Süddeutsche Zeitung

1. FC Köln:"Ist doch klar, was die hier wollen!"

Lesezeit: 2 min

Kölns destruktiver Fußball bringt Trainer Gisdol in Erklärungsnot.

Von Thomas Hürner, Bremen

Markus Gisdol gilt nicht unbedingt als impulsive Gestalt, die mit flammenden Reden für aufgeheizte Gemüter sorgt. Innerhalb der Fußballnation ist der Trainer des 1. FC Köln vielmehr für einen gewissen Pragmatismus sowie für seine kühle Nüchternheit bekannt, und schon nach wenigen Minuten offenbarten sich diese Wesenszüge. "Ist doch klar, was die hier wollen!", brüllte Florian Kohfeldt, der sehr impulsive Trainer des SV Werder, durch die fast menschenleeren Weiten des Bremer Weserstadions.

Zuvor war mal wieder ein Spieler im roten Trikot seinem Gegner in die Beine gerauscht. Gisdol, 51, legte seinem Kollegen daraufhin in eher ruhigem Ton nahe, dass er doch besser den essenziellen Bestandteilen seiner Arbeit nachgehen solle, hier werde schließlich "Fußball gespielt".

Nun ja, Fußball gespielt wurde beim 1:1 am Freitagabend eher rudimentär. Gisdol machte hinterher auch kein Geheimnis aus der Simplizität seines Matchplans: Die Kölner wollten einem Gegner, der das Angreifen nicht beherrscht, das Angreifen überlassen. Vorbereitende Analysen, so Gisdol, hätten ergeben, dass Werder "damit Probleme hat". Es wurde ein Geisterspiel, vor dem sich selbst Geister gruseln würden. Und ob die Kölner Probleme damit kleiner geworden sind?

Immerhin ist Gisdol jetzt ein Fußballtrainer, der seit 17 Spielen nicht gewonnen hat, was an zahlreichen Bundesligastandorten wohl längst reaktionäre Handlungen hervorgerufen hätte. Der Kölner Sportchef Horst Heldt versicherte zuletzt aber vehement, dass der Trainer keinesfalls zur Disposition stehe, so auch nach der Partie in Bremen. Es gebe Leute, die über Gisdol diskutierten, sagte Heldt: Diesem "normalen Rhythmus" werde er aber nicht folgen. Wo aber der fußballerische Rhythmus geblieben war, nach zuletzt zarten Indizien des Aufschwungs, dürfte sich auch Heldt gefragt haben. Jedweder Mut, der in der Vorwoche noch eine beachtliche Leistung gegen den FC Bayern ermöglicht hatte, wurde einfach im Rheinland gelassen, gegen limitierte Bremer würde es ja vielleicht auch so reichen. Dabei hatte die Aufstellung zunächst eine andere Herangehensweise vermuten lassen: In Salih Özcan nahm ein eher technisch veranlagter Spieler die Sechserposition vor der Abwehr ein, doch in der Praxis setzte sich die Kölner Mannschaft aus Torwart Timo Horn, der am Ende der ersten Hälfte verletzt ausgewechselt werden musste, neun Verteidigern sowie dem einsamen Stürmer Sebastian Andersson zusammen. Rafael Czichos, einer der ausgebildeten Abwehrspieler, stellte hinterher zutreffend fest, dass es "nicht schön aussieht, wenn man sich nur hinten reinstellt und die Räume zumacht".

Und diese Destruktivtaktik hätte auch noch wirklich aufgehen können, obwohl sich der FC nicht ein einziges Mal gefährlich vor das gegnerische Tor kombinierte. Nach einem Freistoß aus dem Halbfeld beförderte der Bremer Verteidiger Niklas Moisander den Ball zur Kölner Führung ins Tor (67. Minute). Aus dem "dreckigen Sieg", den sich die Kölner laut Gisdol vorgenommen hatten, wurde jedoch nichts, da FC-Verteidiger Sebastiaan Bornauw im Strafraum ein unnötiges Handspiel beging und Bremens Leonardo Bittencourt den fälligen Elfmeter zum 1:1 verwandelte (82.).

Für all jene, die es mit den Kölnern halten, gab es vor der Flutlichtpartie immerhin die Gewissheit, dass der Effzeh den Spieltag keinesfalls als Tabellenletzter beenden würde. Allerdings nur, weil sich zwei Mannschaften gegenseitig Punkte wegnehmen mussten, die einen ähnlich misslungenen Saisonstart wie die Kölner hingelegt haben. In Mainz und auf Schalke wurde dieser nicht nur von lauten, internen Dissonanzen, sondern auch von frühen Trainerwechseln begleitet. Gisdol, der Pragmatiker, fand nach der Partie in Bremen jedenfalls, dass seine Mannschaft "vieles ordentlich" gemacht habe. Aus dieser misslichen Situation befreien, so Gisdol, könne man sich aber nur "über gute Leistungen".

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SZ vom 09.11.2020
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