Süddeutsche Zeitung

1860 München:Drei minus

Lesezeit: 3 min

Die Löwen schaffen es gegen Viktoria Berlin erneut nicht, in Führung zu gehen - und müssen sich schon wieder mit einem Remis begnügen. Der eingewechselte Sascha Mölders ist beim 1:1 an beiden Toren beteiligt.

Von Christoph Leischwitz

Die letzte Führung des TSV 1860 München in der dritten Fußball-Liga liegt über fünf Wochen zurück, und diese währte auch nur drei Minuten. Auswärts bei Eintracht Braunschweig erzielte Sascha Mölders das 1:0 in der 89. Minute per Elfmeter, in der Nachspielzeit fiel noch der Ausgleich. Dabei haben die Löwen gute Umschaltspieler in ihren Reihen, die gefährliche Konter fahren können, sprich: nach einem 1:0 leicht mal ein 2:0 folgen lassen können. Außerdem haben sie in der laufenden Saison ja auch wieder ihr Publikum. Und so war der Plan klar am Samstag gegen Aufsteiger Viktoria Berlin: mal wieder das erste Tor schießen.

Mit Anpfiff legte die Mannschaft los, als ob es keine zweite Halbzeit gäbe (in der dann auch mehrere Spieler beider Teams gegen Ende von Krämpfen gepeinigt waren), Angriff um Angriff lief in den Berliner Strafraum, die Fans waren aus dem Häuschen - aber es fiel schon wieder nicht, das Führungstor. Stattdessen: Am Ende wieder ein hochverdientes Unentschieden nach Rückstand, wieder unpräzise Bälle im gegnerischen Sechzehner, die den perfekten Torabschluss verhinderten. Wieder so eine Drei-minus-Leistung, obwohl die Mannschaft nach eigenem Bekunden büffelt wie verrückt.

"Am Ende fehlt jedes Mal dieses Quäntchen Glück", sagt Neudecker

Damit wird man zwar versetzt am Ende, aber den eigenen Ansprüchen genügt das ganz und gar nicht, denn diese lauten ja, zu den besten Dreien zu gehören. Kein Wunder also, dass der Trainer in der Schlussphase hektisch mit den Armen ruderte, eine Wasserflasche malträtierte, kurz also die Contenance verlor. "Wenn man das ganze Spiel sieht, haben wir zwei Punkte verloren", ärgerte sich Michael Köllner nach dem 1:1 (0:0). Auch in der Schlussphase habe sich die Mannschaft aufgerieben, "die Wechsel waren gut", so der Coach, aber immer wieder fehlten "ein paar Zentimeter". Damit meinte er: im Angriff, der einfach nicht ins Rollen kommt. Zehn Tore nach elf Spielen - nur drei Mannschaften haben weniger geschossen. "Da fährst du schon ein Stück weit aus der Haut", sagte Köllner.

Nach dem Spiel gaben sich die Hauptprotagonisten ruhig und analytisch. "Du kannst keinem böse sein, du machst ein ordentliches Spiel, aber am Ende fehlt jedes Mal dieses Quäntchen Glück", sagte Richard Neudecker. Und weil doch tatsächlich der eingewechselte Sascha Mölders in der 77. Minute das Ausgleichstor erzielt hatte, führte kein Weg daran vorbei, dass auch er nach dem Spiel mal wieder vor die Mikrofone trat. Natürlich ging es dann nicht nur um sein Tor, sondern auch darum, dass der Kapitän zum zweiten Mal nicht in der Startelf stand. Zur Begründung hatte Köllner gesagt, dass seine Spieler ja viel laufen müssen - und solch ein Spiel traut er Mölders über 90 Minuten offensichtlich nicht zu. "Ich bin jetzt fünfeinhalb Jahre hier", sagte Mölders bei Magentasport, "ich hab' nahezu alles miterlebt. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich ungern auf der Bank sitze."

Jeder, der Sascha Mölders kennt, weiß auch, dass er sonst nie so leise in Mikrofone spricht. Sonst habe er zu dem Thema nichts zu sagen. Wie denn die Kommunikation mit dem Trainer laufe? "Ihr braucht jetzt nicht versuchen, irgendwie Feuer zu legen, da gehe ich nicht drauf ein", sagte der 36-Jährige.

Beinahe wäre Linsbichler zum Matchwinner geworden

Nach dem 1:1, das Mölders nicht nur per Abstauber erzielt, sondern mit einem Steilpass auf Tim Linsbichler auch eingeleitet hatte, küsste der Torschützenkönig der vergangenen Saison das Wappen auf dem Trikot und feierte mit der Westkurve. Doch das Jokertor genügt nicht für die große Rehabilitierung. Was auch daran lag, dass er den Rückstand mitverschuldet hatte. "Wie aus heiterem Himmel" (Köllner) war das 0:1 gefallen, ausgerechnet in der 60. Spielminute. In der 59. Minute war Mölders eingewechselt worden, dann ließ er bei einem Eckball seinen Gegenspieler gewähren, oder er konnte einfach nicht so hoch springen wie Tobias Gunte. Die Zuordnung, sagte Köllner später, sei jedem bekannt, und diese müsse auch nach einer Minute klappen. Köllner sagte über Mölders aber auch: "Tore helfen einem Stürmer immer", auch jemandem mit seiner Erfahrung. Er hoffe, dass sein "Torglück" damit zurückgekehrt sei. Zum Helden des Spiels wäre beinahe der ebenfalls eingewechselte Linsbichler geworden. Sein Kopfball in der 80. Minute, als die Fans den Sieg förmlich herbeibrüllen wollten, wies eigentlich die nötige Präzision auf - doch Berlins Keeper Philip Sprint zeigte eine Glanzparade.

Mit gemischten Gefühlen gehe man nun in die Länderspielpause, sagte Köllner noch. Die ja nur eine Ligapause ist. Am Freitag tritt 1860 im Verbandspokal beim TSV Buchbach an, eine Landpartie, die ungemütlich werden kann. Vor vier Jahren, in ihrer Regionalliga-Saison, haben die Sechziger dort 0:1 verloren. Bedeutsam ist das Spiel allemal, denn dieser Weg in die nächste DFB-Pokal-Hauptrunde ist deutlich kürzer als der über eine gute Liga-Platzierung. Es steht also viel auf dem Spiel, und es wird interessant zu sehen sein, welchen Angreifern der Trainer in dieser Partie eine Chance gibt.

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