Süddeutsche Zeitung

Angelique Kerber:Kerber muss wieder Spaß haben

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Angelique Kerber litt unter der Last, die Weltranglistenerste zu sein. Das Achtelfinal-Aus in Wimbledon gibt ihr die Chance, um aus der Schaffenskrise herauszufinden.

Kommentar von Matthias Schmid, London

In den Tagen von Wimbledon hat ein amerikanischer Journalist Angelique Kerber gefragt, ob sie ihrem Nummer-eins-Status auch Positives abgewinnen könne. Das war eine berechtigte Frage. Kerber, die nun nach ihrer Achtelfinalniederlage gegen Garbiñe Muguruza nur noch bis Montag die Weltrangliste im Frauentennis anführen wird, hatte gerade lange ausgeführt, welche Erwartungshaltung so eine Position mit sich bringe, welche zusätzlichen Aufgaben und Verpflichtungen. Den ganze Druck nicht zu vergessen, der eigene und vor allem der von außen. Es hörte sich so an, als würde es nichts Schlimmeres geben, als die Nummer eins sein zu müssen. Eine Bürde, die man nicht mal seinem schlimmsten Feind wünscht.

Als Kerber die Frage des Journalisten hörte, guckte sie zunächst ziemlich irritiert. Erst nach ein, zwei Sekunden lächelte sie und kramte dann doch noch mühsam etwas Positives hervor. Sie genieße es schon, die weltbeste Spielerin zu sein, bekannte sie.

Diesen Status ist Kerber nun erst einmal los. Die Gründe ihrer Formkrise sind vielschichtiger und liegen tiefer, als dass sie nur mit der Last der Nummer eins zu erklären wären. Kerber wartet in diesem Jahr weiter auf den ersten Sieg gegen eine Top-20-Spielerin. Die 29-Jährige hat nach ihrem wundersamen Aufstieg im vergangenen Jahr mit Major-Siegen in Melbourne und in New York das Tennisspielen nicht verlernt. Sie kann noch immer die Vorhand und Rückhand mit wunderbaren Winkeln spielen und viele Bälle erlaufen, die andere niemals erreichen würden. Doch Kerber hat verlernt, es mit Freude zu tun, mit Leidenschaft und Hingabe.

Sie muss dringend den Resetknopf drücken, sich wieder darauf konzentrieren, warum sie einst mit dem Tennis begonnen hat, alles andere ausblenden, sie muss wieder Spaß haben, auf dem Platz lächeln, nicht jammern und lamentieren. Die kindliche Begeisterung könnte ihr helfen, aus der ernsthaften Schaffenskrise wieder herauszufinden.

Der Umbruch im Frauentennis dauert noch immer an, erst recht seit der Schwangerschaft der langjährigen Regentin Serena Williams. Das ist eine Chance für alle Spielerinnen sich zu positionieren, auch für Angelique Kerber.

Nach der Niederlage gegen Muguruza am Montag sagte Kerber, dass sie wieder das Gefühl habe, Matches gewinnen und sie nicht nicht verlieren zu wollen. Das ist ein feiner, aber wichtiger Unterschied. Und eine Erkenntnis, die hoffen lässt, dass Angelique Kerber bald auch wieder Spiele gegen Spitzenspielerinnen gewinnen wird. Dann klappt es womöglich auch wieder mit der Nummer eins. Wie es ist, diese Bürde zu tragen, weiß sie dann ja bereits.

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