Süddeutsche Zeitung

Bayern-Remis gegen Manchester United:Abgedriftet in den Schluffimodus

Lesezeit: 3 min

Der FC Bayern erlebt beim 1:1 in Manchester einen komischen Fußballabend und freut sich, dass am Ende zumindest das Ergebnis stimmt. Sorgen bereiten die im Rückspiel gesperrten Schweinsteiger und Martínez - und Toni Kroos.

Von Jonas Beckenkamp, Manchester

Es hatte sich angedeutet, dass die Dinge diesmal einen seltsamen Lauf nehmen würden. In Manchester, wo es gerne "cats and dogs" regnet, wehte ein warmer Wind. Die Sonne leuchtete die roten Backsteinhäuser an und es fiel den ganzen Tag kein Tropfen vom Himmel. Die Engländer und das Wetter, das ist bekanntlich fast so eine tragische Geschichte wie die Engländer und Elfmeter - aber diesmal bot das Schicksal gleich mehrere Kapriolen. In Old Trafford, jener Fußball-Traumfabrik im Südwesten der Stadt, erfüllten sich für den FC Bayern in dieser milden Frühlingsnacht nicht alle Wünsche.

Ein 1:1 (0:0) bei Manchester United also, das könne man im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League "schon mitnehmen, auch wenn wir gern gewonnen hätten", sagte Toni Kroos, der zudem feststellte, dass "wir absolut dominant waren, nur eben manchmal nicht so zwingend." Mit dieser Analyse reihte sich der Mittelfeldspieler ein in die allgemeine Stimmungslage der Münchner: Schon okay, aber nicht mehr. Dabei ist ein Remis mit einem Auswärtstor auf der Insel wahrlich kein Grund zur Tristesse - doch die Bayern erheben mittlerweile selbst den Anspruch an sich, dass Unentschieden eher nerven, egal gegen wen.

"Wir können zufrieden sein, denn wir haben eine gute Ausgangslage fürs Rückspiel", dozierte diplomatisch Philipp Lahm. Der Kapitän wusste aber auch zu berichten, woran es haperte: "Trotz viel Ballbesitz haben wir zu wenig den letzten Pass gefunden." Damit war diese eigenartige Partie treffend umrissen. Zunächst hatte alles nach der nächsten Demonstration des bayerischen Kurzpass-Kollektivs ausgesehen. Es war alles wie immer: Die Münchner kreiselten um den Sechzehner der Briten und schnürten dem Gegner die Luft ab.

Weil der sich arg einigelte und "hinten fast Handball" spielte, wie Thomas Müller monierte, ergab sich das typische Bayern-Übergewicht. Dann kam dieser verflixte Eckball, den Nemanja Vidic unbedrängt ins Tor drückte (58. Minute) - und alles war auf den Kopf gestellt. Im Stadion brüllte die Meute, als würden in ganz England die Pubs für immer schließen, plötzlich mussten die Bayern sich richtig reinhängen. Das 1:1 besorgte schließlich Bastian Schweinsteiger mit einem wuchtigen Cheftor nach Vorlage des eingewechselten Mario Mandzukic (66.).

Schweinsteiger, der seit Wochen seine verbesserte Form mit Toren unterstreicht, steckte so voller Tatendrang, dass er es am Ende noch übertrieb. Ein Fußfeger irgendwo zwischen Ball und Wayne Rooneys Schlappen bescherte ihm in der Schlussminute Gelb-Rot - und so entfachte sich nach dem Spiel eine rege Diskussion.

"Es ist okay, wir müssen damit leben", sagte Guardiola, um sich gleich selbst zu widersprechen: "Aber es ist unfair." Ähnlich empfanden die Szene andere Münchner Beobachter. "Wenn man sieht, wie Valencia (Uniteds nur mit Gelb bestrafter Außenstürmer, d. Red.) reingeht, ist das nicht nachvollziehbar", klagte Müller.

Philipp Lahm dachte schon einen Schritt weiter: "Der Platzverweis für Basti ist natürlich bitter, genauso wie die Gelbsperre für Javi Martínez." Der Spanier kassierte seine dritte Gelbe im Wettbewerb und bildet nun mit Schweinsteiger und dem verletzten Thiago ein tragisches Trio. Martínez fehlt als umsichtige Abwehrkraft, Thiago als Inspirationsquelle und Schweinsteiger als Typ. "Wir werden auch in München mit elf Leuten spielen, aber es ist sehr schade", fand Guardiola.

Einem, auf den es im Rückspiel wegen der angespannten Personallage besonders ankommt, verpasste der Trainer eine deutliche Ansprache. Nach 74 Minuten beorderte Guardiola Toni Kroos vom Feld. Der Nationalspieler war eine weitere seltsame Figur dieses Abends. Nach einem zupackenden Vortrag in der ersten Halbzeit verfiel er grundlos in den Schluffimodus und bekam dafür einiges zu hören. Guardiola fuchtelte herum, redete auf Kroos ein, ehe er ihn in die Kabine schickte. "Wir haben nur über seinen tollen Auftritt geredet", erklärte der Katalane auf Nachfrage. Wirklich? "Ja." Es folgte ein vielsagendes Grinsen.

Kroos selbst hatte eine andere Erinnerung: "Wir haben ein, zwei taktische Sachen besprochen." Bedenkt man die stockenden Vertragsgespräche zwischen dem Spieler und dem Verein sowie Kroos' Handschuhwurf nach seiner Auswechslung in Stuttgart, bieten sich ungemütliche Rückschlüsse an. Vielleicht entwickelt sich auch dieses Verhältnis in eine seltsame Richtung.

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