Süddeutsche Zeitung

Borussia Dortmund:Neues aus dem Feinkostladen

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Der BVB verliert Jadon Sancho ans große Manchester United, holt dafür aber Donyell Malen aus dem kleinen Eindhoven. Dort hat ihm der Trainer Roger Schmidt einiges beigebracht, das er in Dortmund gut gebrauchen kann.

Von Christof Kneer, München

Vier Trainer lagen zwischen Roger Schmidt und Marco Rose, aber in Salzburg ist das kein großes Problem. Würde man beispielsweise beim Hamburger SV über vier aufeinanderfolgende Trainer reden, könnte man sicher sein, dass diese vier Trainer fünf verschiedene Spielstile pflegen oder - noch wahrscheinlicher - dass mindestens einer der Kandidaten gar keinen Spielstil hat. Auf die Trainerbank in Salzburg hingegen kommt nur, wer ein Gelübde auf die Idee der Stil-Ikone Ralf Rangnick ablegt, und das könnte nun für Donyell Malen, der noch nie in Salzburg spielte, ein ziemlicher Vorteil sein.

Bei Borussia Dortmund haben sie Malens Transfer inzwischen bestätigt, der 22-Jährige unterschrieb einen Vertrag bis 2026 und trainierte am Dienstag erstmals mit der Mannschaft. Etwa 30 Millionen Euro soll der niederländische Stürmer kosten, solche Summen hört man nie gern als Spieler, weil die Leute bei diesem Preis immer davon ausgehen, dass man ein Fallrückziehertor erzielt, zu dem man sich selber die Flanke geschlagen hat. Genauso kann es ein zwiespältiges Kompliment sein, wenn man als Nachfolger des grundsätzlich großartigen Jadon Sancho gilt. Malen, 22, nimmt also einen gewissen Lieferdruck mit an seinen neuen Ort, aber er hat den großen Vorteil, dass er den neuen Trainer schon ein bisschen kennt, obwohl er ihn gar nicht kennt.

Donyell Malen kommt aus Eindhoven nach Dortmund, er kommt vom Trainer Roger Schmidt zum Trainer Marco Rose. Bei diesen Trainern handelt es sich keineswegs um dieselbe Person, aber in ihrer Sozialisierung sind sich beide doch sehr ähnlich. Beide sind dem großen Fußball vor allem in Salzburg begegnet, Schmidt war dort zwischen 2012 und 2014 ein führendes Mitglied in der Glaubensgemeinschaft der Rangnickianer, Rose zwischen 2017 bis 2019. Beide haben erlebt, dass der Alte auch mal schimpft, wenn sie zu viel mit Ball trainiert haben, beide folgen bis heute in unterschiedlicher Ausprägung und Radikalität den Spielprinzipien von RangnickBall Salzburg. Donyell Malen habe es "sicher gut getan, die Intensität unter Roger Schmidt zu erleben", sagt Jörn Wolf, einer von Schmidts Assistenten bei der PSV Eindhoven. Das sei "sicher eine gute Vorbereitung für Dortmund".

In Eindhoven hat sich der Künstler Malen aus einer langen Verletzungspause zurück gekämpft

Wenn die Sache so läuft, wie sich alle Parteien das erhoffen, dann war Roger Schmidts Fußball das perfekte Trainingslager für Dortmunds Neuen. In Eindhoven hat sich der zuvor eher vom Geniegedanken geleitete Malen jene Intensität und Mannschaftsdienlichkeit angeeignet, ohne die einen heute kein ambitionierter Trainer mehr davonkommen lässt. So darf Marco Rose nun einen Spieler in Empfang nehmen, der sich aus einer schweren Knieverletzung im Oktober 2019 zurück gekämpft und mit dem Ernst des Sportlerlebens bereits Bekanntschaft gemacht hat. Jörn Wolf kann sich noch erinnern, wie erleichtert Spieler und Klub waren, als sie feststellten, dass die schwere Verletzung kein km/h Geschwindigkeit und keinen Funken Explosivität gekostet hat. Heikle Momente sind das im Leben eines solchen Spielers, Arjen Robben hat mal anschaulich erklärt, wie er sich nach seinen Comebacks immer als Erstes die Sprintwerte anschaut, um sich zu vergewissern, dass er noch der Robben ist, der er sein möchte.

Donyell Malen ist ein rasend schneller Offensivspieler, der anders als Robben und auch anders als Sancho keine zwingende Vorliebe für den Flügel hat. "Donyell kann am Flügel spielen, aber noch wirkungsvoller ist er in der Mitte, er kann direkt in der Spitze oder auch hinter einer Spitze spielen", sagt Wolf, "sicher hat ihn auch seine Flexibilität für den BVB so interessant gemacht." Malens Abschlussstärke sei "brutal", sagt er, "wenn Donyell mit rechts frei zum Schuss kommt, ist es in der Regel ein Tor". In der vergangenen Saison hat Malen in 31 Spielen 19-mal getroffen, er könnte beim BVB also eine sehr fürchtenswerte Doppelspitze mit Erling Haaland bilden. Mit der praktischen Fußnote, dass er Haaland vorübergehend auch ersetzen könnte - falls Roman Abramowitschs FC Chelsea doch noch eine Summe in Haaland investieren möchte, die ein paar Nullen zu viel hat, um sie zurückzuweisen.

Der Stürmer der übernächsten Generation steht bereits im Kader: der immer noch erst 16-jährige Moukoko

So taugt die Personalie "Malen" zur exemplarischen Transaktion auf dem Transfermarkt, der durch Corona zwar viele Millionen verloren hat, nicht aber seine grundsätzliche Logik. Wenn Jörn Wolf davon spricht, dass der BVB "der logische nächste Schritt, das logische nächste Level" für Malen sei, dann beschreibt das ziemlich genau die europäische Nahrungskette. Der BVB kann (und möchte) es nicht verhindern, wenn Manchester United Jadon Sancho wegkauft; die PSV Eindhoven kann (und möchte) es nicht verhindern, wenn der BVB dann seinerseits Donyell Malen stibitzt. Das ist das Muster eines Marktes, in dem bis auf eine Handvoll Klubs alle anderen zu Ausbildungsvereinen geworden sind, wenn auch auf unterschiedlichen Niveaus.

Der BVB hat sich das Image des Feinkostladens erarbeitet, in Dortmund können nur noch die Klubs mit der besonders goldenen Kreditkarte shoppen gehen. Sie kaufen dann für sündhafte Tarife Ousmane Dembélé, Jadon Sancho und irgendwann wohl Erling Haaland. Gut möglich, dass der BVB in zwei oder drei Jahren auch seinen berühmten Torjäger Donyell Malen wieder verliert, aber vielleicht müssen sie dann gar nicht mehr zum Einkaufen nach Eindhoven. Youssafa Moukoko, ein Mittelstürmer der übernächsten Generation, ist ja bereits beim BVB, und er wird in zwei, drei Jahren auch erst 18 oder 19 sein.

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