Süddeutsche Zeitung

1899 Hoffenheim:Jetzt will Nagelsmann Meister werden

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Von Benedikt Warmbrunn

Verschwiegenheit zählt nicht zu den herausragenden Tugenden des Julian Nagelsmann. Wenn ihn etwas bewegt, vor allem aber, wenn er merkt, dass er einen guten Spruch anbringen kann, dann redet Nagelsmann. Immer. Über alles. Er hat schon gesagt, dass er "Geheimratsecken bis zum Himmel" habe, dass Silvester für ihn "ein total schwachsinniges Fest" sei, dass er bei einem Anruf von Real Madrid "natürlich" den Hörer abhebe, dass der FC Bayern in seinen "Träumen schon eine größere Rolle spiele".

Dass Nagelsmann auch in der Woche vor der Auftaktpartie der neuen Bundesliga-Saison seiner TSG Hoffenheim an diesem Freitag (20.30 Uhr) beim FC Bayern mit seinen Sprüchen unterhalten hat, gehört daher schon zum guten Ton der Liga. Dem Vereinsmagazin der TSG erzählte er, dass er "nachts rumschreie", wenn er von den Spielen seiner Mannschaft träume, so habe ihm das zumindest seine Frau berichtet. Ach ja, und dann sagte er vor wenigen Tagen: "Ich strebe immer nach dem Maximalen, und das ist der Meistertitel."

Das mit der Meisterschaft war übrigens nicht nur als guter Spruch gedacht. Nagelsmann hat das vollkommen ernst gemeint: Er will Meister werden.

"Wir sagen nicht, wir holen den Titel. Aber wir wollen es probieren."

Seit zweieinhalb Jahren trainiert er die TSG Hoffenheim, in dieser Zeit ist aus einem jungen, talentierten, selbstbewussten Coach ein allseits respektierter, variantenreicher und noch selbstbewussterer Trainer geworden, der seit einem knappen Monat immerhin auch schon 31 Jahre alt ist. Unter Nagelsmann hat die TSG erst den Abstieg vermieden, ist dann in der Qualifikation zur Champions League am späteren Finalisten Liverpool gescheitert. Der Trainer ist ebenfalls gewachsen, er hat sich ausprobiert (zum Beispiel im Rückspiel gegen Liverpool mit einer waghalsig offensiven Taktik), er hat ein paar Schrammen abbekommen (für sein öffentliches Flirten mit dem Job als Bayern-Trainer, für die erste Delle des Teams im vergangenen Winter), doch aus alldem ist er gestärkt hervorgegangen.

Drei seiner wichtigsten Spieler sind im vergangenen Jahr nach München gewechselt, doch der Trainer hat nie gejammert. Er hat andere gefördert, indem er in ihnen Eigenschaften gesehen hat, die nur wenige sonst in ihnen sehen wollten. Er kann ein Taktik-Nerd sein, er kann aber auch ein gnadenloser Pragmatiker sein. Die Folge: In dieser Saison tritt Hoffenheim erstmals in der Vereinsgeschichte in der Champions League an.

All diese Erfahrungen machen Nagelsmann zu demjenigen, der nun heranwachsen will zum Herausforderer des FC Bayern. Und wie es für ihn typisch ist, will er dabei keine Zeit verlieren.

Im nächsten Sommer übernimmt der Trainer das ehrgeizige Projekt von RB Leipzig, auch diese Entscheidung hat er nicht verschwiegen. Spätestens dort hat er dann die Voraussetzungen, um einen Rivalen des FC Bayern aufzubauen. Doch warten möchte er nicht. Deshalb erzählt er nicht nur in der Öffentlichkeit, dass er Meister werden möchte, er sagt das auch intern. Unnötiger Druck? So sieht Nagelsmann das nicht. Er will all die Energie, die er in sich spürt, bündeln auf ein Ziel, und erscheint es noch so vermessen. Wobei er natürlich weiß, dass zumindest in diesem Jahr die Chancen gering sind, zu stark und ausgeglichen erscheint der Kader des FC Bayern weiterhin. Also sagt Nagelsmann: "Wir sagen nicht, wir holen den Titel. Aber wir wollen es probieren."

Vielleicht bleibt es bei einem Spruch. Vielleicht gibt es eine Schramme. Ganz sicher aber wird Nagelsmann sich nicht verbiegen.

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Quelle:
SZ vom 24.08.2018
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