Süddeutsche Zeitung

Basketball:Gute Charaktere

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Mit niedrigem Etat und ohne den langjährigen Trainer Raoul Korner gilt Medi Bayreuth als Abstiegskandidat. Doch auch beim FC Bayern zeigen die Oberfranken, dass sie in der Bundesliga mithalten und große Gegner nerven können.

Von Christoph Leischwitz

Es besteht ein großer Unterschied zwischen den Sätzen "Wir hatten hier nichts verloren" und "Wir hatten hier nichts zu verlieren". Nun gibt es nicht wenige, die den Basketball-Erstligisten Medi Bayreuth zu Beginn der Saison als klaren Abstiegskandidaten handelten, und als solcher hätte er zum Beispiel im Münchner Audi Dome tatsächlich nicht viel verloren gehabt. Doch nach dem Gastspiel beim FC Bayern konnte Trainer Lars Masell Satzvariante zwei benutzen, auch wenn sein Team im dritten Viertel "komplett aus dem Spiel genommen" worden sei - das 68:81 war trotzdem ansehnlich. "Ich glaube, wir sind ganz gut aufgetreten", befand der 41-jährige Trainer der Oberfranken. Zur Pause hatte seine Mannschaft sogar knapp geführt. Und nicht nur damit gezeigt, dass sie sehr wohl etwas verloren hat in der Bundesliga.

In gewisser Weise sind sie sogar dankbar, Partien gegen Euroleague-Teams spielen zu können. Zumindest kam das Duell mit den Bayern zu einem geeigneten Zeitpunkt. Erstens bringe solch ein Gegner die Mannschaft "in ihrer Entwicklung" weiter, zweitens konnte Masell so noch ohne große taktische Zwänge vor der Länderspielpause ein paar Dinge ausprobieren. Nicht ganz zufällig hatten sie sich genau jetzt nochmals verstärkt: Jarrod West, 23, kam aus der chinesischen Liga ziemlich kurzfristig nach Bayreuth und setzte gleich um, was Bayreuths Routinier Bastian Doreth bei Magentasport als Devise ausgegeben hatte ("den Bayern auf den Sack gehen") - auch wenn der Point Guard im Laufe des Spiels etwas nachließ. "Das war schon mal eine gute Erfahrung", befand West selbst.

Für Zugang West ist das Spiel in München ein Crashkurs im Einspielen mit dem neuen Team

Für ihn handelte es sich am vergangenen Sonntag um eine Art Crashkurs im Einspielen mit der neuen Mannschaft, quasi als Beginn einer dreizehntägigen Länderspielpause, bei der lediglich Doreth und der Kanadier Kalif Young mit ihren Nationalmannschaften verreisen. "Wir haben wichtige Spiele, die auf uns zukommen", sagt Masell. Die kommenden Wochen mit Partien etwa gegen Braunschweig (zurzeit 15.) oder den Mitteldeutschen BC (14.) empfinden sie als vorentscheidend für die gesamte Saison. Der Hauptgrund sei, so Masell, dass die Pandemie immer noch nicht vorbei sei: "Sollte etwas passieren, dann sind wir recht fragil", sagt der Headcoach. Bayreuth war diesbezüglich im vergangenen Jahr sehr fragil. Und offensichtlich sah der Verein auf der Guard-Position noch den größten Bedarf an Stabilität. Abgesehen davon, dass der Außenseiter mit einem noch kleineren Etat als sonst schon auskommen muss; West hat auch erst einmal nur bis Ende Dezember angeheuert.

Trainer Masell suchte Spieler, "die mir erlauben, sie zu coachen"

Doch solche Maßnahmen würden sie umgekehrt auch nicht ergreifen, wenn die Zuversicht in Sachen Ligaverbleib nicht schon gewachsen wäre. Das Spiel gegen die Bayern war insofern ein Abbild des Saisonstarts, als dass es noch kein einziges Mal wirklich schlecht gelaufen ist. Einmal sogar richtig gut, als Crailsheim in der eigenen Halle beim 99:77 dominiert wurde.

Masell ist zum ersten Mal in der Chefrolle, er leitet ein unerfahrenes Team - worauf er zu Beginn den Fokus gelegt habe? "Auf das Rekrutieren von guten Charakteren, die mir erlauben, sie zu coachen", sagt er. Vieles steckt noch in der Findungsphase. Selbst für Doreth ist vieles nach der Ära Raoul Korner neu, auch er müsse teilweise ganz andere Würfe nehmen und seine Rolle noch finden. Einige Neue sind aber auch schon in eine Führungsrolle hineingewachsen, wie etwa der 25-jährige Brandon Childress mit mehr als 17 Punkten und vier Rebounds im Schnitt. Es sieht so aus, also könne der Außenseiter noch viele Mannschaften nerven.

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