Süddeutsche Zeitung

Augsburger Trainer:Weinzierl sagt Schalke ab

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Von Philipp Selldorf und Christof Kneer, Gelsenkirchen/Augsburg

Schalkes Manager Horst Heldt ist zurzeit sehr beschäftigt und kann deshalb nicht sofort jedem Begehren nach Auskunft nachkommen. Immerhin hat er aber am Mittwochmorgen Stellung zu drängenden Personalthemen genommen, und zwar in einem Interview mit dem aus seiner Sicht unbestechlichsten Medienunternehmen des Profifußballs: mit der Pressestelle von Schalke 04.

In dem Gespräch ging es um Atsuto Uchida, aber ausdrücklich nicht um Markus Weinzierl. Was den japanischen Verteidiger angeht, hat Heldt deutlich seine Meinung gesagt: Der Manager gab sich verärgert, dass "der Uschi", wie Uchida in Gelsenkirchen gerufen wird, lieber auf japanische Ärzte gehört hat statt auf die Ratschläge deutscher Koryphäen (inklusive des Tipps von Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt) - was zur Folge hat, dass der Rechtsverteidiger nach einer Operation an der Patellasehne monatelang dem Spielbetrieb fernbleiben muss.

Mit dem Trainer Weinzierl wird Uchida nach seiner Rückkehr nicht in Berührung kommen, jedenfalls nicht in Gelsenkirchen. Die Nachricht, die Heldt am Mittwochnachmittag erhielt, dürfte ihn noch mehr schmerzen als der Ausfall des Verteidigers: Der Sportchef hatte Weinzierl als Nach- folger des kürzlich entlassenen Roberto Di Matteo auserkoren und einen hohen Aufwand betrieben, um den jungen Trainer unter Vertrag zu nehmen, und er war am Mittwochmittag eigentlich noch in freudiger Erwartung - bis ihn schließlich Weinzierls Absage erreichte.

Der Trainer, der erst im April mit dem FC Augsburg ein Engagement bis ins Jahr 2019 verabredet hatte, entschied sich zwar nicht gegen Schalke. Aber halt doch für Augsburg.

So überfallartig wollte der Umworbene doch nicht weg

Es war nicht die Scheu vor dem Schalker Folklorestadl, die Weinzierl zur Absage bewog, der junge Mann hätte sich den Standort schon zugetraut. Aber am Ende stand wohl doch zu schnell zu viel auf dem Spiel; zwar kennt Weinzierl das Schalker Interesse seit mehr als zwei Wochen, aber erst am vergangenen Wochenende haben sich die Kontakte offenbar zugespitzt - und durch die bewährten undichten Stellen in den Schalker Leitungen ist die Sache im Verlaufe des Dienstags nach draußen gedrungen und hat alle Parteien unter Zeitdruck gesetzt.

Weinzierl wollte nicht länger warten mit seiner Entscheidung - auch aus Respekt vor den Funktionären beider Klubs, die zu diesem Zeitpunkt besonderen Wert auf Planungssicherheit legen. Falls es so etwas auf Schalke je gegeben haben sollte.

So überfallartig wollte Weinzierl dann doch nicht gehen, nicht von jenem Ort, den er und der ihn prominent gemacht hat. Dass Weinzierl sein Wunschtrainer sei, hatte Heldt in dem Interview mit dem Schalker Parteiorgan nicht gesagt, stattdessen nur versichert, sich an den "Spekulationen" der Medien nicht zu beteiligen. "Fakt ist", bestätigte er allerdings, "dass wir derzeit Gespräche mit fachlich hervorragend geeigneten Trainern führen."

Dazu zählte Weinzierl für ihn an erster Stelle. Beim FCA hatte der Vorsitzende Klaus Hofmann nach wiederholtem Befragen immerhin widerwillig eingeräumt, dass Weinzierl ihn über Kontakte mit Schalke informiert habe, "vor ein, zwei Wochen". Hofmann hatte aber auch auf der Mitteilung bestanden, sein Trainer habe nie gesagt, dass er den FCA verlassen wolle. Zu diesem Zeitpunkt konnte Hofmann allenfalls hoffen, aber noch nicht wissen, dass er mit seiner Lesart Recht behalten würde.

In Augsburg wussten sie, dass Horst Heldt an Weinzierls Arbeit schon länger interessiert Anteil genommen hatte. Unterhalten, auch in perspektivischer Hinsicht, haben sich die beiden früher schon. Ende Mai nun, also kurz nach Roberto Di Matteos Entlassung, hat Schalkes Manager konkret Kontakt zu Weinzierl aufgenommen, und dass Weinzierl in seinem neuen Vertrag keine Ausstiegsklausel besitzt, war den Schalkern bekannt. Sie wussten aber auch, dass eine mündliche Verabredung zwischen dem Trainer und den Augsburger Verantwortlichen existiert, wonach man im gegebenen Fall einen "lösungsorientierten Austausch" suchen wolle.

Das heißt auf Deutsch: Wenn Weinzierl wirklich einmal gehen will, dürfen die Augsburger zumindest eine stattliche Entschädigung von dessen nächstem Arbeitgeber erwarten. Diese wäre nirgends festgeschrieben, frei auszuhandeln und mutmaßlich hoch. Augsburgs Vereinschef Hofmann hatte vorbeugend schon mal von "astronomischen Ausmaßen" gesprochen.

In Schalke gerät man bei der Trainersuche nun wieder unter Druck. Vor Weinzierl galt Marc Wilmots, belgischer Nationaltrainer und königsblaue Legende, als Favorit - und nun, nach der Absage des Augsburgers, ist er es wieder. Wilmots hatte früh einen Kontakt mit Schalke bestätigt, sich aber Bedenkzeit bis Ende der aktuellen Länderspielreihe am Wochenende ausbedungen, was vorerst für Ruhe sorgte.

Nun aber kommt erst recht wieder Hektik in die Debatte, wenn auch nicht für den FC Augsburg. Die Schwaben, die ebenso wie Schalke für die Gruppenphase der Europa League qualifiziert sind, dürfen sich jetzt nachträglich noch mal an jener Nachricht erfreuen, die sie im April stolz verkündeten. Da erklärten sie den Stadionbesuchern vor dem Anpfiff, dass der Trainer Weinzierl bis 2019 verlängert habe - es war übrigens vor dem Spiel gegen Schalke 04.

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SZ vom 11.06.2015
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