Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Der deutsche Fußball muss sich neu sortieren

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Das zeigt die dünne Europapokal-Bilanz der Bundesligisten. Die Antworten auf die Misere liegen zwischen dem alten Geld der Bayern und dem neuen Geld der Leipziger.

Kommentar von Christof Kneer

Als Weißbier ist man ja eine Menge gewohnt von den Bayern, dieses aber nicht: dass man bei minus fünf Grad im Freien zur Ausschüttung kommt. So lautet die amtliche Wettervorhersage für Leipzig, Sonntag, 20 Uhr - für jenen Zeitpunkt, an dem der FC Bayern unter Umständen bereits offiziell Meister sein könnte. Zu den Umständen zählt etwa, dass Dortmund ein paar Stunden vorher nicht gewinnen dürfte, aber dass Dortmund nicht gewinnt, kann man sich im Moment so prima vorstellen wie schon lange nicht mehr. Außer Kälte werden übrigens auch Schnee und Wind erwartet, wenn/falls der FC Bayern nach einem Sieg in Leipzig seine Weißbiergläser zückt. Ausnahmsweise kann dafür aber nicht die ansonsten bestimmt sehr schuldige Klimaerwärmung zur Rechenschaft gezogen werden, sie kann nichts dafür, dass das Weißbier diesmal on the rocks verspritzt werden müsste.

Schuld ist der FC Bayern selbst, er ist einfach zu gut. Und schuld ist auch die Bundesliga-Konkurrenz des FC Bayern: Sie ist einfach nicht gut genug.

Der Schneegipfel von Leipzig passt wunderbar ans Ende dieser Woche. Bei minus fünf Grad werden sich die letzten beiden deutschen Teams treffen, die sich in Europa als winterfest erwiesen haben. Beide Teams haben es ins Viertelfinale ihrer Europacups geschafft, stehen damit allerdings nicht stellvertretend für den deutschen Fußball, der sich ansonsten in irritierender Einheitlichkeit von der europäischen Idee verabschiedet hat.

Für die letzten paar Saisonwochen wird der deutsche Fußball nun also von zwei Teams vertreten, die wegen ihrer ideologischen Radikalität kaum zum Vorbild taugen: Die einen - die Bayern - glauben an keine übergeordnete sportliche Idee, außer jener, dass die besten Fußballer schon irgendwie den besten Fußball zustande bringen werden; die anderen - die Leipziger - glauben so militant an eine sportliche Idee (Tempo, Pressing, Toptalente), dass sie schwer zu kopieren ist; zumal es zur Umsetzung der Idee ein paar Extramillionen aus österreichischer Fabrikation braucht. Daran glauben Münchner und Leipziger übrigens gemeinsam: dass viel Geld ein praktisches Argument ist, um jene Spieler zu überzeugen, die man für die eigene Ideologie (Leipzig) bzw. Nichtideologie (Bayern) braucht.

Zwischen diesen beiden Extremen, zwischen dem alten Geld der Bayern und dem neuen Geld der Leipziger, muss der deutsche Fußball nun seine Sortierungsarbeiten beginnen, inklusive der einst so faszinierenden Dortmunder, die dem europäischen Topfußball gerade verloren zu gehen drohen. Die dünne deutsche Euro-Bilanz jenseits des dicken FC Bayern ist kein Zufall mehr, diese Art von Zufällen gibt es auf Dauer nicht, außer bei den Auslosungen, bei denen der FC Bayern zufällig immer das freundlichste Los erwischt. Zwar darf die Bundesliga für sich in Anspruch nehmen, dass sie diesmal versehentlich Hoffenheim, Hertha, Köln und Freiburg nach Europa entsandt hatte - Teams, von denen man die Rettung der Bilanzen nicht erwarten darf. Dennoch zeigt das Muster der Enttäuschungen, dass der deutsche Liga-Fußball dringend Antworten finden muss auf die Herausforderungen von den anderen Märkten.

Natürlich stellen die monströsen Summen, die im Umlauf sind, eine Bedrohung dar, weil sie dazu führen können, dass man wie Schalke 04 geplündert wird oder dass man es wie der BVB nicht immer schafft, die eingenommenen Abermillionen wieder kreativ in den eigenen Kader zu investieren. Darin liegen aber auch die Chancen für deutsche Klubs: dass sie das fremde Geld künftig besser nutzen und perspektivisch auf die Qualitäten einer Trainergeneration Tuchel/Tedesco/Nagelsmann/Hasenhüttl/Kovac vertrauen, die das Ausland so nicht zu bieten hat.

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Quelle:
SZ vom 17.03.2018
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