Süddeutsche Zeitung

1. FC Köln:Rutschgefahr vorm Fest

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Nach dem Patzer gegen Augsburg steht der 1. FC Köln vor wegweisenden Tagen. Dabei gerät der Klub in Konkurrenz mit dem VfB Stuttgart, der den sehr geschätzten Geschäftsführer Alexander Wehrle verpflichten will.

Von Philipp Selldorf, Köln

Als Steffen Baumgart am Sonntag nach Wolfsburg fuhr, um das Spiel des dort ansässigen VfL gegen den VfB Stuttgart zu verfolgen, unternahm er zwei Scouting-Touren auf einmal: Er beobachtete sowohl den nächsten als auch den übernächsten Gegner des 1. FC Köln. Und dass der Trainer den Job nach Art des Gastwirts selbst erledigte ("Hier kocht der Chef selbst"), zeugt vom Ernst der Lage.

Baumgart weist zwar gern darauf hin, dass der FC-Fußball seit dem Dienstantritt des Trainers Baumgart besser aussieht als in der vorigen Saison, und er vergisst auch nicht zu erwähnen, dass der Klub mit dem Trainer Baumgart mehr Punkte gesammelt hat als zur gleichen Zeit im Vorjahr. Doch er stellt ebenso wahrheitsgemäß fest, dass die am Wochenende erlittene 0:2-Niederlage gegen Augsburg unangenehme Tatsachen geschaffen hat: "Drei Punkte nach unten" - zum Liga-16. Augsburg - seien "nicht viel", und eben dorthin müsse man nun schauen: "nach unten".

Die englische Woche vor der Winterpause könnte daher sehr wesentlich dazu beitragen, in welchem Gemütszustand die Fans des 1. FC Köln das Weihnachtsfest verbringen. "Mit zwei guten Ergebnissen kannst du oben, mit zwei schlechten Ergebnissen unten reinrutschen", sagt Baumgart.

Die beiden Partien bescheren aber auch auf anderem Feld erlesene Begegnungen: In Wolfsburg wird der FC-Sportchef Jörg Jakobs seinen ehemaligen Weggefährten und Vorgesetzten Jörg Schmadtke treffen, viel mehr als einen flüchtigen Gruß hat er allerdings nicht zu erwarten. Schon vor Jahren hat Schmadtke, bekannt für seine rigorose Art, die Beziehung gekündigt; im vergangenen Sommer hatte er es abgelehnt, sich mit Jakobs an den Verhandlungstisch zu setzen. Die Gespräche über den Wechsel von Verteidiger Sebastiaan Bornauw zum VfL musste Geschäftsführer Alexander Wehrle führen.

Die Zusammenarbeit Wehrles mit den Vereinsgremien verläuft nicht immer wunschgemäß

Wehrle wiederum erwartet am Sonntag beim Heimspiel gegen den VfB ein spezielles Wiedersehen. Er begegnet dann nicht nur seinem ehemaligen, sondern auch seinem mutmaßlich künftigen Arbeitgeber. Die Stuttgarter werben nicht das erste Mal um seine Rückkehr, Wehrle hatte bis zu seinem Umzug nach Köln, den er 2013 verwirklichte, zehn Jahre auf der Geschäftsstelle des Vereins gearbeitet. Ein Angebot des FC-Vorstands, seinen bis 2023 laufenden Vertrag zu verlängern, hat der 46 Jahre alte Schwabe kürzlich abgelehnt. In der alten Heimat könnte er Vorstandschef werden. Sollte er das Angebot annehmen, dann sicher nicht deshalb, weil er genug vom Kölner Leben und dem FC hat, sondern weil die Zusammenarbeit mit dem Vorstand und anderen Vereinsgremien nicht gerade wunschgemäß verläuft. Loyal war er inzwischen lang genug.

Wehrle, der sich auch im DFL-Präsidium engagiert, ist zwar für seinen Arbeitseifer bekannt, er hätte aber auch gegen Entlastung nichts einzuwenden. Selbst, wenn jetzt Unterstützung unterwegs ist: In Kürze will der Vorstand einen neuen Finanzchef vorstellen. Kenner verweisen dabei auf die äußerst angespannte Kassenlage und meinen, der neue Mann sei vor allem als Sanierer gefragt.

Finanziell bleibt dem Klub in nächster Zeit wenig Spielraum, um die Personallage der Sport-Belegschaft zu gestalten, und auch der personelle Wandel in der Administration macht Steffen Baumgart Sorge. Von den drei Herren, die ihn im Frühjahr engagiert hatten, ist demnächst womöglich keiner mehr da.

"Ich hoffe nicht, dass einer nach dem anderen verschwindet", bemerkte der Trainer am Montag: Den Manager Horst Heldt hatte der Vorstand im Sommer mit Getöse und hohem Imageschaden entlassen, Sportchef Jörg Jakobs - im eigentlichen Berufsleben Dozent an der Sporthochschule - beendet seinen effizienten Aushilfsdienst, wenn im kommenden April der neue Sportgeschäftsführer Christian Keller, 43, die Arbeit aufnimmt. In Wehrles Verbleib setzt zumindest Baumgart noch Hoffnung, sogar mit Blumen hat es der Trainer schon versucht "Darüber hat er nur geschmunzelt", räumte Baumgart ein.

Für den VfB wäre Wehrle nicht nur ein geeigneter Nachfolger des auf eigenen Wunsch ausscheidenden Thomas Hitzlsperger, der Klub könnte dadurch auch einen strategischen Coup landen. Der vielseitig einsetzbare neue Chef würde eine Lücke im Organigramm schließen, ohne das Gleichgewicht des Organigramms zu gefährden: Zuletzt rumorte es rund um den VfB, als Sportdirektor Sven Mislintat, 49, die Besetzung des mit Hitzlspergers Abschied vakanten Sportvorstand-Postens kommentierte - öffentlich.

Selbstbewusst wie er ist, sprach sich Mislintat gegen eine externe Lösung und gegen einen neuen Sport-Vorgesetzten aus. Wehrle könnte dem VfB einen Kompromiss ermöglichen, um den sehr geschätzten, aber auch empfindlichen Sportdirektor nicht zu verärgern. In Kürze, heißt es aus kundigen Kreisen, sollen die Personalfragen geklärt werden.

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