Süddeutsche Zeitung

Boston in den NBA-Playoffs:Die Celtics glänzen im Gemurkse

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Der deutsche Basketballer Daniel Theis und sein Klub stehen vor dem Einzug ins Finale, weil man zum Ende einer zehrenden Saison Extrakräfte übrig hat - gegen Miami zeigt sich, worauf es wirklich ankommt.

Von Jonas Beckenkamp

Ja, es fand an diesem Abend tatsächlich ein Basketballspiel in Miami statt, auch wenn vieles an dieser Veranstaltung nicht danach aussah. Diese fünfte Partie der Halbfinal-Playoffserie in der NBA zwischen den heimischen Heat und den Boston Celtics wirkte eher wie ein Boxkampf zweier Kontrahenten, die mit allen Körperfasern in den Seilen hängen. Schön war's nicht, ein ziemliches Gemurkse bekamen die Zuschauer zu sehen - doch so ist das eben, wenn eine zehrende Saison ihre Protagonisten ans Limit bringt.

Miami gegen Boston, dieses Duell um den Einzug ins Endspiel, hat sich zu einem Abnutzungskampf entwickelt. Und wenn man das 93:80 betrachtet, mit dem sich die Celtics nun die 3:2-Führung sicherten, lässt sich sagen: Das etwas weniger lädierte Team ist im Vorteil. Während bei Miami reihenweise Profis nur noch durch diese Serie humpeln, hatte Boston zumindest eine Halbzeit lang noch genug Sprit im Tank, um sich den ersten Matchball zu erkämpfen. Gespielt wird bekanntlich im Modus Best-of-Seven, aber nach den Eindrücken aus diesem Spiel liegt der Schluss nahe, dass die Celtics die Nummer nun zuhause in Spiel sechs eintüten.

Trotzdem gaben die Beteiligten Warnungen von sich, noch sei nichts entschieden: "Wir dürfen nicht denken, dass es vorbei ist", sagte Bostons Jayson Tatum, der diesmal oft daneben warf, aber dennoch fast ein ein Triple Double erzielte (22 Punkte, zwölf Rebounds, neun Vorlagen). Auch wenn seine Mannschaft nun alle Trümpfe in der Hand hält, lautete sein Fazit: "Die Aufgabe ist noch nicht erledigt." Tatum und Kollege Jaylen Brown (25 Zähler) waren diesmal die Turbolader in einer Partie, in der zur Halbzeit noch Miami geführt hatte.

Bei Boston ist in den Playoffs Tatum angeschlagen, bei den Miami Heat Jimmy Butler

Bostons Leader Tatum kämpfte wie so viele auf dem Feld mit einer Verletzung (er fasste sich immer wieder an die Schulter), Brown mit den Tücken der Sportart Basketball. Schüsse flogen auf den Korb, aber nicht hinein, Bälle gingen verloren - zur Pause stand ein fast schon bizarres Ergebnis von 37:42 aus ihrer Sicht. "Diese Halbzeit war einfach Mist", nannte Brown die Dinge beim Namen. Die Krux war: Danach ereilte plötzlich Gegner Miami die Misere.

Weil auch bei den Heat ausgerechnet zum Saison-Höhepunkt die halbe Mannschaft angeschlagen ist, fiel das Team wie schon in der Partie davor in sich zusammen. Anführer Jimmy Butler ließen die Celtics sogar bewusst einfach ungedeckt. "Er sah nicht so aus, als könne er irgendwas ausrichten", so die erstaunlich offene Analyse von Boston-Coach Ime Udoka. Das galt auch für viele andere Heat-Größen wie Regisseur Kyle Lowry, der überhaupt nichts traf.

Bei Boston bleib der Deutsche Daniel Theis über die komplette Spielzeit auf der Bank und damit erstmals in der Serie ohne Einsatzzeit. Aber so richtig brauchte man seine Wühler-Qualitäten auch nicht, fast die ganze Celtics-Truppe besteht ja aus Typen wie ihm. Leute wie Derrick White, Marcus Smart oder Al Horford, Pferdelungen und abgezockte Mentalitätsspieler, die genau wissen, was im Playoff-Kuddelmuddel zu tun ist. Das ist es, was die Celtics gefährlich macht: Mehr als alle anderen Teams haben sie das jogo bonito längst abgehakt, ihnen geht es laut Coach Udoka um "den mentalen Stress und die Belagerung", in den sie den Gegner mit ihrer Verteidigung zwingen.

Freitagnacht geht's nun in der heimischen Arena um alles, für die Celtics wäre es der erste Finaleinzug seit 2010. Ihren 17. und bislang letzten Meistertitel holten sie 2008. "Das ist eine riesige Chance", sagte Jaylen Brown: "Wir haben die Möglichkeit, etwas Besonderes zu schaffen." Und es ist den Celtics schnurzpiepegal, ob das ganze dann hübsch aussieht.

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