Süddeutsche Zeitung

Beachvolleyball:Ein Provokateur, der seinen Sport spaltet

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Alexander Walkenhorst, Bruder der Olympiasiegerin Kira, arbeitet wieder mit dem Deutschen Volleyball-Verband zusammen - trotz einiger Skandale.

Von Sebastian Winter, München

Das Beachvolleyball-Weltserien-Turnier in Gstaad ist für viele Athleten ein Höhepunkt im Kalender. Alpenkulisse, grandiose Stimmung, in normalen Zeiten jedenfalls, auf der Tribüne, Kuhglockengeläut auf mehr als 1000 Metern Meereshöhe. Hier versuchten die drei deutschen Nationalteams Laura Ludwig/Margareta Kozuch, Karla Borger/Julia Sude und Julius Thole/Clemens Wickler bis Freitag vergeblich, sich in jene Olympiaform zu bringen, die sie schon eine ganze Weile lang vermissen lassen. Alle schieden im Achtelfinale aus. Alexander Walkenhorst war auch dabei, fuhr aber mit seinem Partner Sven Winter schon nach der Gruppenphase des mit 300 000 Dollar Preisgeld dotierten Turniers wieder zurück in die Heimat.

Walkenhorst, 32, der ältere Bruder von Kira, die mit Laura Ludwig 2016 Olympiasiegerin wurde, ist auch ein passabler Beachvolleyballer, dreimal war er EM-Fünfter. Der ganz große Schmetterball ist ihm zwar international nie gelungen, vielleicht auch deshalb, weil ihm seine kantige Art manchmal im Weg stand. Dafür hat der 2,06-Meter-Mann sich in den letzten ein, zwei Jahren neben dem Court einen Namen gemacht - und ganz nebenbei die deutsche Beachvolleyballszene gespalten.

Der meinungsstarke, gerne mal provokative Walkenhorst kritisiert den Deutschen Volleyball-Verband (DVV) schon lange dafür, den Beachvolleyball-Boom nach den olympischen Goldmedaillen 2012 und 2016 verschlafen zu haben. Auch und gerade während der Corona-Krise, in der sich der Sport auch mangels anderer Angebote wunderbar hätte präsentieren und vermarkten lassen können. "Warum? Weil die Strukturen und die Art der Inszenierung und des Storytellings veraltet sind", schreibt er auf der Homepage seines Start-ups. Statt des DVV war Walkenhorst derjenige, der im Frühsommer 2020 erstmals seit Pandemiebeginn wieder ein Turnier auf deutschem Boden organisierte - seine private Serie, die Beach-Liga, an der auch Nationalteams teilnahmen, erregte einiges Aufsehen, vor allem auch beim jüngeren Publikum.

Penisgate, Beschimpfungen unter der Gürtellinie - Walkenhorst hat einigen Schaden angerichtet. Geschadet hat es ihm offenbar nicht

Das liegt auch daran, dass Walkenhorst sich und sein Start-up geschickt im Internet vermarktet. New Beach Order heißt es, in Anlehnung an die englische Post-Punk-Band, oder einfach nur, um zum Ausdruck zu bringen, dass da jetzt endlich etwas Neues entstehen soll in seinem Sport. Die Beach-Liga lief beim Sportsender Trops4 auf dem Streamingportal Twitch, einem bei jungen Leuten durchaus populären Dienstleister. Sein Podcast hat eine treue Anhängerschaft, die Zuhörer werden ein bisschen sektenartig Jünger genannt. Die Linie ist eh klar: Mit frech-unterhaltsamem Talk und einer ordentlichen Portion Polemik soll das jugendliche Publikum fernab des Mainstreams am Äther gehalten werden. Das klappt ganz gut bisher, Walkenhorst hat bei seinen Jüngern inzwischen fast schon Kultstatus erreicht.

Zugleich wurden die Gräben zwischen ihm und dem Verband immer tiefer, viele verstanden den Streit inzwischen auch als Kampf zwischen den Hallenvolleyball-Traditionalisten, für die der DVV viele Jahre stand, und jugendlich-individualistischen Sandsportlern, die sich nicht ernst genommen fühlten. Der ehemalige Spielervertreter Paul Becker schrieb im April einen offenen Brief, mit der klaren Botschaft: "Aufgrund der Entwicklungen der letzten zwölf Monate habe ich Angst vor einer dauerhaften Spaltung der Beachvolleyballszene in Deutschland. Zudem glaube ich, dass sich die Sportart in der Zwietracht zwischen dem Verband und der Bewegung rund um Alexander Walkenhorst in der Öffentlichkeit schlecht präsentiert - der Umgang miteinander ist peinlich."

Peinlich vor allem deshalb, weil Walkenhorsts verbale Attacken irgendwann unter die Gürtellinie gingen. David Klemperer, den Geschäftsführer der Deutschen Volleyball Sport GmbH (DVS), die die deutsche Beachvolleyball-Serie eigentlich vermarkten soll, bezeichnete er im vergangenen Sommer mal als "dummes erbärmliches Schwein"; außerdem malte Walkenhorst, der bei seiner Turnier-Serie auch als Kommentator auftritt, bei einem Spiel des Nationalduos Victoria Bieneck und Isabel Schneider vor laufender Kamera einen Phallus auf ein Blatt Papier. Bieneck und Schneider reisten daraufhin vom Turnier ab, der Vorfall ging als Penisgate durch den Boulevard.

Trotzdem hat die DVS nun die Vermarktungsrechte an der diesjährigen Serie "wegen fehlender Planbarkeit" abgegeben, bis auf Hamburg und die DM in Timmendorfer Strand. Walkenhorst hat - nach vielen Gesprächen vor allem mit dem DVV-Präsidenten René Hecht - wieder ein paar Turniere initiiert, gerade findet in Stuttgart, angestoßen vom dortigen Landesverband und von Constantin Adam, dem Manager von Borger/Sude, ein weiterer Qualifikations-Wettkampf für Timmendorf statt. Trops 4 überträgt, auch mit dem üblichen Kommentator, mit dem der Verband so lange nicht konnte. Aber ohne den es offenbar auch nicht geht. Ein zweites Penisgate wird aber selbst Walkenhorst vermeiden wollen.

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