Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Gift auf den Flügeln

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Der Club muss gegen den HSV die höchste Zweitliga-Heimniederlage in seiner Geschichte hinnehmen.

Von Thomas Gröbner

Ein wenig musste man sich sorgen um den 1. FC Nürnberg, wenn man dem Trainer Damir Canadi am späten Montagabend so zuhörte nach dem 0:4 gegen den Hamburger SV. Es klang, als sei etwas kaputt gegangen unter dem Flutlich des Max-Morlock-Stadions. "Wir versuchen jetzt, die Mannschaft wieder herzustellen", sagte Canadi. Es klang, als sei das keine einfache Sache.

Denn im ersten Heimspiel nach einer gruseligen Bundesliga-Saison mussten der Trainer und die Club-Fans unter den 44 497 Zuschauern beobachten, wie ihr Verein die höchste Zweitliga-Niederlage in der Club-Historie gegen einen Aufstiegskonkurrenten hinnehmen musste. Nach dem knappen Sieg zum Auftakt gegen Dresden zertrümmerte dieses Ergebnis erst einmal die Hoffnung darauf, dass der Weg zurück in die erste Liga ein leichter Weg sein könnte. "Wir sind enttäuscht. Wenn du 4:0 verlierst, hast du kollektiv nicht funktioniert, da gehöre ich als Trainer auch dazu", sagte Canadi anschließend gefasst. Es war ein Abend der lauten und der leisen Töne, und wenn man genau hingehört hatte, dann konnte man auch an der Lautstärke der Pfiffe und Schmähungen gegen Tim Leibold erkennen, wie das Spiel sich entwickelt hatte. Ohnehin hatten sie ihm in Nürnberg nicht verziehen, dass er den Verein Richtung Hamburg verlassen hatte, und so waren die Pfiffe gegen ihn ohrenbetäuben. Dann leitete Leibold die HSV-Führung mit einem überlegten Querpass ein und provozierte den Freistoß, den Sonny Kittel zum 2:0 nutzte (30.). Und dann wurde es still in Nürnberg. Ehe noch ein Tor des ehemaligen Fürthers Khaled Narey und ein Eigentor von Tim Handwerker folgten. "Ich wusste, was auf mich zukommt. Das gehört dazu", sagte Leibold später. Gram sei er niemanden. "Ich hab dem Verein viel zu verdanken."

In Nürnberg ließ sich kein Mittel gegen die HSV-Angriffe auftreiben

Leibold hatte auf dem linken Flügel gewirbelt, dort also, wo Canadi die Verwundbarkeit seiner Mannschaft ausgemacht hatte. Tatsächlich waren die Flügelangriffe Gift für das Nürnberger Spiel, die nur durch Schlussmann Mathenia vor einer höheren Niederlage bewahrt wurden. Ach, Schnelligkeit. Diese sei einem eben gegeben oder halt nicht, sagte Canadi fatalistisch. "Das ist etwas, was wir gewusst hatten." Da drängt sich die Frage auf, warum sich trotzdem kein Gegenmittel gegen die Überfälle hatte auftreiben lassen. Auch der ehemalige Club-Trainer Dieter Hecking verspürte an diesem Abend große Lust an einer Analyse vor der Presse. "Wir haben sie gut erwischt. Sie hatten nicht die Antworten, um uns taktisch Paroli zu bieten." Auch deshalb hoffen sie in Nürnberg darauf, dass Zugang Johannes Geis bald eingreifen kann. Canadi plant ihn als "Verbindungsspieler" zwischen den Linien ein, die gegen den HSV oft weit auseinanderklafften. Er spüre "Hunger" bei Geis. Und Nürnberg sei für den 25-Jährigen auch eine gute Plattform, um "raus aus dem Karriereknick" zu kommen. 121 Bundesliga-Spiele hat Geis für Fürth, Mainz und Schalke gemacht, in Köln stand er zuletzt nur selten auf dem Platz. "In meinem Alter musst du Fußball spielen", sagte er nach dem ersten Training. "Wenn ich jetzt wieder ein Jahr verschenkt und nur fünf oder zehn Spiele gemacht hätte, dann wäre es für mich langsam eng geworden", sagte er der Bild. Die nächste Möglichkeit, die Erinnerungen an diese Niederlage zu vertreiben, steht am Freitag an - in der ersten Runde des DFB-Pokals in Ingolstadt.

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SZ vom 07.08.2019
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