Süddeutsche Zeitung

FC Bayern in der Einzelkritik:Sanés Bälle flattern wie beim Volleyball

Lesezeit: 4 min

Der Offensivspieler zeigt seine exquisite Schusstechnik, Kingsley Coman überbrückt dribbelnd das halbe Feld und Alphonso Davies wird wieder einen Platz in den Schlagzeilen bekommen. Die Bayern in der Einzelkritik.

Von Martin Schneider

Manuel Neuer

Dass vor dem Spiel das "Duell der Nationaltorhüter" kein Thema war, lag einerseits daran, dass solche Duelle sowieso nur konstruiert sind und dass es andererseits auch kein Duell mehr ist - zu unangefochten ist Neuers Stellung gegenüber ter Stegen. Und während Neuers Gegenüber das Spiel mit einem Fehlpass eröffnete und bei Sanés Tor nicht gut aussah, flog Neuer einmal bei einem harmlosen Schuss von Jordi Alba für die Galerie und holte sich einmal ein Sonderlob von Thomas Müller für einen schönen Pass ab. Immerhin - im Hinspiel schoss Barcelona gar nicht auf sein Tor.

Benjamin Pavard

Eröffnete das Spiel mit einer starken Grätsche gegen Ousmane Dembélé und immer, wenn man dachte, dass das so ein Duell sein könnte, das Barcelona zu seinen Gunsten entscheiden könnte, löste der Verteidiger eine Situation souverän oder spektakulär (siehe Foto). Ein typisches Pavard-Spiel - nach hinten sauber, nach vorne ohne große Szene.

Niklas Süle

Leistete sich ein paar seiner beeindruckenden Dribblings, in denen er seinen imposanten Körper auf Geschwindigkeit bringt und dann von hinten nach vorne durchläuft wie ein American-Football-Spieler auf dem Weg zum Touchdown (siehe Foto). Verpasste nur zweimal den richtigen Moment zum Abspiel - einmal verpassten auch seine Mitspieler den Moment, um sich freizulaufen. War in letzter Zeit nach seiner Corona-Infektion nicht Teil der Dreierkette, eigentlich spricht nichts dagegen, ihn wieder zu einem Teil zu machen.

Dayot Upamecano

Half irgendwann dem Schiedsrichter, der Probleme mit der Funktechnik hatte und wenn das in einem Spiel gegen den FC Barcelona schon die auffälligste Szene des Abwehrchefs ist, dann kann man sich viel zur Offensivleistung des Gegners denken.

Alphonso Davies

Spätestens, als er beim mythischen 8:2 des FC Bayern alleine durch ganz Barcelona sprintete und Joshua Kimmich ein Tor auflegte, kannte ihn plötzlich die ganze Welt. Hat also trotz seiner jungen Jahre schon eine Geschichte mit diesem Gegner und vermutlich wird in den zahlreichen Sportzeitungen der Stadt morgen auch nochmal Davies und speziell das Duell des Kanadiers mit dem Uruguayer Ronald Araujo thematisiert werden - der Davies in Sachen Geschwindigkeit wirklich tragisch unterlegen war. Bereitete das 3:0 von Musiala mit einem Sprint vor - lief diesmal aber nur durch halb Barcelona.

Corentin Tolisso

Stellte schon früh im Spiel fest, dass es einen Unterschied macht, ob man im zentralen Mittelfeld neben Leon Goretzka oder neben Jamal Musiala spielt. Musste im anfangs noch intensiven Pressing des Gegners viel Verantwortung übernehmen, war dem manchmal gewachsen, manchmal auch nicht. Schlug sich in den vergangenen Spielen eigentlich nicht schlecht, konnte durchaus Werbung für sich machen, aber vermutlich ist es nicht motivierend, wenn man weiß, dass Joshua Kimmich bald wieder da sein wird und man dann wieder auf die Bank wandern wird.

