Süddeutsche Zeitung

Rückschlag für Köln:"Was weiß ich, sollen sich die Experten drüber streiten"

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Der 1. FC Köln verliert 1:4 gegen Freiburg und erleidet einen schweren Rückschlag im Kampf um den Klassenverbleib. Ärger gibt es wegen eines Handspiel-Pfiffs.

Von Philipp Selldorf, Köln

Je mehr die Saison aufs Ende zusteuert, desto häufiger streben die Fans aus dem Wohnzimmerexil an die Schauplätze, um doch noch irgendwie an den Entscheidungen teilzunehmen. In Köln erschien am Sonntagnachmittag die halbe Südkurve zur Unterstützung beim Spiel gegen den SC Freiburg. 90 Minuten sangen und lärmten sie vor den Türen, aber helfen konnten sie ihrer Mannschaft damit nicht. Die Freiburger nahmen durch einen 4:1-Sieg die Punkte mit, und die Kölner verabschiedeten ihr Publikum mit traurigen Tönen aus den Stadionboxen. "Leckens am Asch" hieß das Lied, eine kölsche Hymne für Gestrauchelte. Die Niederlage ist ein schwerer Rückschlag im Kampf um den Klassenverbleib, in dem der FC zuletzt mit zwei Siegen hintereinander verheißungsvoll vorgelegt hatte.

Das Resultat gibt den Spielverlauf nicht wieder, der Sportclub erzielte zwei der vier Treffer durch Konter in der sechs Minuten dauernden Nachspielzeit. Letztlich entschied außer einem von Ondrej Duda verschossenen Foulelfmeter, der den Ausgleich gebracht hätte (61.), ein forensischer Blick auf Jonas Hectors Oberarm über den Ausgang der tendenziell ausgeglichenen Partie: Beim Stand von 1:2 hatte Hector in der 91. Minute dem Mitspieler Jan Thielmann den Ball zum Einschuss vorgelegt, Thielmann traf perfekt, aber in den Kölner Jubel mischte sich der Einspruch von Schiedsrichter Marco Fritz. Der Vorbereiter habe den Arm eingesetzt, argumentierte der Aufseher, eine höchst umstrittene Entscheidung. Ob der Ball ober- oder unterhalb der gesetzlich relevanten T-Shirt-Linie den Arm berührt hatte, war kaum auszumachen.

Ein vermeintliches Handspiel wird für die Kölner zum Aufreger

Hector reklamierte, er habe die Schulter eingesetzt, und klagte über die ungewisse Rechtslage: "Schwer zu entscheiden, weil man ja nicht weiß, was ist Handspiel und was nicht. Ich habe dann nachgefragt, wie die Handspielregel ist, das konnte er mir nicht sagen." Trainer Friedhelm Funkel berichtete aus seinem Zwiegespräch mit Fritz, dieser habe eine eindeutige Botschaft aus dem Video-Keller empfangen: "Klares Handspiel, musst du dir nicht anschauen." Hector rang das nur Resignation ab: "Was weiß ich, sollen sich die Experten drüber streiten."

Die Trübsal und den juristischen Hader hätten sich die Kölner allerdings auch sparen können, wenn sie in den 90 Minuten zuvor angemessen aufgetreten wären, doch richtig mitgespielt hatte der FC erst ab der zweiten Halbzeit, als der Sportclub bereits 2:0 führte. In der ersten Hälfte spielte Funkels Mannschaft nicht Fußball, sondern Verstecken. Keiner wollte den Ball haben, niemand wagte einen entschlossenen Vorstoß. Wenn Abwehrchef Raphael Czichos oder die Aufbauspieler Ellyes Skhiri und Hector einen Abnehmer fürs offensive Zuspiel suchten, bestand die Lösung meistens im Rückpass zum Torwart.

Aus einem dieser Rückpässe entstand das 0:1 für die zwar konzentriert auftretenden, aber nicht allzu stürmischen Freiburger. Skhiri spielte den Ball im Strafraum zu kurz, das daraus folgende Chaos nutzte Mittelstürmer Nils Petersen (18.). Nur zwei Minuten später luden die konfusen Kölner die Freiburger ein zweites Mal ein - Ermedin Demirovic profitierte von Vincenzo Grifos Vorarbeit. "Viel zu einfach hergegeben" habe man die Tore, sagte Hector, "die Intensität war schlecht". An Stelle der Courage aus den vergangenen Partien machten sich Angst und Zaghaftigkeit breit.

Dem FC droht im Abstiegsfall ein Aderlass im Profikader

Den ersten Torschuss setzten der FC in der zweiten Halbzeit, und dies gleich mit Erfolg. Nach Sebastian Anderssons Treffer (49.) traten die Kölner - endlich - wie ein Team auf, das um den Klassenverbleib kämpft, Freiburg hielt dagegen und geriet dennoch in die Defensive. Doch nach dem vertanen Strafstoß - Duda war weggerutscht - ließ der Druck der Hausherren wieder nach, erst in den Schlussminuten kamen sie mit merklicher Verzweiflung wieder nach vorn.

Die Saison entscheidet sich für die Kölner nun in zwei Zitterpartien, begleitet von ungewissen Zukunftsfragen. Die Ligazugehörigkeit hat logischerweise Auswirkungen auf die extrem angespannte Finanzlage und damit auch auf die Besetzung der Mannschaft. Ein Ausverkauf der wertvollsten Profis droht dem FC auf jeden Fall, es geht jetzt aber um die Bedingungen der Auktion. Die Trainerfrage soll trotzdem in Kürze geklärt werden: Ex-Coach Peter Stöger gab in Wien bekannt, dass er nicht zum Klub zurückkehren werde. Favorit ist stattdessen Steffen Baumgart, der sein Engagement in Paderborn beenden wird. Für Baumgart gibt es jedoch mehrere Bewerber, er erklärte, seinen Beschluss zügig bekanntgeben zu wollen.

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