Süddeutsche Zeitung

Anti-Doping-Kampf nach der Ära Armstrong:"Sie sind der korrupte Teil"

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Am Freitag wird entschieden, ob die aberkannten Tour-Titel von Lance Armstrong neu vergeben werden - und immer mehr Details kommen ans Licht. Auch die Verantwortlichen des Verbands rücken in den Fokus. Der früherer Toursieger Greg LeMond fordert jetzt offen den Rücktritt von UCI-Chef Pat McQuaid.

Andreas Burkert

Diesen Freitag versammelt sich das "Management Committee" des Radsport-Weltverbands UCI in Aigle am Genfer See. Es geht um sportrechtliche und strukturelle Konsequenzen nach dem Urteilsspruch zu Lance Armstrong, dessen Karriere die UCI wegen jahrelangen Dopings nahezu vollständig zu streichen hatte. Eine Nachfolgeregelung für die Jahre seiner sieben Toursiege dürfte es nicht geben, die Veranstalter in Frankreich haben sich das bereits verbeten angesichts zahlreicher ungeeigneter Kandidaten. Seine eigene Position sieht UCI-Präsident Pat McQuaid zwar nicht in Gefahr, doch die Kritik an der Verbandsspitze wird immer lauter.

Eine der prominentesten und glaubwürdigsten Stimmen des Radsports, der einzige amerikanische Tourgewinner Greg LeMond (1986, 1989, 1990), hat McQuaid nun sogar frontal angegriffen und zum Rücktritt aufgefordert. "Ich habe in der Geschichte des Radsports noch nie einen solchen Missbrauch von Macht gesehen", schrieb der 52-Jährige in einem offenen Brief an den Iren. "Wenn Sie Radsport lieben, treten Sie zurück. Treten Sie auch dann zurück, wenn Sie ihn hassen. (...) "Meiner Meinung nach sind Sie und Hein Verbruggen der korrupte Teil des Sports (...). Das Problem des Sports ist nicht Doping, sondern es ist Korruption. Sie sind der Inbegriff des Wortes Korruption."

McQuaid und sein Vorgänger Verbruggen, der weiterhin als Strippenzieher der UCI gilt, wird vorgeworfen, Armstrong gedeckt zu haben. Die Aussagen von Belastungszeugen wurden jahrelang ignoriert, angeblich sogar auffällige Testergebnisse. McQuaid hatte diese Vorwürfe am Montag bei der Bestätigung der lebenslangen Sperre für Armstrong zurückgewiesen.

LeMond hatte die UCI und das System Armstrong schon im Juli 2010 im SZ-Interview attackiert, als er bilanzierte: "Schweigen, zahlen - es ist fast wie bei der Mafia". McQuaid und Verbruggen verklagten zuletzt wegen ähnlicher Korruptionsvorwürfe den Journalisten und früheren Profi Paul Klimmage - ein Spendenkonto für die Verteidigungskosten des Iren ist inzwischen aber mehr als 75.000 Dollar schwer. Die neue Provokation des Insiders LeMond blieb bis Donnerstagabend ohne Ankündigungen rechtlicher Konsequenzen.

Neben der Kritik an der UCI verstummt indes auch der irritierende Zuspruch für Armstrong nicht: Wie McQuaid ("Drecksäcke") griff nun auch der fünfmalige Toursieger Eddy Merckx die geständigen früheren Armstrong-Kollegen an. "Ich bin wütend über die Fahrer, die mit den Ermittlern gesprochen haben", sagte der Belgier zu Le Soir. Zudem habe er oft mit dem Freund Armstrong geredet, "und nie hat er mit mir über Doping, Ärzte oder andere Dinge gesprochen". Womöglich war das auch gar nicht nötig: Merckx, 67, gilt als einer derjenigen, die in den Neunzigern den Kontakt von Armstrong zum Dopingarzt Michele Ferrari hergestellt haben sollen.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2012
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