Jamal Musiala

Zu seiner Verteidigung: So oft hat er die Position des sogenannten Achters noch nicht gespielt. Sein bevorzugtes Habitat ist am gegnerischen Sechzehner, je enger der Raum ist, je mehr gegnerische Beine, desto besser. Auf der weiten Prärie des zentralen Mittelfeldes verlor sich gegen Barcelona dagegen zu oft seine Spur. Es wirkte manchmal so, als wüsste er gar nicht so genau, wo er hinlaufen sollte. Bezeichnend, dass er genau dann das 3:0 erzielte, als er sich ins Dickicht vorwagte und nach Davies-Pass einschob.

Kingsley Coman

Wenn er fit ist, wenn er Anlauf nehmen kann, dann ist er für jeden Gegenspieler der Welt kaum zu halten. War auf der rechten Seite oft eingebaut, weil Nagelsmann ja dieses mittlerweile bekannt schiefe System mit der freien linken Seite spielt. Als er vor dem 2:0 von Sané mal Platz hatte überbrückte er dribbelnd dann auch gleich das halbe Feld und verschaffte Sané den Raum zum Abschluss. Hatte diese Hoch-Phasen schon öfter in seiner Karriere - jetzt müssten mal seine Muskelstränge halten.

Thomas Müller

Ist und bleibt die Nemesis des FC Barcelona - er erzielte im siebten Spiel das achte Tor gegen die Katalanen. Diesmal war er mit einer Art Hohlkreuz-Kopfball (Foto) erfolgreich, der gerade so die Linie überquerte und wer das für Zufall hält, der kennt Thomas Müller nicht. Wirklich schade, dass Johan Cruyff nicht mehr lebt und man ihn nicht fragen kann, was er von dieser personifizierten Chaos-Theorie hält, die seinen Fußball-total-Klub regelmäßig in den Abgrund stößt.

Aus Müller-Sicht zudem schade, dass gerade keine Vertragsverhandlungen anstehen, er könnte ein Trainer-Teilgehalt verlangen, weil er seine Mannschaft auf dem Platz auch bei einem 3:0-Vorsprung bis zur letzten Minute coacht.

Leroy Sané

Startete mit einem schlechten Freistoß in die Partie, aber der Leroy Sané im Dezember 2021 hat so viel Selbstvertrauen, dass ihn das nicht mehr aus der Bahn wirft. Nach hinten mit dem ein oder anderen Zweikampf, den er vor einem Jahr garantiert nicht gewonnen geschweige denn überhaupt geführt hätte. Hat nun auch eine eine Schusstechnik, bei der er das Bein voll durchschwingt (siehe Foto), und bei der die Bälle flattern wie bei einem Volleyballaufschlag - Marc-André ter Stegen sah bei Sanés Treffer zum 2:0 gar nicht gut aus, aber der Ball nahm im Flug auch wirklich seltsame Richtungswechsel vor. Schenkte dafür ter Stegen eine Parade, als er kurz nach der Pause auf fast groteske Art das 3:0 liegen ließ und den Ball aus kürzester Distanz dem Torhüter in die Arme schob.

Robert Lewandowski

Man dachte ja - was kommt jetzt? Welche Reaktion wird er zeigen? Nachdem er den Ballon d'Or an Lionel Messi verloren hat, wird er gegen Messis Ex-Verein vier oder fünf Tore schießen, um allen zu zeigen, wie Unrecht sie mit ihrer Wahl hatten? Lewandowski glänzte dann - mit einer Vorarbeit. Ja, wirklich. Dribbelte nach vorne, ließ den alten Veteranen Gerard Piqué zappeln und lupfte überlegt auf Thomas Müller, der den Ball über die Linie bugsierte (siehe dort). Blieb ein eigenes Tor verwehrt, obwohl ihn Nagelsmann in diesem ja für den FC Bayern eigentlich bedeutungslosen Spiel lange auf dem Platz ließ.

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