Süddeutsche Zeitung

Abstiegskampf in der Bundesliga:Ein schaurig-schöner Showdown

Lesezeit: 3 min

Rettung, Relegation oder Abstieg? Für Düsseldorf, Hoffenheim und Augsburg geht es am letzten Spieltag um alles. Die härteste Aufgabe erwartet Hoffenheim - ausgerechnet beim Champions-League-Finalisten Dortmund.

Von Ulrich Hartmann

Norbert Meier, 54, ist seit der Entlassung von Werder Bremens Thomas Schaaf der dienstälteste Bundesliga-Trainer. Das bedeutet: Kein aktueller Coach ist länger bei seinem Verein als Meier, der am 1. Januar 2008 bei Fortuna Düsseldorf in der dritten Liga angefangen hat. Vor dem finalen Spieltag wächst aber die Gefahr, dass Meier sein Alleinstellungsmerkmal verliert - sei es, weil Düsseldorf absteigt oder weil man Meier danach womöglich entlässt.

Nächster Trainer im Treue-Ranking wäre Jürgen Klopp, dessen Klub Borussia Dortmund mit einem Heimsieg gegen die TSG Hoffenheim veranlassen könnte, dass Meiers Düsseldorfer noch die Relegation erreichen. Vielleicht bleiben die Rheinländer aber auch direkt in der Liga, dann müsste vermutlich der FC Augsburg Knock-Out-Duelle mit dem Zweitliga-Dritten 1. FC Kaiserslautern austragen. Ein schaurig-schöner Showdown.

15. Fortuna Düsseldorf, 30 Punkte

Es gibt fünf Gründe dafür, warum die Fußballer von Fortuna Düsseldorf in dieser Woche in ein Luxushotel auf dem Areal eines früheren Zisterzienserklosters in Ostwestfalen gezogen sind. Erstens verspricht so ein Gemäuer innere Einkehr, zweitens seelische Reinigung von Fluch-Tiraden und Trainingsprügeleien, drittens eine praktische Annäherung zum Spielort Hannover, viertens ein Restaurant mit Michelin-Stern und fünftens ein Hotel-Motto namens "Träume erleben".

Genau das erhoffen sich die Düsseldorfer am Samstag für das Zeitfenster von 15.30 bis 17.20 Uhr als Gast von Hannover 96. Viel mehr als einen Traum stellt die Absicht, zwei Relegationsduelle gegen Kaiserslautern noch vermeiden zu können, nicht dar. Die Fortuna ist die erfolgloseste Bundesliga-Mannschaft auf Sicht mehrerer Wochen. Um die Saison trotzdem zu einem glimpflichen Ende zu führen, bedarf es einer Art mentalen Entschlackung.

Düsseldorf ist seit elf Spielen sieglos, zweitschwächstes Auswärtsteam der Liga und in akuter Gefahr eines nervlich bedingten Systemabsturzes. Trotzdem steht die Mannschaft seit neun Spieltagen immerhin noch auf dem viertletzten Platz. Die Rolle des Trainers Meier ist umstritten. Kritiker kreiden ihm den spielerischen Niedergang an, Befürworter betonen, ohne Meier wäre man gar nicht erst aufgestiegen. Nüchterne Fakten werden darüber entscheiden, ob Meier ganz am Ende als Held dasteht oder als Depp.

16. FC Augsburg, 30 Punkte

Das gilt auch für Markus Weinzierl, den Trainer des neuntbesten Rückrundenteams. Dass der FC Augsburg die Abstiegszone trotz 21 Zählern seit der Winterpause noch nicht verlassen hat, liegt an der mageren Hinrundenbeute von neun Punkten. Damit ist Augsburgs Saison das Spiegelbild jener der Düsseldorfer. 90 Minuten vor Ablauf hat Augsburg die Fortuna noch immer nicht überholt, beide sind punktgleich, und ein ähnliches Ergebnis im letzten Spiel würde den Düsseldorfern helfen, die das bessere Torverhältnis haben.

Trotz dieses minimalen Nachteils sind die Augsburger vor dem letzten Spiel gegen bereits abgestiegene Fürther nicht zur psychologischen Stärkung in ein Kloster gezogen. Diesen Eindruck hat zwar bekommen können, wer Stefan Reuter am Freitag im ZDF-Morgenmagazin erblickte, allerdings hatte man Augsburgs Sportdirektor zur Interview-Schalte bloß vor eine Fotowand gesetzt, die das Augsburger Rathaus mit seinen idyllischen Zwiebeltürmen zeigte. Dieses Rathaus ist im Gegensatz zu einem Kloster ein weltlicher Profanbau.

Von Gewöhnlichkeit zeugte auch der öffentlich geäußerte Stammtischspruch des Klubpräsidenten Walther Seinsch, Hannovers Fußballer mit "zwanzig Jungfrauen" für einen Heimsieg gegen Düsseldorf entlohnen zu wollen. Da hat jemand die Sexismus-Debatte verschlafen.

17. TSG Hoffenheim, 28 Punkte

Aber im Abstiegskampf spielen die Emotionen schon mal verrückt. Auch in Sinsheim, wo die Fußballer der TSG Hoffenheim nur noch eine ganz kleine Chance auf den Klassenerhalt besitzen und im letzten Spiel ausgerechnet beim Champions-League-Finalisten Borussia Dortmund antreten müssen. Trotz dieses bedrohlichen Umstands sagt der Abwehrspieler Andreas Beck über die Partie vor mehr als 80 000 Zuschauern im angsteinflößend riesigen Dortmunder Stadion: "Man muss so etwas auch genießen können."

Der 26-Jährige, der sich vermutlich auch auf eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt freut, unterstützt damit den Versuch seines Trainers Markus Gisdol, aus abfallender Anspannung heraus die letzte Chance auf einen Erfolg zu provozieren. Beck vertraut dazu auf Gisdols taktische Kompetenz und formuliert seinen festen Glauben an die Unwägbarkeit: "Der Trainer hat uns seinen Plan vermittelt, und wir sind überzeugt davon, dass er aufgehen kann."

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SZ vom 18.05.2013
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