Süddeutsche Zeitung

Frau als Trainerin in der NBA:Und plötzlich schreibt Becky Hammon Geschichte

Lesezeit: 4 min

Während Dennis Schröder seinen nächsten starken Auftritt bei den Lakers hat, coacht erstmals eine Frau ein Ligaspiel im US-Profisport - es dürfte nicht das letzte Mal gewesen sein.

Von Jonas Beckenkamp

Es ging dann alles ganz schnell, aber natürlich wird dieser Moment vielen aus der Welt des Basketballs im Gedächtnis bleiben. Becky Hammon war ja selbst überrumpelt worden von den Ereignissen in der Halle der San Antonio Spurs, als es Donnerstagnacht gegen die LA Lakers ging.

Sie hatte Mitte des zweiten Viertels von ihrem Chef Gregg Popovich ein paar klare Kommandos bekommen, sammelte sich kurz mit ein paar Kratzern an der Stirn, und da stand sie mit einem Taktikbrett in der Hand: die erste Frau, die im amerikanischen Profisport eine offizielle Partie im Ligabetrieb coachte. Als Cheftrainerin.

Und die Welt drehte sich weiter, als wäre nichts gewesen: LeBron James verwandelte einen Freiwurf, die Partie wurde fortgesetzt. Möglich gemacht hatte Hammons Einsatz der alte Haudegen Popovich, 71, eigentlich Chefcoach der Spurs. Er musste wegen zwei technischen Fouls im Groll auf die Schiedsrichter die Arena verlassen, also übernahm Hammon, 43. "Er hat beim Rausgehen zu mir hingedeutet und rief: Du machst das", erzählte Hammon nach ihrem NBA-Debüt als Headcoach an der Seitenlinie.

Natürlich sei das ein "spezieller Augenblick" für sie gewesen, sagte sie, aber noch spezieller wäre er für sie gewesen, wenn sie mit den Spurs auch gewonnen hätte. Am Ende verdarben ihr die Lakers um den wieder erstklassig aufspielenden Dennis Schröder die Premiere. Der deutsche Nationalspieler kam beim 121:107 auf 21 Punkte, er leistete sich nur wenige Fehlwürfe und legte noch vier Vorlagen und vier Rebounds drauf.

Gleichzeitig erzielte James in seinem 1000. Spiel nacheinander mindestens zehn Punkte (er schaffte am Ende 26) - ein Meilenstein, natürlich. Doch die Haupterzählung der Partie drehte sich völlig zurecht um Becky Hammon.

Vollkommen überraschend kam ihr Auftritt nämlich gar nicht. Hammon gilt seit Jahren als versierte Trainerin mit Ambitionen für ganz oben. Erst im vergangenen Sommer war sie bei mehreren NBA-Klubs als Chefcoach gehandelt worden, ehe sie dann doch in Texas blieb. San Antonio scheint für sie der richtige Ort zu sein, die Spurs und ihr Präsident (diese Position füllt Popovich ebenso aus), bauen seit sieben Jahren auf ihre Qualitäten als Assistentin. In dieser Funktion erarbeitet Hammon Spielzüge, leitet das Training und tauscht sich eng mit ihrem Förderer Popovich aus.

Insgesamt ist sie sogar noch viel länger in der Stadt, denn als sie noch selbst Profi war, wirkte sie beim WNBA-Team San Antonio Silver Stars als Spielmacherin. Sie war eine der besten Passgeberinnen ihrer Zunft, wurde mehrmals Allstar, gewann Titel in Spanien und eine Bronzemedaille bei Olympia. Schon lange steht sie fürs Faktenschaffen als Frau im Männer-Sport, für eine neue Normalität, in der das Geschlecht keine Rolle spielt beim Coaching.

Im Grunde will sie, dass es langfristig "no big deal" ist, wenn sie ein NBA-Team leitet, aber dieses eine Mal war es eben doch "a big deal", weil es das allererste Mal war. "Ich bin nun seit 13 Jahren hier in San Antonio und habe viel Zeit investiert", sagte sie, "aber auch der Verein hat viel Zeit investiert und mir geholfen, besser zu werden." Tatsächlich überließ ihr der kauzige, lebenskluge Popovich schon mehrfach das Zepter in Vorbereitungsspielen und in der NBA-Summer-League. Es gilt als nicht unwahrscheinlich, dass Hammon ihn als Chefin beerbt, wenn er mit seinem Vertragsende 2022 in Rente geht.

"Sie besitzt alle notwendigen Kniffe, um in dieser Liga eine herausragende Trainerin zu sein", hatte Popovich erst kürzlich verkündet, "sie versteht das Spiel, sie weiß, wie man gewinnt und wie man ein Team führt." So klingt er eigentlich seit Jahren, wenn er über Hammon spricht. Und nicht nur er. Lobeshymnen auf sie kommen auch von vielen Profis, die unter ihr gespielt haben. Zum Beispiel der Spanier Pau Gasol, der in seiner langen Karriere zahlreiche erfolgreiche Coaches erlebte.

Es würde ihn wirklich wundern, wenn sie nicht bald Chefcoach eines Klubs würde, schrieb er vor einiger Zeit in seinem Essay "An Open Letter About Female Coaches" in der Players Tribune. "Ich sage nicht, sie kann es ganz gut oder sie kann es gut genug, um mitzuhalten. Und ich finde auch nicht, dass sie nahezu auf dem Niveau von Männern coachen kann. Ich sage: Becky Hammon kann ein NBA-Team führen. Punkt."

Ähnliche Betrachtungen lieferte jetzt auch Spurs-Aufbauspieler Dejounte Murray, der Hammon seit vier Jahren als Co-Trainerin kennt: "Ihr gehört die Zukunft. Ihr Weg ist definitiv der richtige. Wir haben alle großen Respekt vor ihr - auch weil sie für die Frauen da draußen so eine Vorbildrolle einnimmt." Hammon selbst wirkte nach der Partie gegen die Lakers gefasst und um Sachlichkeit bemüht. Sie kennt die Aufregung ja seit Jahren. Und sie erfüllt die Rolle als Vorreiterin gerne still und fachkundig, ohne groß auf die Pauke zu hauen.

"Ehrlich gesagt wollte ich in diesem Moment einfach nur das Spiel gewinnen", erzählte sie. "Ich sage das ja immer wieder: Ich versuche, meine Rolle als Frau gar nicht zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen, denn das beschäftigt einen sonst zu sehr." Ihr gehe es darum, gute Arbeit abzuliefern und den Spielern beim Gewinnen zu helfen, sie besser zu machen. Würde sie nur an sich und ihre Pionierarbeit denken, wäre sie nicht vollends bei der Sache, so sieht sie das.

Einen kleinen Einblick gab sie dann nach ihrem ersten Spiel als Cheftrainerin aber doch. "Ich hatte noch keine Zeit, das alles sacken zu lassen. Ich habe noch nicht mal Zeit gehabt, auf mein Telefon zu schauen." Sie wird nach diesem historischen Moment ein paar Nachrichten bekommen haben, das steht fest.

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