Süddeutsche Zeitung

Bayern gewinnt 6:0:War was?

Lesezeit: 3 min

Aus dem Stadion von Sebastian Fischer, München

Rund 20 Minuten waren vorbei in einem scheinbar gewöhnlichen Bundesligaspiel des FC Bayern, als es ungemütlich wurde. Es begann zu regnen in München. Und es gehört zu jenen so banalen wie ewig gültigen Regeln des Fußballs, dass Regen das Wetter für Außenseiter ist. Im Regen, so ist es häufig, zeigt sich etwas vom Charakter des Favoriten.

Der FC Bayern hat am Sonntagabend die Tabellenführung in der Bundesliga verteidigt, mit einem überzeugenden 6:0 (3:0) gegen den FSV Mainz 05. Es war ein Sieg mit schönen, bisweilen anspruchsvoll herausgespielten Toren, das 1:0 erzielte Robert Lewandowski mit dem Außenrist, zum 2:0 traf James Rodriguez nach einer Brustvorlage von Leon Goretzka. Beim 3:0 schoss Kingsley Coman aus der Distanz.

Und so ging's weiter: Zum 4:0 traf erneut James, nach mühelosem Dribbling und einem Schuss vom Strafraumrand. Zum 5:0 lupfte der Kolumbianer, später mit Ovationen verabschiedet, den Ball über den längst verzweifelten Mainzer Torhüter Florian Müller hinweg. Das 6:0 erzielte der eingewechselte Alphonso Davies, 18, mit seinem ersten Bundesligator.

Oft sah dieses Spiel also aus wie ein ganz gewöhnlicher Abend im Münchner Stadion in den vergangenen Jahren: ein Abend voller Dominanz und ohne erkennbare Gegenwehr. Man musste schon genau hinschauen, um zu sehen, dass es kein ganz normaler Abend war. Es war schließlich das erste Spiel nach dem Ausscheiden im Champions-League-Achtelfinale gegen den FC Liverpool am vergangenen Mittwoch. Es war das erste Spiel, nachdem Spieler öffentlich die Taktik von Trainer Niko Kovac in Frage gestellt hatten. Und es war das erste Spiel, nachdem Kovac "viele Siege" gefordert hatte, um in dieser Saison der Enttäuschung zum Trotz noch Meisterschaft und Pokal zu gewinnen. Das Spiel gegen Mainz war also eine Art Charaktertest.

Nach rund 20 Minuten, es stand bereits 1:0, waren im Stadion folgende Szenen zu beobachten: Niklas Süle spielte ohne Bedrängnis einen Fehlpass, Kovac schimpfte. Der Mainzer Jean-Paul Boetius dribbelte die Münchner Abwehr aus, bloß sein letzter Pass geriet zu ungenau. Torwart Manuel Neuer spielte Boetius danach einen Pass in den Fuß. Er hatte Mühe, den Ball zurückzuholen. Und Sandro Schwarz, der Mainzer Trainer, gestikulierte am Seitenrand plötzlich hoffnungsvoll. Waren sie das etwa, die Schwächen des Meisters? Die defensive Spielweise, die Lewandowski bemängelte? Nachlässigkeiten im Spielaufbau?

Es war eine Szene ein paar Minuten später, inzwischen beim Stand von 2:0, die diese Fragen exemplarisch beantwortete. Thiago dribbelte kurz vor der Pause durch die eigene Hälfte, verlor leichtsinnig den Ball, Kovac schimpfte. Doch der Spanier kämpfte, er gewann den Ball zurück. Und als er sich mit einer entschuldigenden Geste nach draußen wandte, da hatte er bereits den Pass auf Coman gespielt, der vorne zum 3:0 traf.

Kovac applaudierte. Der Trainer hatte seine Elf auf ein paar Positionen verändert, aber das war kaum als Antwort auf die Taktik-Debatten zu interpretieren. Thomas Müller, gegen Liverpool noch rotgesperrt, kehrte genauso wie Kingsley Coman in die Startelf zurück, der erkältete Serge Gnabry und Franck Ribéry blieben draußen. Außerdem waren im Abschlusstraining Hummels und Javi Martinez zusammengeprallt, Martinez fehlte mit einer Schädelprellung, Hummels saß auf der Bank. In der Innenverteidigung begann dafür Jérôme Boateng neben Niklas Süle, im defensiven Mittelfeld spielte Leon Goretzka.

"The show must go on", hatte der Stadionsprecher gerufen, als er die Aufstellung verlas. Und wie die Show weiterging, das war dann ein Signal an den punktgleichen Konkurrenten Borussia Dortmund. "Wir haben gezeigt, dass wir die Enttäuschung weggesteckt haben", sagte Kovac. "Man hat heute schon sehr viel Esprit gesehen, sehr viel Spielwitz." München hat nun in der Bundesliga die vergangenen drei Spiele mit einem Torverhältnis von 17:1 gewonnen - und seit sechs Spielen keinen Punkt abgegeben.

Nun war das Spiel gegen Mainzer, die von sechs Spielen zuvor fünf verloren, zu keinem Zeitpunkt ein ausgeglichenes und deshalb kein richtiger Maßstab. Der Gegenspieler von Robert Lewandowski, am Mittwoch in Virgil van Dijk noch einer der besten Verteidiger der Welt, hieß diesmal Alexander Hack und lief Lewandowski schon nach drei Minuten so weit hinterher, dass der Pole ohne Mühe sein 18. Saisontor erzielte. Die Mainzer standen mehr daneben, als sie sich wehrten, während die Münchner voller Spielfreude auf ihr Tor zuliefen.

Doch es war ein Sieg der zuletzt kritisierten Offensive. James Rodriguez brillierte phasenweise. Lewandowski wirkte nicht wie ein Spieler, der einer Titelchance in der Champions League hinterher trauert. Der Münchner Fußball funktionierte. Und so verdrängten frische Eindrücke erst einmal jene Bilder der Niederlage gegen Liverpool. "Zu sagen, der FC Bayern ist wegen dieses Spiels international nicht konkurrenzfähig, das ist mir zu weit hergeholt", sagte Präsident Uli Hoeneß.

Später am Abend regnete es zwar immer noch. Aber die Fußballer des FC Bayern, vor ein paar Tagen noch Verlierer, tanzten als Sieger vor ihren Fans.

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Quelle:
SZ vom 18.03.2019
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