Süddeutsche Zeitung

Deutschland bei der Basketball-EM:Bronze als Lohn für die Plackerei

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Mit letzten Kraftreserven holt das deutsche Team bei der EM Platz drei - und blickt hoffnungsvoll in die Zukunft. Was die Mannschaft geleistet hat, könnte für eine ganze Sportart noch wichtig werden.

Von Ralf Tögel, Berlin

Dennis Schröder hielt die Bronzemedaille fest in der Hand, so als wolle er sie nie wieder hergeben. "Das hätte uns niemand zugetraut, das ist Wahnsinn, ein unglaubliches Gefühl", sagte der deutsche NBA-Mann. Es war der erfolgreiche Abschluss einer bemerkenswerten Heim-EM für das deutsche Team, dem natürlich noch das Finale folgte, in dem sich die Spanier gegen Frankreich ihren vierten EM-Titel sicherten. Jene Spanier, die das deutsche Team im Halbfinale am Rande einer Niederlage hatte, die am Sonntagabend das überlegene Team waren und sich sehr verdient mit einem 88:76-Endspielsieg die europäische Krone sicherten.

Er habe nicht viel geschlafen nach dieser knappen 91:96-Niederlage im Halbfinale, erzählte Bundestrainer Gordon Herbert, und er habe zunächst nicht gewusst, wie er die Enttäuschung aus den Köpfen der Spieler vertreiben sollte. Was letztlich aber bravourös gelang. "Am Freitag waren wir sehr niedergeschlagen, aber es hat uns noch stärker gemacht", sagte Herbert: "Es ist schon herausragend, wie diese Gruppe dieses hervorragend besetzte Turnier beendet hat." Mit einem 82:69-Sieg gegen das Überraschungsteam aus Polen nämlich, der sich als eine unangenehme Aufgabe erwiesen hatte.

Die Wenigsten hatten die Polen auf dem Zettel, die auch als der klare Außenseiter in das Spiel um Bronze gegangen waren. Im Halbfinale waren Mannschaften wie Griechenland erwartet worden, um NBA-Topspieler Giannis Antetokounmpo, das von den Deutschen im Viertelfinale aus dem Turnier komplimentiert wurde. Oder die Serben um Nikola Jokić, den wertvollsten Spieler der NBA, die im Achtelfinale von Italien besiegt wurden. Oder den Titelverteidiger Slowenien um ihren NBA-Ausnahmespieler Luka Dončić, die im Viertelfinale von den Polen geschlagen wurden. Wollte man dieser Europameisterschaft einen Trend entnehmen, dann den, dass sich die besseren Mannschaften gegen die Mannschaften mit den besten Spielern durchgesetzt haben.

Die Partie der Gastgeber gegen die hartnäckig kämpfenden Polen war kein Leckerbissen von jener Güte, die das deutsche Team in den Spielen zuvor gegen die kontinentalen Schwergewichte Frankreich, Litauen oder eben Griechenland geboten hatte. Gleichwohl musste man nie den Eindruck gewinnen, dass der dritte Platz in Gefahr geraten könnte. Zur Halbzeit führte Deutschland scheinbar sicher mit 36:23 Punkten, hielt das Geschehen stets unter Kontrolle, hatte schlichtweg mehr Qualität im Kader.

Als der Außenseiter im letzten Viertel ausgleicht, wird es still in der Berliner Arena

Aber der Gegner wollte diese einmalige Gelegenheit auf den Überraschungscoup nicht so einfach aufgeben - wozu ihn die deutsche Auswahl mit leichtsinnigen Fehlern und schlechten Würfen auch geradewegs ermunterte. Und es kam, wie es in solchen Spielen mit vermeintlich klarer Rollenverteilung oft kommt: Die Polen begannen plötzlich hochprozentig zu treffen, Michał Sokołowski, mit 18 Punkten bester polnischer Schütze, traf per Dreier im letzten Viertel zum 59:59-Ausgleich.

Da wurde es still in der Arena, die mit 12 913 Zuschauern nicht ganz ausverkauft war, was wohl den hohen Ticketpreisen geschuldet war, die unter 100 Euro nicht zu bekommen waren. Doch der Bundestrainer blieb optimistisch. "Wir haben auch extrem viel Qualität im Kader", sagte Herbert, und tatsächlich: Johannes Voigtmann, der 14 Punkte erzielte, sechs Rebounds griff und später zum besten Spieler der Partie gewählt wurde, traf mit großer Sicherheit aus der Distanz und brachte einen Energieschub ins Abwehrspiel, das an diesem Abend nicht auf gewohnt hohem Niveau funktionierte.

Kapitän Schröder, dem ungewohnt viele Ballverluste unterliefen, aktivierte ebenfalls die letzten Kraftreserven und führte seine Mannschaft zum letztlich sicheren und verdienten Erfolg. "Es war das neunte Spiel in 18 Tagen", erklärte Andreas Obst, "die Beine waren müde, aber wir sind noch mal zusammengerückt." Obst war einer jener Erfolgsgaranten, hatte mit 25 versenkten Dreiern den besten Wert im Turnier. "Es war wirklich hart, noch mal die Energie aufzubringen", sagte auch Johannes Thiemann, "ich glaube auch, beide Teams waren nervös und haben viele Fehler gemacht."

Letztlich hatte sich die Plackerei gelohnt, sichtliches Zeichen waren die bronzefarbenen Medaillen, die die Spieler stolz präsentierten. Der Lohn aller Anstrengungen für die Spieler, und vielleicht Signal für eine rosige Zukunft für den deutschen Basketball. Denn die Mannschaft hat begeistert mit ihren Auftritten, das öffentliche Interesse stieg von Erfolg zu Erfolg. Gordon Herbert hat ja einen Dreijahresplan ersonnen - und alle Spieler haben den unbedingten Willen bekundet, mit von der Partie zu sein. Im kommenden Jahr steht die Weltmeisterschaft an, die Qualifikation scheint nur noch Formsache. Und 2024 sind die Olympischen Spiele in Frankreich, große Ziele, der Start auf dem Weg dahin ist schon einmal prächtig gelungen.

Auch darin waren sich die Protagonisten einig: "Ich glaube schon, dass wir etwas für den deutschen Basketball geleistet haben", erklärte Maodo Lô: "Das ist die Belohnung für die harten Sommer, die wir Jahr für Jahr in die Nationalmannschaft reingesteckt haben." Dann wagte der Spielmacher noch einen Blick über den Tellerrand: Er hoffe, dass diese EM im eigenen Land auch einen Schub gibt, "in der Breite, in jeder Liga". Es sei gut für den Basketball, was da in Köln und Berlin gewachsen sei, "und eine Bestätigung für die Arbeit, die geleistet wird in diesem Sport, in diesem Land".

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