Süddeutsche Zeitung

Basketball-EM:Mark Cuban sei Dank

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Ohne Dirk Nowitzki hat der deutsche Basketball bei der EM seinen Nachwuchs entdeckt - jetzt wird zwischen den Beteiligten über den besten Weg der Weiterbildung gestritten.

Fabian Heckenberger

Dirk Nowitzki ist am Montag zusammen mit seinem Trainer Holger Geschwindner aus Afrika zurückgekehrt. Angesichts von neun Jahren Dauereinsatz in NBA und Nationalteam hatte Deutschlands bekanntester Basketballer bereits nach den Olympischen Spielen in Peking mit einer Pause geliebäugelt.

Als dann Mark Cuban, der Besitzer von Nowitzkis Klub Dallas Mavericks, seinem Angestellten die Freigabe für die Europameisterschaft im September 2009 verweigert hatte, war klipp und klar: Nowitzki steht ohne Pflichtspiele der entspannteste Sommer seit Jahren bevor. Und Deutschlands Nationalmannschaft wird ohne ihren wichtigsten Spieler das furchtbarste Turnier seit Erfindung der Basketball-EM im Jahr 1935 erleben.

Nowitzki allerdings wurde direkt nach seiner EM-Absage von den Werbeleuten der NBA für das Projekt "Basketball without Borders" in Südafrika verpflichtet. Deutschlands Nationalmannschaft zog in Polen in die Zwischenrunde ein und schied erst am Dienstag mit 68:70 gegen Kroatien aus. Ersteres bescherte dem Würzburger Anerkennung für sein soziales Engagement. Zweiteres dem deutschen Verband die Erkenntnis: Es gibt tatsächlich junge Deutsche, die Basketball spielen können.

Vielversprechende Talente

Nach der Absage von Nowitzki und Chris Kaman, der angeblich nur Lust auf einen Einsatz für Deutschland verspürt, wenn sein NBA-Kumpel Dirk auch dabei ist, haben sich Debütanten in den Vordergrund gespielt, die vorher kein europäischer Scout auf seinem Zettel stehen hatte. Lucca Staiger, 21, und Elias Harris, 20, gingen bisher in der Masse der Collegespieler in den USA unter, Robin Benzing, 20, wechselte gerade erst vom Pro-A-Klub Langen zu Ulm in die Bundesliga. Ebenso wie der Bamberger Tibor Pleiß, 20, und der in Braunschweig spielende Heiko Schaffartzik, 25, liefen sie in Polen zum ersten Mal bei einer EM auf. Ein "Fegefeuer" komme ohne Nowitzki auf die junge Truppe zu, hatte Bundestrainer Dirk Bauermann prophezeit. Nach dem Ende des Turniers bilanzierte derselbe Bauermann: "Wir haben ganz Europa überrascht."

Der Bundestrainer spricht meist mit etwas heißerer Stimme. Inhaltlich weiß er aber für seine Interessen kräftig zu trommeln, weswegen er zuerst das Fegefeuer entfachte, um den Druck auf die Debütanten niedrig zu halten, und anschließend einen Jubelsturm, der noch möglichst bis zum 3. Oktober über das Land ziehen soll. Dann findet in Oldenburg die Jahreshauptversammlung der Basketball-Bundesliga (BBL) statt, wo Bauermann versuchen wird, die Klubmanager von seinem sehnlichsten Basketballnachwuchswunsch zu überzeugen: in der Liga so schnell wie möglich eine feste Quote für deutsche Spieler einzuführen - und zwar auf dem Feld und nicht wie bisher allein auf dem Spielberichtsbogen.

Kritik an der Bundesliga

Schon nach dem Sieg gegen Russland im zweiten Spiel bei der EM war die Diskussion um die Förderung deutscher Spieler wieder in Schwung gekommen, nachdem sich der noch vereinslose Jan-Hendrik Jagla stellvertretend für seine noch vereinslosen Teamkollegen berufen fühlte, die gesamte BBL zu beschimpfen. In dieser Woche schlugen die Klubmanager verbal zurück. Hinter den Kulissen allerdings nehmen Liga und Verband die couragierten Auftritte der Deutschen mit Freude zur Kenntnis und begrüßen die Entwicklung, die sich nach der Entdeckung in Polen von der Frage "Wo ist der deutsche Nachwuchs?" verschoben hat zum deutlich komfortableren: "Wie fördern wir den Nachwuchs?"

Holger Geschwindner, der mit Nowitzki das Kroatien-Spiel im TV verfolgt hat, geht sogar so weit, zu sagen: "Es war ideal, dass Dirk jetzt pausiert hat. So konnte sich eine Mannschaft herausbilden, die sich bis zu den Olympischen Spielen in London entwickeln kann." Man könnte sagen: Mark Cuban sei Dank.

Wenn deutsche Funktionäre aber demnächst in Dallas anrufen, werden sie sich nicht ausgiebig bedanken, sondern eher um erneute Spielerlaubnis für Nowitzki bitten. Als nächstes großes Turnier steht die WM 2010 in der Türkei an. Die Qualifikation dafür hat Deutschland in Polen verpasst. Nun bemüht sich der Verband um eine von vier Wildcards, die im Dezember vergeben werden. Nowitzki hat schon durchblicken lassen, dass er mitspielen würde, was die Chance auf eine Wildcard deutlich erhöht. Der Weltverband stellt sich gerne so viele NBA-Größen wie möglich ins WM-Schaufenster. Bei allem Respekt: Von Tibor Pleiß oder Robin Benzing haben sie dort noch kaum etwas gehört.

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SZ vom 17.09.2009/jbe
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