Süddeutsche Zeitung

Chronik des 34. Spieltages:Bittere Tränen in Bremen

Lesezeit: 3 min

Große Dramatik im Abstiegskampf, am Ende steht fest: Bielefeld hält die Klasse, Köln geht in die Relegation - und Bremen muss in die zweite Liga.

Von Carsten Scheele

Vor dem Anpfiff

Die Ausgangslage: Arminia Bielefeld auf Rang 15 (32 Punkte), Werder Bremen auf Platz 16 (31 Punkte), der 1. FC Köln auf Rang 17 (30 Punkte). Bielefeld kann sich mit einem Sieg in Stuttgart selbst retten, Bremen (zu Hause gegen Gladbach) und Köln (gegen Schalke) sind auf fremde Hilfe angewiesen. Köln kann den direkten Abstiegsplatz nur verlassen, wenn Bielefeld und Bremen nicht gewinnen.

Personell hatte Werder Bremen kurzfristig am ganz großen Rad gedreht. Trainerwechsel, Kohfeldt weg, Schaaf wieder da. Ja, tatsächlich steht Thomas Schaaf nach achtjähriger Abstinenz wieder als Chef vor der Bremer Bank. Er installiert im Mittelfeld eine Raute (klar!), nominiert für sein Team aber weder Johan Micoud noch Mesut Özil, Tim Borowski oder Claudio Pizarro.

300 Kilometer weiter südlich verzichtet Schalke (bereits abgestiegen) in Köln auf die Dienste von Mark Uth. Der Stürmer ist vom Effzeh nach Schalke ausgeliehen und soll als gebürtiger Kölner davor bewahrt werden, seinen Herzensklub in die zweite Liga schießen zu müssen ("zum Schutz des Spielers und des Vereins", Quelle: Schalke-Statement). Und sonst? Natürlich Abstiegskampfrhetorik. "Die Mannschaft hat sich gegenseitig gepusht", verrät Kölns Trainer Friedhelm Funkel vor dem Anpfiff. Klarer Vorteil Köln, also.

20. Minute: Werder liegt zurück

Für Werder sieht's ganz früh ganz schlecht aus (hat sich offenbar nicht gepusht). Früher Rückstand, nach drei Minuten. Lars Stindl trifft für Gladbach, Bremen braucht eine Viertelstunde, um sich zu erholen: Dann die erste Chance, Davie Selke ganz frei, scheitert am eigentlich bereits ausgespielten Torwart Yann Sommer. Kann teuer werden am 34. Spieltag. Die direkte Rettung scheint für Werder weit weg, da sich Bielefeld bislang schadlos hält (0:0 in Stuttgart). Gleicher Zwischenstand bei Köln gegen Schalke.

Halbzeit: Bremen und Köln in Not

Stand jetzt wäre Arminia Bielefeld gerettet (33 Punkte), Werder in der Relegation (31 Punkte), Köln abgestiegen (31 Punkte, schlechteres Torverhältnis). Etwas glücklich für Bielefeld, da Stuttgarts Sasa Kalajdzic bei seinem vermeintlichen Treffer nur knapp im Abseits weilt. Zurückgepfiffen wird er aber trotzdem. Für Köln ist sogar die direkte Rettung möglich, müsste aber langsam mal treffen. Im Sky-Studio orakelt Experte Didi Hamann: "Um den Abstieg werden heute Zentimeter entscheiden."

60. Minute: Weitere Gegentore für Bremen

Es wird richtig heikel, und zwar für Werder. Gladbach stellt erst auf 2:0, dann auf 3:0 (Torschützen Thuram und Bensebaini). Heißt für Bremen: Wenn das Team von Interimscoach Thomas Schaaf dieses Spiel nicht noch dreht (Tendenz: sehr unwahrscheinlich), darf Köln auf gar keinen Fall gewinnen. Ob Schaaf nun endlich den Ernst der Lage erkennt und Micoud und Pizarro bringt?

66. Minute: Bielefeld trifft!

Plötzlich zeichnet sich ein großer Gewinner ab: Arminia Bielefeld! Fabian Klos mit dem vermutlich wichtigsten Elfmetertor seiner Karriere (66.), ganz lässig links unten ins Eck. Das bedeutet: Bielefeld wäre aktuell gerettet, wer hätte das gedacht? Bremen zittert weiter. Und Köln? Braucht! Endlich! Ein Tor!

70. Minute: Köln-Treffer wird aberkannt

Und! Da! Ist! Das! Tor! Ein Treffer von fragwürdiger Schönheit, die lange Flanke von Hector fliegt an allen Beteiligten vorbei, Sebastian Andersson drückt den Ball über die Linie. Oder doch nicht? Schiedsrichter Daniel Siebert schaut sich seeeehr lange die Videobilder an, entscheidet dann: Foulspiel an Schalkes Salif Sané, der von Salih Özcan (knapp im Abseits) regelwidrig geblockt wurde. Kein Tor wegen Abseits also. Kölns Sportdirektor Horst Heldt kann es nicht fassen. Drama!

Und die anderen? Bremen liegt schon 0:4 hinten (Micoud hilft nun auch nicht mehr). Bielefeld führt 2:0 in Stuttgart und kann sich auf ein weiteres Jahr erste Liga freuen.

86. Minute: Jetzt zählt das Tor!

Köln braucht ein Tor, wir konkretisieren: ein reguläres. Max Meyer zieht ab, aber Ralf Fährmann hält. Kann das wahr sein? Steigt der FC durch ein nicht-anerkanntes Tor ab? Ein VAR-Abstieg? Ausgerechnet durch den Kölner Keller? Nein, der Effzeh kämpft weiter, Hector rettet den Ball vor der Auslinie und flankt - passgenau auf den Kopf von Sebastiaan Bornauw (86.), der kraftvoll einwuchtet. Tor? Der Blick geht zu Schiedsrichter Siebert, doch diesmal kein Zweifel: Der Treffer zählt! Köln überglücklich; aus den Boxen dröhnt "Kölle Alaaf". Ist das der Relegationsplatz und die späte Chance, doch noch in der ersten Liga zu bleiben?

Abwarten, Bremen dreht ganz spät auf, statt 0:4 steht es plötzlich 2:4 (Torschützen Rashica und Füllkrug). Die werden doch nicht...?

Nachspielzeit: Werder zittert und bangt

Mit einem Bremer Sieg wird es nichts mehr, das Aufbäumen kommt zu spät. Also gehen die Stoßgebete Richtung Schalke: Nur ein Tor der bereits abgestiegenen Gelsenkirchener könnte Werder noch retten, das seit 1981 nicht mehr zweitklassig gespielt hat. Schalke versucht alles, daran liegt es nicht, sogar Torwart Fährmann stürmt nun mit. Von den fünf Minuten Nachspielzeit sind noch drei übrig.

Noch zwei Minuten.

Noch eine Minute.

Schlusspfiff: Bremen ist abgestiegen

Es ist vorbei. Werder Bremen steigt ab, als zweites Team neben Schalke, absolute Stille im Weserstadion. Hier und da fließen Tränen. Thomas Schaafs Rettungsmission ist auffallend deutlich gescheitert. Dies sei "ein trauriger Tag für die ganze Stadt, den Verein und die Fans", sagt Kapitän Niklas Moisander bei Sky.

Arminia Bielefeld, das als Abstiegskandidat Nummer eins galt, ist dagegen gerettet, Köln darf immerhin in die Relegation. Hier geht es schon am Mittwoch weiter gegen den Dritten der zweiten Liga, der Gegner wird am Sonntag ausgespielt.

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