seines Klubs einzustellen. Außerdem ist er im Pressing wohl einer der wuchtigsten Stürmer der Liga, wie gemacht für Umschaltfußball. Niederlechner spielt so aufsehenerregend, dass sein Trainer Martin Schmidt vor ein paar Tagen sogar eine Frage nach einer möglichen nahen Zukunft des Stürmers in der Nationalelf beantworten musste und unter anderem sagte: "Die werden sicher eine Backup-Liste haben und da ist auch der Flo drauf."

Eigenartig ist dieser Höhenflug deshalb, weil Niederlechner davon unbeeindruckt zu sein scheint, dass seine Mannschaft eine wechselhafte Spielzeit absolviert. Während es bei ihm läuft, stockt es beim FCA gerade mal wieder. Am vergangenen Wochenende führte das nicht zum ersten Mal in den vergangenen Monaten zu der Situation, dass Niederlechner seine Kollegen von seinem Gemütszustand zu überzeugen versuchte. Augsburg hatte gerade 2:3 gegen Borussia Mönchengladbach verloren. Aber er stand nach dem Schlusspfiff laut eigener Aussage in der Kabine und sprach nur über Positives. "Es ist klar, dass bei unseren Ergebnissen in der Rückrunde das Selbstvertrauen nicht das Größte ist. Aber die zweite Halbzeit gegen Gladbach sollte uns Mut machen", sagt er.

Augsburg hat in der Rückrunde erst vier Punkte geholt und dabei genau wie in den ersten Wochen der Hinrunde zweimal mit fünf Gegentoren verloren. Niederlechner erklärt diese Bilanz nicht ganz zu unrecht mit dem Spielplan, der zuletzt neben Begegnungen mit Gladbach auch solche mit Leverkusen und Dortmund vorsah. Doch es wiederholen sich eben auch immer wieder eigenartige Torwartfehler von Tomas Koubek, Anfälligkeiten der Abwehr bei Pässen in die Tiefe und Schwächen bei eigenem Ballbesitz. Taktisch, sagt Niederlechner, "glaube ich nicht, dass sich unser Spiel im Vergleich zum Ende der Hinrunde großartig verändert hat". Zum Ende der Hinrunde, zur Erinnerung, gewannen die Augsburger fast jedes Spiel.

Duell gegen Bayern wandelte in der Hinrunde die Formkurve

Nach Niederlechners Theorie müsste Augsburg also von jetzt an wieder erfolgreich werden. In der Hinrunde war es auch das Spiel, das ausdrücklich nicht das bayerische Derby ist, das die Formkurve der Mannschaft verwandelte. Gegen den FC Bayern spielte der FCA 2:2 und verlor danach bis zur Winterpause nur noch zweimal, einmal unglücklich gegen Schalke, einmal beim damaligen Tabellenführer Leipzig. Trainer Schmidt klingt allerdings hinsichtlich einer Trendwende eher verhalten optimistisch. In der Pressekonferenz zum Spieltag sagte er: "Mit etwas Glück und Zuversicht und mit viel Kampf und Leidenschaft können wir auch in München ein Pünktchen abkratzen."

Niederlechner selbst hat auch nicht gerade eine hoffnungsvolle Bilanz in Auswärtsspielen beim FC Bayern, in zwei Begegnungen mit dem SC Freiburg lautet die kumulierte Tordifferenz 1:9. Es könnte sich für ihn aus einem anderen Grund um eine besondere Partie halten. Der gebürtige Ebersberger, der im vergangenen Sommer auch nach Augsburg wechselte, weil er der Heimat wieder nah sein wollte, spielte in der Jugend für den TSV 1860 und sagte vor zwei Jahren mal, er sei immer noch ein "Sechzger durch und durch". So weit, dass er den FC Bayern deshalb eventuell nicht besonders mögen könnte, will er aber nicht gehen. Und es gibt da noch eine Sache, die ihm etwas zu weit geht.

Florian Niederlechner ist ein sehr angenehmer Gesprächspartner, er erzählt gerne und gut. Man weiß inzwischen zum Beispiel, dass er vor rund zehn Jahren, als er noch in der Landesliga spielte, nicht an Bundesligafußball dachte und - nach eigener Aussage im Bundesliga-Radio von Amazon - "am Tag fünf Latte Macchiato" trank. Doch wenn er in diesen Tagen auf die Nationalelf angesprochen wird, dann sagt er: "Jetzt ist es auch mal genug."

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SZ vom 07.03.2020
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