Süddeutsche Zeitung

Amateurfußball:"Aus welchem Zoo haben sie dich freigelassen"

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Ein Amateur-Schiedsrichter beleidigt türkischstämmige Fußballer und wird zu einer Geldstrafe verurteilt. Rassismus stellt der Bayerische Fußball-Verband dabei aber nicht fest.

Von Dominik Fürst

Am Tag nach dem Urteil klingt Gerhard Rödel am Telefon schon wieder recht selbstbewusst. Der Fußball-Schiedsrichter aus dem oberfränkischen Hof muss 1000 Euro Strafe zahlen, weil er in einer A-Klassen-Partie Spieler angepöbelt und beleidigt hat. So steht es in der knappen Urteilsverkündung des obersten Sportgerichts des Bayerischen Fußballverbandes (BFV) vom Sonntag. Rödel glaubt auch am Tag danach: "Ich bin unschuldig."

Zumindest der zentrale Vorwurf gegen ihn ließ sich in der mündlichen Verhandlung des Verbandssportgerichts offenbar nicht erhärten: dass Rödel sich mehrfach rassistisch gegenüber türkischstämmigen Spielern geäußert haben soll. Es ist ein brisanter Fall einer Grenzüberschreitung im Amateurfußball, der aus Sicht des Angeklagten ein glimpfliches Ende nahm. Die Vorwürfe gegen Rödel allein wogen schon schwer, hinzu kam, dass er der Obmann der Schiedsrichter-Gruppe Hof und zudem Kreisvorsitzender des Bayerischen Landessport-Verbandes ist. Ein rassistischer Funktionär? So einer wäre für den BFV wohl kaum noch tragbar gewesen. Nach dem Urteil darf Rödel seine Ämter behalten. Er klingt am Telefon auch nicht so, als wolle er jetzt hinschmeißen. "Keiner der Anwesenden konnte die Vorwürfe bekräftigen", sagt er.

Türkischstämmige Fußballer soll er "Schwarzköpfe" genannt haben

Was also ist passiert? Am 16. Oktober leitet Rödel das Spiel zwischen dem TV Kleinschwarzenbach und der SG Ort/Oberweißenbach, der Siebte gegen den Ersten in der A-Klasse Hof/Marktredwitz. Die Gäste gewinnen 5:2, aber das Ergebnis gerät schnell zur Nebensache, weil der TV Kleinschwarzenbach Schiedsrichter Rödel wegen rassistischer Äußerungen beim Bayerischen Fußballverband anzeigt. Im Spielbericht, den die Kleinschwarzenbacher bei Facebook veröffentlichen, beklagen sie, dass Schiedsrichter Rödel "deutlich mit Wort und Gesten" gezeigt habe, dass er "ein Problem mit Ausländern hat". Betroffene Spieler geben der Frankenpost zu Protokoll, womit Rödel sie beschimpft haben soll: "Wenn dir hier etwas nicht passt, dann musst du halt in dein Land zurückgehen", soll er gesagt haben, und: "Aus welchem Zoo haben sie dich freigelassen?" Die türkischstämmigen Fußballer des TV Kleinschwarzenbach soll er "Schwarzköpfe" genannt haben.

Weil der Fall einen Funktionär betrifft, landet er umgehend beim Verbandssportgericht. Es dürfe nichts unter den Tisch gekehrt werden, sagen sie beim BFV. Es kommt zu einer allerdings nicht-öffentlichen mündlichen Verhandlung, in der die beteiligten Personen ihre Sicht darlegen. Danach sieht es das Gericht zwar als erwiesen an, dass Rödel sich "mehrfach provokativ beleidigend gegenüber Spielern des Heimvereins geäußert" hat. Die Geldstrafe verhängt es "wegen unsportlichen Verhaltens und Amtspflichtverletzung". Rassistische Äußerungen jedoch erhärten sich in der abschließenden Verhandlung offenkundig nicht - auch wenn der angewandte Paragraph 47a Absatz 1 der BFV-Verfahrensordnung auch in diesem Fall gegriffen hätte: "Eines unsportlichen Verhaltens (...) macht sich insbesondere schuldig, wer sich politisch extremistisch, obszön anstößig oder provokativ beleidigend verhält."

Der Verurteilte spricht von "Schall und Rauch"

Eine ausführliche Urteilsbegründung des Verbandssportgerichts wird in den kommenden Tagen erwartet. Bis dahin äußern sich die Verantwortlichen nur spärlich - und so lange bleibt auch unklar, warum der Hofer Schiedsrichter-Chef zwar der Beleidigung, aber nicht des Rassismus überführt worden ist.

Der Verurteilte Rödel jedenfalls triumphiert: "Die Rassismus-Vorwürfe gegen mich haben sich in Schall und Rauch aufgelöst." So einfach ist es wohl nicht. Der Frankenpost sagte der Vorsitzende Richter Emanuel Beierlein am Sonntag: "Die Aussagen, die in der Anzeige standen, wurden im Wesentlichen nicht beweissicher bestätigt." Auf die Urteilsbegründung darf man gespannt sein.

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Quelle:
SZ vom 29.11.2016
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