Süddeutsche Zeitung

Augsburg - Dortmund:Ein Schock mit zwei Lehren

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Nach der 3:5-Niederlage trotz 3:1-Führung muss sich der FC Augsburg fragen, ob er zu mutig war gegen Dortmund. Und Florian Niederlechner ärgert sich nicht nur, dass seine Tore nichts bringen.

Von Anna Dreher

Tja, was sollte Florian Niederlechner zu diesem Arbeitstag sagen? Zu diesem Samstag, der so gut für ihn und den FC Augsburg angefangen hatte. Heimspiel, das Stadion mit 30 660 Zuschauern ausverkauft, zwei Tore selbst geschossen und somit durch die Saisontreffer neun und zehn so erfolgreich im Abschluss wie kein anderer Sommerzugang in der Fußball-Bundesliga, 3:1-Führung nach 55 Minuten - und das gegen Borussia Dortmund. Es hätte alles so schön sein können für den 29 Jahre alten Mittelstürmer aus Ebersberg und seinen Verein.

Aber als Niederlechner über diesen Auftakt in die Rückrunde sprach, schwärmte er nicht. "Das fühlt sich absolut scheiße an", sagte er stattdessen. Weil Schiedsrichter Manuel Gräfe eben auch an diesem Tag keine Ausnahme machte und nicht schon nach 56 Minuten abpfiff, sondern wie sonst auch nach 90 Minuten. Und da stand es nicht mehr 3:1 für Augsburg, sondern 5:3 für Dortmund. "Wir waren auf einem guten Weg, etwas zu holen. Die erste Stunde haben wir den Fußball gespielt, den wir zeigen wollen, was unsere DNA ist. Wir haben kaum etwas zugelassen", sagte Augsburgs Trainer Martin Schmidt. "Aber dann kam der Haaland-Schock."

Und der erfasste nicht nur ihn und Niederlechner, sondern gleich die ganze Augsburger Mannschaft, die bis dahin offensiv so mutig und überhaupt nicht zurückhaltend gespielt und Dortmund dadurch verunsichert hatte. "Auf der Heimfahrt weiß er dann auch ganz genau, wie es in Augsburg zugeht und dass es keine einfachen Spiele hier gibt", hatte Schmidt noch vor der Partie gesagt, als er auf Dortmunds 20-Millionen-Euro-Winterzugang und von hohen Erwartungen begleiteten Mittelstürmer Erling Haaland angesprochen worden war. Aber das mit den einfachen Spielen stellte sich dann ab dem letzten Drittel doch etwas anders dar.

Nach 21 Minuten hatte Ruben Vargas die vermeintliche Führung erzielt, die wegen Abseits wieder aberkannt wurde. Und so war es Niederlechner, dem dieser Ruhm nach 34 Minuten zuteil wurde. Marco Richter erhöhte kurz nach dem Anpfiff der zweiten Hälfte (46.), bevor nach dem Anschlusstreffer von Julian Brandt zum 1:2 in der 49. Minute erneut Niederlechner traf (55.) und sich ausgiebig feiern ließ. Er war an diesem Tag der entscheidende Spieler, Antreiber und Vollstrecker. Bis dahin aus Augsburger Sicht also: alles super. Doch inmitten des Torjubels, als die Fans des FC Augsburg gerade zum zweiten Mal inbrünstig "Nie-der-lech-ner!" riefen, wurde Haaland eingewechselt. Und keine drei Minuten später belebte er die Dortmunder mit seinem ersten Treffer wieder - und versetzte Augsburg in den von Schmidt beschriebenen Schockzustand. Durch seinen Dreierpack (59., 72., 79.) sowie die Tore von Brandt und Jadon Sancho (61.) drehte der BVB die Partie noch auf spektakuläre Weise - und sorgte bei den Augsburgern für plötzliche Niedergeschlagenheit.

Es gab also gewissermaßen zwei Lehren, die der FCA aus diesem Spiel ziehen konnte. Die eine, dass diese Mannschaft auch nach der Winterpause über ein gutes Selbstbewusstsein und ausreichend Offensivkönnen verfügt, um sich im Mittelfeld der Bundesliga zu etablieren und auch einen Verein mit Meisterschaftsambitionen wie Borussia Dortmund zu ärgern. Die andere - wohl wichtigere -, dass man dann nie, nie, niemals überheblich werden sollte. "Der Übermut war groß, der Mut vielleicht einen Ticken zu groß für diesen Gegner", sagte Schmid. "Für die nächsten Spiele ist das unsere Herausforderung. Wir sind gut beraten, schnellstmöglich daraus zu lernen und voran zu kommen."

Während Schmidt zumindest äußerlich die Niederlage noch relativ gelassen nahm, durchzog die schlechte Stimmung die ganze Mannschaft. "Wenn man 3:1 gegen Dortmund führt, muss man einfach zufrieden sein", sagte Abwehrchef Jeffrey Gouweleeuw. "Wir können nicht denken, dass wir 4:1, 5:1 gegen Dortmund gewinnen, dass wir alle nach vorne laufen können und vorne stehen bleiben können."

Niederlechner ärgerte sich nicht nur, weil Haaland sein Doppelpack bedeutungslos gemacht hatte. Sondern auch, weil er sich um einen Elfmeter nach einem Zweikampf mit Mats Hummels in der 65. Minute betrogen sah. "Das war ein klarer Elfer, er hat mir doch die Füße weggezogen - und es nachher sogar noch zugegeben", sagte Niederlechner und schnaubte. "Da hätten wir bestimmt das 3:4 gemacht. Aber so waren die natürlich im Flow." Und womöglich war das die Lehre Nummer drei: sich ein Beispiel am BVB zu nehmen für das nächste Spiel bei Union Berlin am Samstag. Um selbst im Flow zu bleiben.

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SZ vom 20.01.2020
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