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Alphonso Davies beim FC Bayern:Fonzy jubelt mit den Großen

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Von Sebastian Fischer

Im Fußball stellt sich jedem Torschützen unmittelbar nach dem Erfolg eine elementare Frage: Wie nun jubeln? Werdende Väter steckten sich jahrelang entweder den Ball unters Trikot oder den Daumen in den Mund, als Gruß an die Mutter. Die Frommen grüßten gleich Jesus persönlich, die Trotzigen deuteten auf den eigenen Namen, die Wohlerzogenen verzichteten, sofern sie gegen den früheren Arbeitgeber trafen. Zeitgemäß ist inzwischen ein Tanz als Hommage an das Videospiel "Fortnite". Und zeitlos ist die Regel, es beim Bejubeln unbedeutender Tore nicht zu übertreiben: mit dem Zeigefinger wackeln, kurz die Faust ballen, Schluss. Aber man sollte deshalb nun vielleicht nicht zu hart sein mit Alphonso Davies.

70 Minuten waren gespielt am Sonntag zwischen dem FC Bayern und Mainz 05, die Begegnung war längst entschieden, als der Kanadier im Strafraum den Ball, vom Mainzer Torwart Florian Müller nach vorne abgewehrt, zum 6:0 ins Tor schoss. Elf Minuten vorher war er für David Alaba eingewechselt worden. Nun lief er auf die Eckfahne zu, breitete die Arme aus und rutschte zu Tormelodie samt Lichtshow auf den Knien, bis ihn seine Kollegen einfingen. Man sollte aber spätestens jetzt hinzufügen, dass es für Davies, 18, ein besonderes Tor war: sein erstes für den FC Bayern, sein erstes in Deutschland, sein erstes in der Bundesliga.

Zehn Millionen Euro hat der Rekordmeister an die Vancouver Whitecaps überwiesen, damit Davies mit Vollendung seines 18. Lebensjahrs nach Deutschland wechselte. Schon im Sommer 2018 unterschrieb er einen Vertrag bis 2023, seit dem 1. Januar 2019 ist er spielberechtigt. Die Videos von seinen Auftritten in der nordamerikanischen Profiliga MLS sind ausgesprochen verheißungsvoll, auch im Training waren seine Qualitäten schnell zu erkennen. Im zweiten Rückrundenspiel, dem 4:1 gegen Stuttgart Ende Januar, wurde Davies gleich eingewechselt.

Die mit ihm verbundenen Hoffnungen sind auch deshalb so groß, weil er auf beiden Flügeln im Angriff spielen kann, jenen Positionen also, auf denen im kommenden Sommer mit dem Abschied von Arjen Robben und wohl auch dem von Franck Ribéry der größte von vielen Umbrüchen im Münchner Kader stattfindet. Doch kürzlich musste Trainer Niko Kovac ein paar Hoffnungen dämpfen. Man müsse Talenten Zeit geben, anstatt zu erwarten, dass sie Bäume ausreißen.

Davies, nach dem Stuttgart-Spiel auch in Leverkusen und gegen Schalke eingewechselt, kam zuletzt in der U23 in der Regionalliga zum Einsatz. Dort lief er zwar den Gegenspielern in riesigem Tempo davon und bereitete gegen den FC Ingolstadt II ein Tor vor, aber es hatte den Anschein, als würde er fortan gemeinsam mit dem Südkoreaner Wooyeong Jeong, 19, zunächst in der Reserve Erfahrung sammeln sollen. Sein Tor ist nun wieder ein Schritt in Richtung Profikader. "Er kam sehr gut rein", lobte Innenverteidiger Niklas Süle. "Ich hab' zu ihm gesagt, dass nicht nur das Tor schön war, sondern auch, wie er zweimal den Ball vorher erkämpft hat. Er hat mutig gespielt, so kann er uns weiterhelfen." In der Kabine haben sie ihm auch schon einen Spitznamen gegeben: "Fonzy".

Die Liste der verheißungsvollen Talente, die sich in München nicht durchsetzten, ist lang. Sinan Kurt, inzwischen in Österreichs zweiter Liga gelandet, ist ein jüngeres Beispiel. Doch Davies' Niveau scheint tatsächlich ein ganz anderes, höheres zu sein. Mit 18 Jahren, vier Monaten und 15 Tagen ist er nach Roque Santa Cruz der zweitjüngste Bundesligatorschütze der Vereinsgeschichte, jünger noch als Uli Hoeneß und Bastian Schweinsteiger. Letzterer traf einst erstmals im DFB-Pokal gegen Köln, es war das Tor zum 5:0 bei einem 8:0-Sieg. Schweinsteiger jubelte, indem er einen Talisman aus seinem Handschuh holte und ihn den Fans zeigte.

Hoeneß, damals Manager, sagte dazu: "So einen Schmarrn soll er lassen. Er ist Fußballspieler und kein Schauspieler." Den Jubel von Alphonso Davies am Sonntag ließ der Bayern-Präsident unkommentiert.

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SZ vom 19.03.2019
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