Süddeutsche Zeitung

1860 München:"Der FC Bayern müsste ohne 1860 noch heute im Olympiastadion spielen"

Lesezeit: 3 min

Christian Waggershauser, langjähriger Verwaltungsrat des TSV 1860 München, spricht im SZ-Interview über seinen Rücktritt, den Spott von Uli Hoeneß und die Spaltung des Vereins.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Er habe in den vergangenen zehn Jahren dazu beitragen wollen, den TSV 1860 München in eine bessere Zukunft zu führen, dies sei allerdings nicht möglich gewesen, hatte Christian Waggershauser am Sonntag erklärt, nachdem er sein Amt als Verwaltungsrat niedergelegt hatte - genau wie Karl-Christian Bay, der Vorsitzende des Gremiums. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Samstagsausgabe) hat sich Waggershauser nun erstmals zu den Gründen geäußert. "Was in der letzten Woche passiert ist, hätte ich nie für möglich gehalten. Ich musste ein klares Zeichen setzen, dass ich damit nicht einverstanden bin und ich so nicht weiter arbeiten kann."

Den Medienboykott und das inzwischen wieder aufgehobene Hausverbot für Journalisten hatte der Fußball-Zweitligist als Reaktion auf die kritische, landesweite Berichterstattung über eine erstaunliche Pressekonferenz verkündet, bei der Investor Hasan Ismaik das Wort führte, die Entlassung von Trainer Kosta Runjaic bekanntgab - sowie die Ernennung von Anthony Power zum Geschäftsführer.

Ismaik hatte auf der Pressekonferenz verkündet, dass alle Personal-Entscheidungen im Aufsichtsrat der KGaA getroffen worden seien. Ein Gremium, das für solche Entscheidungen nicht zuständig ist, dem Ismaik allerdings vorsitzt und in dem er die Stimmmehrheit besitzt. Die Deutsche Fußball-Liga hatte deshalb den Verein zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert, ob alle Entscheidungen in Einklang mit der 50+1-Regel getroffen worden seien, die eigentlich sicherstellen soll, dass der Verein gegenüber Investoren die Entscheidungshoheit behält. Der Rücktritt von Karl-Christian Bay sei eine Folge dieser turbulenten Woche bei 1860, sagt Waggershauser. "Compliance ist ein ganz zentrales Thema seiner Beratertätigkeit als Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwalt. Die Vorgänge in der letzten Woche bei 1860 könnten sein hohes Ansehen gefährden, so dass eine sichtbare Distanzierung von diesen Behauptungen und Vorgehensweisen sicherlich notwendig war."

"Es gibt im Verhältnis zu Ismaik eine Bandbreite von totaler Ablehnung bis zu nahezu bedingungsloser Unterstützung"

Andererseits habe die Woche "auch etwas Gutes" gehabt, findet Waggershauser: "Sie hat Transparenz geschaffen darüber, mit wem wir es zu tun haben. Sie hat gezeigt, wie Ismaik agiert und welches Selbstverständnis er von seiner Rolle hat. Ich möchte nicht wissen, wie Verhandlungen und Besprechungen abgelaufen sind, wenn ich mir nur diese 45 Minuten der Pressekonferenz ansehe."

Er habe am Ende das Gefühl gehabt, dass er "kaum noch etwas bewegen kann", sagt Waggershauser, was er auch auf eine "faktische Spaltung" des Vereins zurückführt. "Die Cosa Nostra (Ultragruppierung, d. Red.) hat sich wegen Hasan Ismaik aus der Kurve zurückgezogen, die Arge-Führung (Arbeitsgemeinschaft der Fanklubs, d. Red) hat sich hingegen nach Abu Dhabi einladen lassen und ihn zum Ehrenmitglied ernannt. Es gibt im Verhältnis zu Ismaik eine Bandbreite von totaler Ablehnung bis zu nahezu bedingungsloser Unterstützung. Auch in den Gremien gibt es unterschiedliche Haltungen, wenn auch nicht so extrem wie bei den Fans."

Waggershauser, seit 1993 Geschäftsführer des Kulturzentrums Muffathalle, hatte in seiner zehnjährigen Amtszeit vor allem den Auszug des TSV 1860 München aus der Arena voranbringen wollen, die der Klub gemeinsam mit dem FC Bayern errichtete, dort seit Jahren aber nur noch Mieter ist. "Tatsache ist, dass der FC Bayern ohne 1860 noch heute im Olympiastadion oder außerhalb Münchens in der Pampa spielen müsste. Weil nach EU-Recht die Stadt und der Freistaat 200 Millionen Euro direkte Subvention für Infrastruktur gezahlt haben, so dass dort bis vor Kurzem zwingend zwei verschiedene Vereine spielen mussten. Das Grundstück wurde auch vergünstigt hergegeben, weil nicht nur ein Klub davon profitierte."

"Als Uli Hoeneß am Boden lag, gab es von 1860 keinerlei Kommentar"

Insofern sei es erstaunlich, dass der ehemalige 1860-Geschäftsführer Stefan Ziffzer die Arena-Anteile von 1860 "weit unter Wert" an den FC Bayern verkauft habe. Genau wie die "Fortführung der Dienstleisterverträge, die in ihrer enormen Höhe zur Abbezahlung von Baudarlehen und Handgeld gedacht waren. Solche Verträge machen nur für einen Eigentümer Sinn, nicht für einen Mieter", klagt Waggershauser. Ziffzer habe "beim Verkauf der Arena-Anteile an den FC Bayern offensichtlich nicht primär unsere Interessen vertreten".

Irritiert hat Waggershauser offenbar auch, dass Ziffzer, der vor ihm zu 1860 kam, "angeblich von Edmund Stoiber (Aufsichtsratsmitglied des FC Bayern) der Monika Hohlmeier (Mitglied im Aufsichtsrat von 1860) empfohlen" wurde. "Und Ziffzer war ja wohl Manager bei der Kirch-Gruppe, als diese mit dem FC Bayern einen Fernsehgeld-Geheimvertrag über 20 Millionen geschlossen hat."

Mit Verwunderung hat der ehemalige Verwaltungsrat jedenfalls den Spott ("Sechzig träumt seit Jahren vom eigenen Stadion. Sie müssten mal mit Donald Trump reden, der ist ein Immobilien-Tycoon. Vielleicht baut der ihnen sowas") des wiedergewählten Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß vernommen. Waggershauser sagt. "Als Uli Hoeneß am Boden lag und halb Deutschland auf ihn eingeprügelt hat, gab es von 1860 keinerlei Kommentar. Auch nicht beim letztjährigen Freundschaftsspiel in Saudi Arabien, wo gleichzeitig ein kritischer Blogger ausgepeitscht wurde. Wenn ein Verein auf dieses Geld nicht angewiesen ist, dann die Bayern. Die haben uns keine Ratschläge zu geben und dazu moralisch jedes Recht verloren!"

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3278429
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.