Süddeutsche Zeitung

Borussia Dortmund:Im Eiltempo raus aus der Tristesse

Lesezeit: 3 min

Die Aussichten für den BVB haben sich in kurzer Zeit komplett gewendet. Nach dem Sieg in Leverkusen ist das Team zurück im Champions-League- und Titelrennen - und gibt Trainer Terzic dennoch Anlass für einen Monolog mit vielen Fragezeichen.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Es war ein langer, harter Winter für die Fußballer von Borussia Dortmund. Wo auch immer sie ihr tristes Dasein fristeten, ob in Luxusresorts auf paradiesischen Inseln oder später mit dem Klub im Trainingslager an der spanischen Mittelmeerküste in Marbella, jedes Mal, wenn sie auf ihren Smartphones die Bundesliga-Tabelle aufriefen, entdeckten sie ihren BVB auf dem deprimierenden sechsten Platz mit entmutigenden neun Punkten Rückstand zum Tabellenführer Bayern München. "72 Tage", erinnert sich der Trainer Edin Terzic, "mussten wir uns das angucken." Man sieht ihn förmlich vor sich, wie er an eine kalte Steinwand mit einem Stück Kreide einen Strich machte für jeden dieser vermaledeiten Tage.

Am Sonntagabend in Leverkusen sind die Dortmunder endgültig ausgebrochen aus ihrem Winterfrust. Die Leidenszeit war lang, aber als die Saison weiterging, haben sie nur acht Tage gebraucht, um auf einen Champions-League-Platz zurückzukehren - und der Rückstand zu den Bayern beträgt sogar nur noch drei Punkte. Nach einem 4:3 gegen den FC Augsburg, einem 2:1 beim FSV Mainz und nun diesem 2:0 bei Bayer Leverkusen ist der BVB im Eiltempo zurückgekehrt ins Champions-League- und Titelrennen.

Als der ebenso souveräne wie verdiente Sieg in Leverkusen perfekt war, philosophierte Terzic mithin über die Zeit, die sich verdichten und sich hinziehen, die aber auch befreien kann. "Kurz vor der Winterpause haben wir uns binnen vier Tagen alles ein bisschen kaputt gemacht", erinnerte sich Terzic an die beiden Niederlagen im November in Wolfsburg und Mönchengladbach, "jetzt sind wir zurück in einer ganz engen Konstellation da vorne, und der Rückstand zu den für uns wichtigen Plätzen hat sich sogar verringert."

Die Dortmunder Bank ist bestens besetzt und auch Sébastien Haller ist zurück

Terzic lobte nach dem 2:0-Erfolg seine komplette Mannschaft für eine höchst seriöse Verteidigungsarbeit gegen stets brandgefährliche Leverkusener. Der Trainer hatte einen unbezwingbaren Torwart Gregor Kobel gesehen, zwei ungewohnt besetzte, aber umso effektivere Außenverteidiger Marius Wolf (rechts) und Julian Ryerson (links), einen sehr präsenten Sechser Emre Can, einen wieder sehr kreativen Achter Jude Bellingham und schließlich einen Außenstürmer namens Karim Adeyemi, von dem man in Dortmund schon gar nicht mehr wusste, ob die 30 Millionen Euro, die man im vergangenen Sommer an RB Salzburg bezahlt hatte, wirklich angemessen waren.

Das kann auch jetzt nicht abschließend beurteilt werden, aber man weiß seit Sonntag, dass dieser 21 Jahre alte gebürtige Münchner auch in der Bundesliga Tore schießen kann. Er erzielte in der 33. Minute mit seinem Debüt-Treffer die 1:0-Führung und ist überdies willens sowie in der Lage, gegen die schnellsten Stürmer der Liga zuverlässig mit zu verteidigen. Adeyemi hat am Sonntag erstmals auf dem linken statt auf dem rechten Flügel gespielt, um die schnellen Leverkusener Moussa Diaby und Jeremie Frimpong zu binden - und er tat genau, wie ihm geheißen. Darüber war Terzic im Positiven vielleicht sogar ein bisschen perplex, aber das ließ er sich nicht anmerken. "Ich sehe bei Karim eine stete Entwicklung", sagte der Trainer, aber er lässt Adeyemi auch keine andere Wahl mehr, denn wer nicht mehr spurt, wird beim BVB nicht mehr in der Startelf stehen, im schlimmsten Fall nicht mal mehr im Kader.

Borussia Dortmund hat seine Speicher in der Winterpause aufgefüllt. Die Verletzten sind nahezu alle wieder fit. "In Leverkusen", sagt Terzic, "hatten wir, glaube ich, die beste Bank, die Borussia Dortmund jemals hatte." Auf dieser Bank saßen bei Spielbeginn: Marco Reus, Mats Hummels, Raphaël Guerreiro, Giovanni Reyna, Donyell Malen, Anthony Modeste und Youssoufa Moukoko. "Bei so viel Auswahl sind es für mich harte Entscheidungen", sagt Terzic, "aber das ist mir viel lieber, als wenn sich die Mannschaft fast von alleine aufstellt." Die Routiniers Hummels und Reus beispielsweise kamen erst in der 85. Minute ins Spiel.

Und dann war da ja auch noch das Startelf-Debüt des Franko-Ivorers Sébastien Haller, der nach seiner langwierigen Hodenkrebs-Erkrankung nun erstmals für die Dortmunder vollumfänglich zur Verfügung steht. "Wie er die Bälle verlängert, die Abwehr beschäftigt und für Entlastung gesorgt hat, das war richtig, richtig gut", lobte Terzic.

Der BVB-Trainer hatte aber auch mahnende Worte im Gepäck, nur eine knappe Stunde nach dem Sieg in Leverkusen hielt er einen Monolog mit wahnsinnig vielen Fragezeichen: "Jetzt geht es darum: Sind wir bereit, den nächsten Schritt zu gehen? Oder machen wir jetzt weniger? Müssen wir in zwei Wochen wieder darüber reden, dass wir Punkte aufholen müssen? Oder bleiben wir mit dem Fuß auf dem Gaspedal und machen genau so weiter? Auf uns wartet als Nächstes ein extrem schwieriges Heimspiel gegen den SC Freiburg, und da müssen wir weitermachen."

Es mag ein langer, harter Winter gewesen sein für die Dortmunder, aber es wird auch ein langes, hartes Frühjahr, denn am 18. Spieltag einer Saison ist erfahrungsgemäß noch nichts gewonnen.

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